Weihnachten ist nicht, wie es so oft heißt, einfach das Fest der Liebe. Es ist vielmehr das Fest der Liebe im Angesicht einer Welt voll Hass und Gewalt. "Welt ging verloren, Christ ist geboren. Freue dich, o Christenheit". Das sind Worte aus "O Du fröhliche", dem wohl meistgesungenen Lied in deutschen Weihnachtsgottesdiensten. Diese Worte machen deutlich, was wir eigentlich feiern, wenn es Weihnachten wird. Gott kommt nicht als Sahnehäubchen auf eine perfekt bezuckerte Welt, sondern er kommt in die Welt, weil die am Boden liegt, weil sie einen Retter bitter nötig hat.
Die biblischen Texte, die wir in den Kirchen im Advent und in der Weihnachtszeit lesen, beschreiben die Welt, wie sie wirklich ist: Gewalttätig, gewissenlos und unbarmherzig. Wir warten auf denjenigen, der diesem Treiben ein Ende macht, wir hoffen auf denjenigen, der wirklich Frieden werden lässt. Ein Beispiel kann verdeutlichen, wie wir uns die Zeit vorstellen können, in der Jesus zur Welt kam: Direkt nach der Geburt Jesu geschieht ein Massaker an Kleinstkindern. Herodes, die Marionette der römischen Besatzungstruppen im Land, wittert einen Konkurrenten, und weil er lediglich weiß, dass da ein Kind geboren sein soll, dass irgendwann einmal zum König werden könnte, lässt er kurzerhand sämtliche Kinder von null bis zwei Jahren in Bethlehem und Umgebung ermorden (Mt 2,16-18). Josef, Maria und Jesus können sich nur als Flüchtlinge retten.
Manchem mag sich die Frage nahelegen, wie man angesichts der Nachrichten aus Newtown noch Weihnachten feiern könne. Doch kann die Antwort hier aus christlicher Sicht nur lauten: Ja, gerade darum! Weil wir es nötig haben, dass Frieden auf Erden wird. Natürlich macht uns die Nachricht über die ermordeten Kinder in den USA unsere Freude auf ein friedliches Weihnachten schwierig. Aber wollen wir uns wirklich einer Illusion hingeben? Oder nicht lieber einer Hoffnung? Kinder sterben täglich tausendfach auf unserer Welt vor Hunger. Kinder sterben, weil sie erschossen werden, zu Tode gequält, weil ihnen die richtigen Medikamente fehlen. Wir wissen das, aber wir können es verdrängen, und sicherlich könnten wir es auch gar nicht ertragen, uns jeden Tag klar zu machen, wie sehr unsere Welt im Argen liegt, wie viel Gewalt und Grausamkeit regieren. In Newtown kommt noch unsere Hilflosigkeit hinzu. Keine Spende kann helfen, keine noch so gut gemeinte Aktion hilft. Es ist einfach wieder etwas Grausames geschehen.
Eine Verheißung
Angesichts der Botschaft von Weihachten aber ist es gerade gut,auf den Schrecken zu blicken, ihn und die eigene Hilflosigkeit auszuhalten. Wir sollten uns klarmachen, wie es um unsere Welt steht. Wir alle haben Erlösung nötig, und wir alle dürfen Hoffnung haben. Machen wir uns die Weihnachtsbotschaft klar: Es kommt einer, der all dem Unheil, das der Mensch anrichtet, ein Ende machen wird. Der Prophet Jesaja, der ebenfalls in schlimmen Zeiten lebte, hat uns eine Verheißung hinterlassen, die wir Christen als Hinweis auf Jesus Christus lesen. Da heißt es:
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. (…)
Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst. (Jes 9,1,4-5)
Das ist, worauf wir uns zu Weihnachten freuen dürfen: Dass es ein Ende haben soll mit blutgetränkten Mänteln und dröhnenden Stiefeln.
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Ist damit alles gut und alles gesagt? Natürlich nicht. Denn die Geburt Christi ist über 2000 Jahre her, und wir leben immer noch mit Gewalt und Krieg. Aber durch Weihnachten ist der Grundstein gelegt, denn nun haben wir Gottes Wort, dass er uns unser Menschsein nicht zum Vorwurf macht, weil er selbst Mensch wurde. Unsere Unfähigkeit dazu, ohne Sünde zu sein, muss uns nicht umbringen, weil sie uns vergeben ist. Auch unsere Hilflosigkeit muss uns nicht erdrücken.
Stattdessen können wir nun befreit unsere Sache besser machen, können uns für Gewaltlosigkeit und Frieden einsetzen. Wir können uns der Realität einer ungerechten und abgründigen Welt aussetzen und dort, wo wir etwas tun können, können wir dagegen etwas unternehmen. Es ist nur allzu richtig, dass zu Heilig Abend in unseren Gottesdiensten für Brot für die Welt gesammelt wird. Hier wird deutlich, dass wir Verantwortung tragen für unsere Mitmenschen. Hier ist eine Möglichkeit, dass wir eingreifen. Die Welt retten wir dadurch nicht, aber wir tun, was der, der sie gerettet hat, von uns verlangt: Hinsehen – nicht nur – und dort, wo es möglich ist, etwas tun. Freuen wir uns weiterhin auf Weihnachten. Gerade jetzt!