Pfarrer Markus Buss befindet sich in einer Zwickmühle. Aber sie macht ihm nicht zu schaffen: Fröhlich und mit kleinen Pointen garniert erzählt der Vierundvierzigjährige von seiner Nebentätigkeit. Im Auftrag der evangelischen Kirche entscheidet er als ehrenamtlicher Prüfer der "Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft" (FSK) mit, welche Altersbeschränkung ein Film erhält. Dabei muss er mit widerstreitenden Interessen zurechtkommen: Einerseits wollen Verleihe, dass ein Streifen niedrig eingestuft wird und ihn viele Menschen sehen können. Andererseits muss der Kinder- und Jugendschutz gewahrt werden.
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"Ich predige, was ich möchte. Ich habe die Kanzelfreiheit", sagt Buss und zieht sogleich die Parallele zu seinem FSK-Job: "Da habe ich die Prüfungsfreiheit." Sprich: Nach Sicht entscheidet er über die Wirkung des Films auf Kinder und Jugendliche. Buss, der mit Ehefrau und seinen drei Kindern in Mörfelden-Walldorf bei Frankfurt am Main lebt, fährt dafür zweimal im Jahr für eine Woche nach Wiesbaden ins "Deutsche Filmhaus": Dort sieht er sich dann mit vier anderen Prüfern gemeinsam von morgens bis nachmittags Kinofilme, Serien, Trailer und Werbespots an.
Kernfrage: Welches Echo löst der Film aus?
Nach jeder Vorführung wird eine kurze filmische Einordnung präsentiert, anschließend diskutieren die Prüfer, "und dann sind Meinungen gefragt", wie Buss sagt. Jeder muss seine Hand für eine Einstufung heben. Die Frage dabei lautet, ob der Film ohne Altersbeschränkung, FSK 6, FSK 12, FSK 16 oder keine Jugendfreigabe erhält. Seit 1949 wurden bei der FSK knapp 137.000 Filme begutachtet. 2011 waren es fast 2.100 Filme.
Nach der Beobachtung von Buss gehen die rund 250 ehrenamtlichen Prüfer - darunter Lehrer, Psychologen, Sozialarbeiter, Richter und Staatsanwälte - verantwortungsvoll mit ihrer Aufgabe um. "Sie wissen, was sie tun." Die entscheidenden Fragen, welches Echo der Film bei einem Kind oder Jugendlichen auslöst und wie eindringlich und realistisch er inszeniert ist, würden gewissenhaft beantwortet, sagt Buss.
Für ihn persönlich ist die Entscheidung am brenzligsten, ob Kinderfilme ganz ohne Altersbeschränkung oder ab sechs Jahren klassifiziert werden sollen. Es sei "unglaublich schwierig", sich in ein Kleinkind hineinzuversetzen. Im Zweifel entscheide er sich dann für die höhere Hürde, um den Bedürfnissen der sensibleren Kinder eines Jahrgangs gerecht zu werden.
FSK-Siegel ist kein Freibrief für Eltern
Wenig Verständnis hat der Pfarrer für in Medien geäußerte Vorwürfe, dass grundsätzlich zu viele Filme ab zwölf Jahre freigegeben würden, obwohl ab 16 angebracht wäre. "Die Sehgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen wandeln sich stetig", sagt Buss. Ein gutes Beispiel sind für ihn die Harry Potter-Filme: Die neueren seien zwar düster inszeniert, aber dennoch sei die FSK-12-Freigabe vollkommen richtig: Die Darstellungen überforderten die Jugendlichen nicht, und das behandelte Thema, der Kampf von Gut gegen Böse, entspreche dem, womit sich Jungen und Mädchen in dem Alter auseinandersetzten.
Buss hat in den zehn Jahren seiner Prüf-Tätigkeit geschätzte 500 Filme und Serien-Episoden begutachtet. "Vieles davon hätte ich mir nicht angucken müssen", sagt er. Wenn etwa schlecht gemachte Horrorfilme oder Erotikstreifen anstehen, dann ist für ihn der FSK-Job "anstrengend" und "macht keinen Spaß". Das sei aber eher die Ausnahme.
Der Pfarrer ist passionierter Kinogänger: "Mein erster Kinofilm war 'Star Wars'. Mit zwölf", sagt er begeistert. Gerne schaut er noch heute pompöse Hollywood-Streifen an: "Sie müssen halt gut gemacht sein", sagt der Theologe. Wichtig ist ihm, dass die Eltern die "FSK-Freigaben nicht als Freibrief deuten". Sie sollten zudem als Ansprechpartner für ihre Kinder zur Verfügung stehen und sich informieren, welche Filme geeignet seien. Der Satz: "Hier hast Du zehn Euro für Kinokarte und Popcorn" reiche nicht aus, sagt der Filmprüfer.