Schilder in Newtown, Conneticut, mit der Aufschrift "kostenlose Umarmungen" und "Möchtest du ein Gebet?"
Foto: dpa/Justin Lane
Viele Menschen finden nach dem Amoklauf von Newtown Trost und Hilfe im Gebet: Manche bieten es - wie hier - auch anderen an. Manche Christen in den USA allerdings verlassen sich lieber auf Waffen.
Christen in den USA: Vertrauen auf Gott oder das Gewehr?
Die Kirchen in den USA sind in der Debatte um schärfere Waffengesetze gespalten. In vielen Gemeinden sitzen Schusswaffenenthusiasten und -gegner nebeneinander auf den Kirchenbänken.
22.12.2012
epd
Konrad Ege

Nach dem Amoklauf von Newtown (Connecticut) mit 28 Toten strömen die US-Amerikaner in die Kirchen. Pastoren wollen trösten, zuhören, der Trauer Raum geben. Zum Streitthema Schusswaffenkontrolle finden sie ganz unterschiedliche Worte.

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Zum einen wird gepredigt vom Friedensstifter Jesus Christus: Man solle auf Gott vertrauen und nicht auf Glock und Smith and Wesson. Doch ein paar Dutzend Gemeinden bieten ihren Mitgliedern auch Schusswaffenkurse an. Das sei ein "Dienst an der Gemeinschaft", sagte Pastor Ryan Bennett von der "Faith Baptist"-Kirche in Lexington (North Carolina) im Informationsdienst "Religion News Service".

Die Kirchen spiegeln die Meinungsvielfalt in der Gesellschaft wider. In vielen Gemeinden sitzen Schusswaffenenthusiasten und -gegner nebeneinander auf den Kirchenbänken. 200 bis 300 Millionen Revolver, Pistolen und Gewehre sind in den USA in Privathänden.

"Eine Nation im Krieg gegen sich selbst"

Manche christlichen Verbände sagen lieber gar nichts. Der Nationale Verband der Evangelikalen, der nach eigenen Angaben 45.000 Kirchengemeinden repräsentiert, hat sich noch nie zur Schusswaffenkontrolle geäußert. Der ökumenische Nationale Kirchenrat dagegen beklagte bereits 2010, die USA seien "eine Nation im Krieg gegen sich selbst". In einem "durchschnittlichen Jahr" würden 100.000 Einwohner von Schusswaffen verwundet oder getötet.

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In der römisch-katholischen Kirche kommt das Thema selten zur Sprache. Dabei hat die US-Bischofskonferenz im Jahr 2000 nach Angaben des katholischen Informationsdienstes ein Papier verabschiedet mit der Forderung, den Verkauf von Schusswaffen zu kontrollieren. Langfristig sollten Pistolen und Revolver "in unserer Gesellschaft abgeschafft werden". Die Evangelische Lutherische Kirche in Amerika sprach sich 1993 für eine strikte Kontrolle der Herstellung und des Verkaufs von Schusswaffen aus. Jagd- und Sportgewehre sollten allerdings ausgenommen werden.

Der Vorsitzende der Ethikkommission im Südlichen Baptistenverband, Richard Land, sieht das anders. Eine Rechtfertigung für Schusswaffen finde man im Evangelium, so Land jüngst in einem Rundfunkinterview. Man solle seinen Nächsten so sehr lieben wie sich selbst. Werde jemand angegriffen, habe man eine moralische und christliche Verpflichtung zu helfen, wenn nötig auch mit Waffengewalt. Bewaffnete Bürger seien die beste Verteidigung gegen Verbrechen. Der Südliche Baptistenverband ist die größte protestantische Kirche der USA.

Evangelikale eher bewaffnet als Katholiken

Wie das "Public Religion Research Institut" bereits im August ermittelte, zeigen sich beim Schusswaffenbesitz deutliche religiöse Unterschiede. Die Evangelikalen sind eher bewaffnet. 58 Prozent der weißen Evangelikalen, aber nur 32 Prozent der Katholiken leben in Haushalten mit Schusswaffen. Ein Drittel der Evangelikalen sei der Ansicht, man solle Schusswaffen zum Gottesdienst mitbringen dürfen.

Konservative evangelikale Pastoren sehen den Amoklauf von Newtown als Aufforderung zur Bekehrung zu Jesus Christus. Die Gesellschaft habe Gott aus den staatlichen Schulen verdrängt, hieß es im Rundfunkprogramm des Amerikanischen Familienverbandes. Daher komme es zu derartigen Bluttaten. Vielleicht werde der Horror von Newtown ein Weckruf sein für die Menschen, erklärte Pastor Clive Calver von der evangelikalen "Walnut Hill Community"-Kirche in Connecticut. Seine Gemeinde arbeite schon seit Jahren für die Bekehrung der Menschen der Region, nun sei es vielleicht Zeit für die Ernte.

Kirchliche Schusswaffengegner machen sich indes Hoffnung, dass nach den Morden an den Kindern von Newtown ein Umdenken einsetzen werde in den USA. Der Redakteur des Jesuitenmagazins "America", James Martin, appellierte, gegen Schusswaffen aktiv zu werden. Beten, dass so etwas wie das Massaker in Newtown nie wieder passieren werde, reiche nicht.