Im Weimarer Stadtbild ist Christoph Martin Wieland (1733-1813) prominent vertreten: Das Denkmal auf dem nach ihm benannten Platz ist auf den Frauenplan gerichtet, der mit dem Wohnhaus Johann Wolfgang Goethes als das Herz der deutschen Klassik gilt. In der Wielandstraße, einem der alten Verbindungswege zum Theater, verweist an einem der Häuser eine Tafel auf die letzte Wohnung des Dichters. In der einstigen Toreinfahrt unter der Gedenktafel verkauft heute ein Obsthändler seine frischen Waren.
Gewundene Sprache
In der Nähe des Theaters verbrachte Wieland die letzten Jahre bis zu seinem Tod vor 200 Jahren am 20. Januar 1813. Mehr als vier Jahrzehnte wirkte der schwäbische Dichter und Philosoph in Weimar - zunächst als Prinzenerzieher für den späteren Herzog und Goethe-Förderer Carl August, dann als Publizist und Herausgeber des "Teutschen Merkur", der damals wichtigsten Zeitschrift für Literaten und Gelehrte. Dennoch ist sein Nachruhm schon kurz nach dem Tod verblasst. Nicht nur in Weimar wurde er bald zum bekanntesten Unbekannten.
Die Gründe dafür sind vielschichtig: Zwar war der damalige Erfolgsautor der erste deutsche Dichter überhaupt, der noch zu Lebzeiten eine Gesamtausgabe seiner Werke bekam. Doch ihre anspruchsvolle und bisweilen arg gewundene Sprache mit zahlreichen Anklängen an antike Stoffe verhinderte ein Weiterleben im Schulunterricht oder auf der Theaterbühne. Seine Übertragungen aus der Antike begeisterten bald nur noch ausgewiesene Wieland-Enthusiasten.
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Einer von ihnen in der Gegenwart ist der Hamburger Literaturwissenschaftler und Mäzen Jan Philipp Reemtsma. Seinem hartnäckigem und finanzstarken Engagement ist nicht zuletzt die Sanierung des Wielandgutes in Oßmannstedt vor den Toren Weimars zu verdanken. Dorthin hatte sich Wieland 1797 mit seiner Familie zurückgezogen, nachdem er als Prinzenerzieher nicht mehr gefragt war. Sein "Osmantinum" machte er zur offenen Begegnungsstätte für große Geister seiner Zeit.
Heinrich von Kleist und Sophie Brentano gingen hier ebenso ein und aus wie Georg Joachim Göschen, Friedrich Karl von Savigny, Johann Gottfried von Schadow oder Johannes Daniel Falk. Auch wenn Wieland sich selbst als "poetischer Landjunker" sah, kam seine Frau mit der Landwirtschaft deutlich besser zurecht. Für Reemtsma ist das beschauliche Gut mit bunten Sommerblumen, Delfinbrunnen und alten Bäumen, mit Wielands Grab und der heutigen Gedenkstätte vor allem ein symbolischer Ort für die deutsche Spätaufklärung.
Einer der "großen Vier"
Doch die "aufgeklärte Liberalität" Wielands sei im späten 19. Jahrhunderts nicht mehr modern gewesen, sagt Reemtsma. Gleichwohl sei er mit Goethe, Friedrich Schiller und Johann Gottfried Herder einer der "großen Vier" des klassischen Weimar gewesen. Wieland kehrte 1803, zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau, in die Residenz zurück und beteiligte sich weiterhin "an den herkömmlichen Unterhaltungen des umgänglichen Hof- und Stadtlebens", wie Goethe befand.
Reemtsma indes legt Wert auf die Feststellung, dass der Weimarer Musenhof bereits mit Wieland begann: "Als Goethe nach Weimar kam, ging er an einen Ort, an dem der zu dieser Zeit bekannteste deutsche Autor schon war."
Eigentlich hatte der Pfarrerssohn aus dem oberschwäbischen Biberach an der Riß Theologe werden sollen. Doch nach zwei Jahren an der Internatsschule Kloster Berge bei Magdeburg versagte er sich dem pietistischen "Kopfhängertum".
Abgebrochenes Jurastudium
Nach dem abgebrochenen Jurastudium in Tübingen entdeckte er bei Johann Jacob Bodmer in Zürich die englische Literatur für sich: Als Kanzleiverwalter in Biberach brachte er 1761 mit seiner Übertragung von "The Tempest" die erste deutschsprachige Aufführung eines Shakespeare-Dramas auf die Bühne. Mehr als 20 weitere Shakespeare-Übersetzungen sollten in den nächsten Jahren folgen. 1769 ging er als Philosophieprofessor an die Erfurter Universität, die sich von Wielands Popularität neuen Zuspruch erhoffte.
Doch schon nach drei Jahren schrieb der Professor in einem Brief, er "wünsche je bälder je lieber von dieser Ruderbank befreyt zu werden". Da kam 1772 der Ruf von Herzogin Anna Amalia gerade zur rechten Zeit. Der junge Carl August zeigte sich sehr "erfreuet", dass der Antrag seiner Mutter dem Professor in Erfurt "gefällig gewesen ist".
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Wieland seinerseits prophezeite "unserem jungen Fürsten" eine glänzende Perspektive: "Wenn der Himmel ihn und ein paar gute Freunde, die er hat, leben lässt", werde die Residenz zu einem "kleinen Hof", der es "verdienen soll, dass man von den Enden der Welt komme, ihn zu sehen". Wieland sollte Recht behalten.