Foto: dpa/Daniel Dal Zennaro
Der Löwe ist das Symbol vom Filmfestival in Venedig.
Dialog der Kulturen: Die Filmfestspiele von Venedig sind eröffnet
Als 2001 die Türme des World Trade Centers brennen, ist für einen aufstrebenden pakistanischen Wall-Street-Banker nichts mehr, wie es war. Der Eröffnungsfilm der Biennale von Venedig thematisiert die Entfremdung zwischen Ost und West.
29.08.2012
epd
Barbara Schweizerhof

Es schließen sich gleich mehrere Kreise. Im September 2001, vor elf Jahren, war die Preisverleihung des Filmfestivals in Venedig gerade vorüber, als das Attentat auf die Türme des World Trade Centers in New York alle anderen Ereignisse in den Schatten stellte. Niemand interessierte sich mehr dafür, wer den Goldenen Löwen auf der "Mostra" gewonnen hatte. Auch nicht dafür, dass mit Mira Nair und ihrem Film "Monsoon Wedding" die erste indische Regisseurin diese Auszeichnung bekommen hatte.

###mehr-links### Nun kehrte Nair an den Lido zurück, um am Mittwoch mit ihrer Literaturverfilmung "The Reluctant Fundamentalist" das 69. Festival zu eröffnen, das bis 8. September dauert. Eingeladen wurde sie von einem alten Bekannten, hat doch der neue Festivaldirektor Alberto Barbera, der in diesem Jahr Marco Müllers Nachfolge antritt, die Festspiele schon einmal geleitet. 2001 war damals seine dreijährige Amtszeit zu Ende gegangen.

Da passt es gut, dass Nair mit ihrem neuen Film auch thematisch an die Ereignisse anschließt. "The Reluctant Fundamentalist" ist die Verfilmung eines gleichnamigen Romans des pakistanischen Autors Mohsin Hamid, der auf Deutsch unter dem Titel "Der Fundamentalist, der keiner sein wollte" erschien.

Persönliche Geschichte von "Kampf der Nationen"

Der Film erzählt den vermeintlichen "Clash der Zivilisationen" als persönliche, im Grunde völlig unpolitische Geschichte eines jungen Mannes. Changez (Riz Ahmed), Sohn eines angesehenen pakistanischen Poeten, muss als Jugendlicher den langsamen sozialen Abstieg seines Vaters mit ansehen, der mit der Kaste der Neureichen in seiner Heimatstadt Lahore nicht mehr mithalten kann.

Changez emigriert zum Studium in die USA, sein Ehrgeiz führt ihn zu einer angesehenen Unternehmensberatung in New York. Es kommt der Tag, an dem seine Träume in Erfüllung gehen: Sein Chef befördert ihn wegen exzellenter Arbeit, seine amerikanische Geliebte bekennt sich zu ihm, voll Lebensfreude schaltet er kurz den Fernseher des Hotelzimmers auf den Philippen ein, wo er mit smartem Wall-Street-Verhalten seiner amerikanischen Firma diente - und sieht die Türme brennen. Man weiß, dass von da an nichts mehr so sein wird, wie es war.

Zuerst verändert sich die Umgebung

Der Film schildert Changez' weitere Entwicklung als Entfremdungsprozess. Doch nicht er ist es, dessen Sicht sich zunächst verändert, sondern die seiner Umgebung. Es fängt damit an, dass man ihn bei der Einreise in die USA von seinen Kollegen trennt, um ihn einer demütigenden Ganzkörperuntersuchung zu unterziehen. Eben noch der erfolgreiche Banker, muss er im Wortsinn die Hosen herunterlassen. Im Spiegel einer Glaswand sieht man die Nachrichtenbilder der fallenden Türme in New York.

Derartige Unterstreichungen des Offensichtlichen oder bereits Gesagten machen die Schwäche des Films aus, der trotzdem berührt. Regisseurin Nair sprach in Venedig vom notwendigen Dialog der Kulturen und dem Versuch von Versöhnung und Verstehen. Das moderne Pakistan sei sehr viel reicher an Facetten als das in den westlichen Medien gezeigte Bild.

Eingefasst ist Changez' Lebensgeschichte in eine Rahmenhandlung, die mit Entführung und CIA-Einsatz den Plot mit einer äußeren Spannung auflädt, die das eigentliche Drama eines jungen Mannes zwischen zwei Kulturen gar nicht bräuchte. Dem ausdrucksstarken Hauptdarsteller Riz Ahmed, als Brite mit pakistanischen Wurzeln selbst zwischen Ost und West aufgewachsen, ist zu verdanken, dass der Film dennoch nicht in oberflächlichen Versöhnungskitsch abrutscht.