Die Pazifistin und Kapitalismuskritikerin Dorothy Day wäre eine ungewöhnliche Heilige. Doch in der römisch-katholischen Kirche der USA mehren sich Forderungen und Bitten, die 1980 in New York gestorbene Mitbegründerin der "Catholic Worker"-Bewegung seligsprechen zu lassen, einer Vorstufe zur Heiligsprechung. Befürworter kommen auch aus dem konservativen Kirchenspektrum. Day sei seine "Heilige für die Gegenwart", erklärte Kardinal Timothy Dolan, Erzbischof von New York. Im November beschloss die US-Bischofskonferenz, das entsprechende kirchliche Verfahren voranzutreiben.
Die "Catholic Worker"-Bewegung existiert heute in den USA in rund 200 von Spenden finanzierten Gemeinschaften. Diese betreiben "Häuser der Gastfreundschaft" für Obdachlose und Menschen am Rande der Gesellschaft. Man sehe Jesus Christus in jedem, der an die Tür klopft, heißt es.
1927 ließ sie sich taufen
Day gründete die Bewegung in den 30er Jahren für "Opfer der erbarmungslosen Industrialisierung", erklärt Louise Zwick vom "Catholic Worker"-Haus "Casa Juan Diego". Seit drei Jahrzehnten leben Zwick und ihr Ehemann Mark in der "Casa Juan Diego" im texanischen Houston, einer Gemeinschaft, die sich vor allem um kranke und behinderte Einwanderer aus Mexiko und Mittelamerika kümmert.
Die 1897 geborene Dorothy Day kam über den Marxismus zum christlichen Glauben. Sie war in den 20er Jahren Mitglied der Sozialistischen Partei und vieler Verbände im Umfeld der Kommunistischen Partei, wie sie in ihren Erinnerungen schrieb. In New York gehörte die junge Journalistin zur Szene freizügiger Künstler und Aktivisten, in der Anarchismus, Kommunismus, Sozialismus und alternative gesellschaftliche Modelle durchdiskutiert und ausprobiert wurden.
Doch ganz habe ihr das nicht gereicht. "Ganz tief im Herzen" habe sie "Sehnsucht nach Glauben" gehabt und nach einem Weg "aus der langen Einsamkeit" gesucht. Den hat sie offenbar gefunden: 1927 ließ sie sich taufen in der "Kirche der Einwanderer, der Kirche der Armen", wie sie sagte: Das war die römisch-katholische Kirche zu einer Zeit, als katholische Einwanderer aus Italien und Irland als Bürger zweiter Klasse galten.
Wird ihr Leben im Kanonisierungsprozess "bereinigt"?
Days "Catholic Workers" stießen oft auf Ablehnung. Die Mitbegründerin kritisierte, das Eigentum sei konzentriert im Besitz einiger weniger. Sie sei zunächst zum Kommunismus gekommen, weil das Christentum aus ihrer Sicht versagt habe, heißt es in Biografien über sie. Die "Catholic Worker"-Bewegung betont den Pazifismus.
Ihre Weggefährten berichten von Days Frömmigkeit. Sie habe häufig den Rosenkranz gebetet, gebeichtet und täglich an der Messfeier teilgenommen. Ihr Leben widmete sie der freiwilligen Armut. Zugleich marschierte sie bei Kundgebungen gegen Krieg und Rüstung mit.
In der Heiligsprechungsdebatte werden unterschiedliche Eigenschaften Dorothy Days in den Vordergrund gerückt. Ein Mitarbeiter des "Catholic Worker"-Hauses in Redwood City (Kalifornien), Larry Purcell, äußerte sich in einem kirchlichen Informationsdienst besorgt, Days Leben werde beim Kanonisierungsprozess möglicherweise "bereinigt". Ihr "kategorisches Nein zum Imperium der Vereinigten Staaten" und dessen militärischer Mach" werde dabei möglicherweise in den Hintergrund gedrängt.
Der Papst entscheidet über selig und heilig
Die Bischöfe sagen wenig über Days Pazifismus und ihre Kapitalismuskritik. Sie betonen vielmehr ihre Treue zur Kirche. Day gilt als reuige Sünderin, habe sie doch eine Abtreibung zutiefst bedauert. Kardinal Dolan erklärte, Day habe sich durch ihre Bekehrung radikal verändert und für die "Würde des Menschenlebens" eingesetzt. Louise Zwick von der "Casa Juan Diego" sagt, sie bete für die Heiligsprechung. Day sei Vorbild für die Kirche, weil sie die Bergpredigt Jesu gelebt habe.
Selig- und Heiligsprechungsverfahren dauern gewöhnlich viele Jahre. Gegenwärtig gibt es in der römisch-katholischen Kirche nur drei in den USA gebürtige Heilige, die Ordensgründerinnen Elizabeth Ann Seton (1774-1821) und Katharine Drexel (1858-1955) sowie die Mohawk-Indianerin Kateri Tekakwitha (1656-80). Letztendlich entscheidet der Papst, wer als selig oder heilig gilt und wer nicht.