Foto: epd/Romano Siciliani
Seit den dreißiger Jahren werden hier astronomische Studien betrieben: die Päpstliche Residenz auf dem Hügel von Castelgandolfo mit den Kuppeln der päpstlichen Sternwarte Specola Vaticana.
Die Sternegucker des Papstes
Schon die Weisen aus dem Morgenland waren Sterndeuter. Doch die Päpste wollten mit der modernen Astronomie zunächst nichts zu tun haben, Wissenschaftler wurden von der Inquisition verfolgt. Heute unterhält auch der Vatikan Teleskope.
29.12.2012
epd
Bettina Gabbe

Wenn der Papst in Castelgandolfo Urlaub macht, kann er den Himmel durch seine eigenen Teleskope studieren: Der Apostolische Palast des Bergstädtchens wird nicht von einem Kirchturm überragt, sondern von zwei Kuppeldächern für Teleskope. Seit den 1930er Jahren werden hier astronomische Studien betrieben.

In klaren kalten Winternächten sind über den Albaner Bergen schon mit bloßem Auge viele Sterne am Himmel zu erkennen. Doch für die Wissenschaft reicht das nicht mehr: Auch in der päpstlichen Sommerresidenz Castelgandolfo, 25 Kilometer von Rom entfernt, steigt die Lichtverschmutzung. Die Mitarbeiter des Vatikanischen Observatoriums beobachten darum seit den 80er Jahren den Himmel vor allem in Arizona in den USA.

"Wir sind nicht besser, stärker oder intelligenter"

Die Jesuiten, die mit der Leitung der vatikanischen Sternwarte betraut sind, haben bei Tucson auf rund 3.000 Meter Höhe ein modernes Teleskop von zwei Metern Durchmesser errichtet. Dort verbringt der Chef des vatikanischen Observatoriums, der Jesuitenpater José Gabriel Funes, die meiste Zeit des Jahres. Wissenschaft und Glaube sind für ihn keine Gegensätze.

"Die Kosmologie lehrt, dass es keine vorrangigen Positionen im Universum gibt", erklärt der Wissenschaftler auf die Frage, ob das Wissen über den Kosmos mit der biblischen Schöpfungsgeschichte vereinbar sei. "Wir wissen, dass die Erde nur der drittnächste Planet der Sonne ist, dass die Sonne zur Milchstraße mit ihren hundert Milliarden Sternen gehört und dass die unsrige nur eine von Hunderten Milliarden Galaxien ist".

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Der Argentinier studierte Astronomie, bevor er in den Orden eintrat. Für den Chefastronomen des Papstes bringen auch Mutmaßungen über Leben auf anderen Planeten das christliche Weltbild nicht ins Wanken: Die einzigartige Rolle, die der Mensch und die Erde darin spielten, rührten "nicht vom physischen Ort her, den wir im Universum besetzen, sondern von der Tatsache, dass Gott zum Menschen geworden ist".  Der Menschheit komme eine zentrale Rolle für Gott zu. "Das bedeutet nicht, dass wir besser, stärker oder intelligenter seien, im Gegenteil."

Den Vorwurf entkräften, der Vatikan sei wissenschaftsfeindlich

Doch nicht nur in Arizona, auch im italienischen Castelgandolfo wird noch gearbeitet. Der 90-jährige Pater Sabino Maffeo ist seit Mitte der 1980er Jahre stellvertretender Leiter des päpstlichen Observatoriums. Auf seinen Knopfdruck hin öffnet sich die Kuppel über dem Zeiss-Teleskop aus den 1930er Jahren mit einem lauten Quietschen.

Alle zwei Jahre benutzen angehende Astronomen aus aller Welt bei Sommerkursen die Teleskope. Die Teilnehmer werden auf der Grundlage ihrer wissenschaftlichen Arbeit ausgesucht. Vorrang hätten aber Studenten aus Entwicklungsländern, sagt Maffeo: "Die Religionszugehörigkeit spielt dabei keine Rolle".

In der 22.000 Bände starken Bibliothek des Observatoriums zeigt der Jesuit mehrere hundert Jahre alte Ausgaben der Werke von Kopernikus, Galileo, Kepler und Newton. Das Observatorium sei in seiner jetzigen Form vor rund 100 Jahren gegründet worden, um den Vorwurf zu entkräften, der Vatikan sei wissenschaftsfeindlich, sagt Maffeo.

Das erste vatikanische Observatorium im "Turm der Winde"

Zu Beginn der Aufklärung noch hatte die Inquisition die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Sonnensystem strengstens verfolgt: Die Erde sollte Mittelpunkt der Welt bleiben. Galileo Galilei wurde erst 1992 formal rehabilitiert.

Und dennoch: Mit mehreren Unterbrechungen blickt die Astronomie im Auftrag des Papstes auf eine 400-jährige Geschichte zurück: Papst Gregor XIII. beauftragte im 16. Jahrhundert Astronomen und Mathematiker, den Kalender zu reformieren. Noch heute spricht man vom gregorianischen Kalender.

Das erste vatikanische Observatorium wurde damals im "Turm der Winde" errichtet. In der Südwand des Turms ist eine kleine Öffnung erhalten, durch die an Sonnenwendtagen ein Lichtstrahl auf den im Fußboden eingezeichneten Meridian fällt. Heute gehört es zu den vatikanischen Geheimarchiven.