In kaum einem europäischen Land sind katholische Kirche und Staat so eng miteinander verzahnt wie im Fürstentum Liechtenstein. Hier genießt die römisch-katholische Kirche bislang als Landeskirche den vollen Schutz des Staates. Das soll sich nun ändern: Bei der nächsten Landtagssitzung, die am heutigen Mittwoch beginnt, beraten die 25 Abgeordneten des Parlaments über die Entflechtung von Staat und Kirche.
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Insbesondere geht es dabei um eine Verfassungsänderung: Die katholische Kirche soll ihren exponierten Status verlieren. Die Evangelische Kirche Liechtenstein, zu der hauptsächlich reformierte Christen gehören, und die evangelisch-lutherische Kirche sollen dann durch ein eigenes Gesetz als "staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften" gleichgestellt werden.
Andere Religionen können ebenfalls diesen Status erlangen, vorausgesetzt sie haben genügend Mitglieder, sind lange genug im Land vertreten und respektieren die staatliche Rechtsordnung. Darüber hinaus ist - ähnlich dem italienischen Modell - eine Mandatssteuer geplant. Der Steuerpflichtige entscheidet dabei selbst, wohin die Abgabe fließen soll: Zur katholischen, den evangelischen Kirchen oder eben zum Staat zurück.
Katholikenanteil auf 75 Prozent gesunken
Die Gründe für die Neuordnung liegen auf der Hand: In dem Zwergstaat, in dem heute rund 36.000 Menschen leben, sind über die Jahre immer mehr Angehörige anderer Religionsgemeinschaften zugewandert. So sank der Anteil der Katholiken seit 1930 von 97,3 Prozent auf 75,9 Prozent im Jahr 2010. Laut der jüngsten Volkszählung im Jahr 2010 liegt der Anteil der Protestanten bei 7,8 Prozent. Muslime machen 5,4 Prozent der Bevölkerung aus.
Die Protestanten im Land begrüßen die geplanten Veränderungen. Das Religionsgemeinschaftengesetz und die Verfassungsänderung bedeuteten eine Aufwertung und Emanzipation für die anderen Glaubensgemeinschaften im Land, sagt der Präsident der Evangelischen Kirche Liechtenstein, Dieter Buchholz. Er verweist etwa auf die Finanzierung der katholischen Kirche, die bislang aus den Steuern aller getragen wird und deren Kirchengebäude von den politischen Gemeinden finanziert werden. "Wir sind demgegenüber bislang auf Spenden und Zusatzbeiträge angewiesen", sagt er.
Ein Erzbistum im Hauruckverfahren
Die Pläne einer Entflechtung von Staat und Kirche sind indes nicht neu: Seit 15 Jahren wird in dem 160,5 Quadratkilometer großen Fürstentum eine Neuregelung des Staat-Kirche-Verhältnisses diskutiert. 1997 schuf der Vatikan in einem Hauruckverfahren und zur Überraschung der meisten Katholiken das Erzbistum Vaduz, indem er Liechtenstein aus dem Bistum Chur ausgliederte. Papst Johannes Paul II. ernannte den umstrittenen konservativen Kleriker Wolfgang Haas zum Erzbischof - gegen heftigen Widerstand des Kirchenvolkes.
Als Protest gegen die Erhebung von Haas zum Erzbischof entstand damals der Verein für eine offene Kirche. Günther Boss, theologische Berater des Vereins, steht den jetzt geplanten Neuregelungen ambivalent gegenüber. "Wir brauchen eine Modernisierung", sagt der Theologe auf der einen Seite, kritisiert aber zugleich die Form der geplanten Mandatssteuer. Hier soll der Steuerzahler lediglich zwischen der katholischen und den evangelischen Religionsgemeinschaften wählen. "Muslime zahlen den Pfarrer mit", sagt Boss.
Konkordat vor Unterzeichnung
Und noch eine Entwicklung ist Boss ein Dorn im Auge. Inzwischen haben Vatikan und die Regierung des Fürstentums ein Konkordat ausgehandelt. Am 11. Januar will Regierungschef Klaus Tschütscher den Vertrag unterzeichnen, der genaue Inhalt ist jedoch der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt. Boss kritisiert diese Geheimhaltungspolitik und befürchtet eine erneute Ungleichbehandlung der Religionsgemeinschaften im Land.
Noch ist allerdings das letzte Wort nicht gesprochen. Am 3. Februar sind im Fürstentum Neuwahlen, die Landtagssitzung kurz vor Weihnachten ist die letzte Zusammenkunft des derzeitigen Parlaments. Dem Konkordat mit dem Heiligen Stuhl können erst die neu gewählten Abgeordneten zustimmen. Sollte die Verfassungsänderung in dieser Woche im Parlament scheitern, muss der neugewählte Landtag abermals entscheiden. Und ein neues Parlament mischt die Karten vielleicht noch einmal neu.