Foto: WDR/Klaus Görgen
Der Presseclub im Ersten feiert 25-jähriges Jubiläum. Jeden Sonntag diskutieren die Moderatoren rund um Jörg Schönenborn (mitte) mit Journalisten über aktuelle politische Themen.
25 Jahre Presseclub: "Eine Prise Rechthaberei schadet nicht"
Eine Institution feiert Geburtstag: Seit 25 Jahren diskutieren Journalisten im "Presseclub" über aktuelle politische Themen. Im Interview verrät Moderator Jörg Schönenborn, Chefredakteur des Westdeutschen Rundfunks (WDR), warum es angenehmer ist, mit Journalisten als mit Politikern zu diskutieren und welcher Wein gereicht wird.
15.12.2012
Martin Weber

Herr Schönenborn, beim "Frühschoppen" standen früher jede Menge Weingläser und volle Aschenbecher auf dem Tisch, im "Presseclub" dagegen wird anscheinend nur Wasser getrunken...

###mehr-links### Jörg Schönenborn: Das ist allerdings ein großer Irrtum (lacht). Tatsächlich trinken wir im "Presseclub" sowohl Wasser als auch Wein, aber wir verwenden die gleichen Gläser, deshalb der Eindruck. Die meisten Gäste trinken Wasser, wenige nehmen Wein und manche bestellen Schorle.

Welchen Wein bekommen denn Ihre Gäste?

Schönenborn: In der Regel einen Grünen Veltliner, also einen leckeren Weißwein.

Aber geraucht werden darf nicht?

Schönenborn: Auch ein Irrtum. Wir haben eine Raucherlaubnis fürs Studio, und ich stelle das meinen Gästen selbstverständlich auch frei. Wir haben natürlich welche, die kurz vorher nochmals dringend raus auf die Terrasse müssen, um eine zu rauchen. Während der Sendung steckt sich aber niemand eine an. Das liegt aber nicht an uns (lacht).

"Bei uns sind alle daran interessiert, zwei, drei kluge Gedanken in der Sendung zu entwickeln und echte Erkenntnisse zu gewinnen."

Bei Ihnen wird im Vergleich mit anderen Talkshows sehr nüchtern und sachlich diskutiert, vor allem fällt niemand dem anderen ins Wort. Woran liegt’s?

Schönenborn: Bei uns sind glaube ich alle daran interessiert, zwei, drei kluge Gedanken in der Sendung zu entwickeln und echte Erkenntnisse zu gewinnen. Außerdem haben alle Respekt vor ihrem Gegenüber, was für den Diskurs äußerst hilfreich ist. Manchmal muss ich auch ordnend eingreifen, aber das kommt wirklich selten vor.

Könnte es auch damit zu tun haben, dass bei Ihnen Journalisten in der Runde sitzen und keine Politiker, die sich auf Teufel komm raus profilieren wollen?

Schönenborn: Das ist so, ganz klar. Bei uns sitzt niemand am Tisch, der ein organisiertes Interesse vertritt, also eine Partei, eine Gewerkschaft oder ein Unternehmen. Unsere Gäste müssen auch keine anstehenden Wahlen gewinnen oder anderweitig um Zustimmung kämpfen. Das macht es schon leichter, seine Gedanken frei zu entfalten.

Wobei auch Journalisten gerne recht behalten, oder?

Schönenborn: Stimmt, aber eine Prise Rechthaberei schadet einer Diskussion ja nicht (lacht).

Wer wird denn bei Ihnen eingeladen?

###mehr-info### Schönenborn: Da orientieren wir uns an den drei großen Ks: Kompetenz, Klugheit und Kontroverse. Das heißt, wir laden keine  Journalisten ein, die Nachrichten nur verarbeiten, sondern solche, die selber recherchieren, die neue Gedanken entwickeln und die auch kontroverse Positionen vertreten. Das klingt banal, aber es gibt nach meinem Eindruck in unserer Gesellschaft erstaunlich viele Themen, bei denen ein breiter Konsens herrscht. Das führt in einer Sendung dann aber schnell zu so einem Meinungs-Einheitsbrei, den wir auf keinen Fall haben wollen. Es soll schon kontrovers zur Sache gehen. Ich finde, unsere politische Debatte insgesamt könnte ruhig etwas zugespitzter sein.

Aber im "Presseclub" gelingt die Zuspitzung auch nicht immer, oder?

Schönenborn: Nicht immer, das stimmt schon. Aber häufig gelingt es prima, wie ich finde, dann geht es auch wirklich kontrovers zu bei uns. Es gibt natürlich Ausgaben, mit denen wir nicht so zufrieden sind, und ich bin auch selbstkritisch genug, nach einer zu sagen: Da hast du die Fäden nicht richtig verknüpft. Ich wäre ja ein schlechter Journalist, wenn ich glauben würde, dass wir immer nur gute Sendungen machen.

"Meine größte Freude ist immer, wenn ich nach der Sendung sagen kann: Mensch, auf diesen Nenner habe ich dieses Thema noch nie gebracht."

Kein Neid auf Günther Jauch oder Anne Will, die Talkshows mit bekannten Politikern statt unbekannten Journalisten machen?

Schönenborn: Nein, und zwar weil ich die Gesprächssituation im "Presseclub" liebe, bei der es wirklich darum geht, neue Gedanken zu finden. Meine größte Freude ist immer, wenn ich nach der Sendung sagen kann: Mensch, auf diesen Nenner habe ich dieses Thema noch nie gebracht.

Aber wie lange kann sich eine Talkshow, in der es um Erkenntnisgewinn geht, in diesen aufgeregten Zeiten halten? Geht das noch mal 25 Jahre gut?

Schönenborn: Warum nicht? Ich habe auf keinen Fall das Gefühl, dass wir ranzig sind. Altmodisch ja, man kann auch sagen traditionell. So lange Zuschauer an einem ehrlichen Diskurs interessiert sind, geht das gut. Wenn die Abwendung weiter Bevölkerungskreise von der Politik allerdings noch stärker zunimmt, dann haben wir ein Problem.

Gibt es auch mal wieder eine Rückkehr zum runden Tisch?

###mehr-artikel### Schönenborn: Nein, das Thema ist durch. Der runde Tisch, den es für kurze Zeit gab, wurde ja schon vor meiner Zeit per Zuschauervotum abgeschafft – er hat die Orientierung erschwert. Seit ein paar Jahren sitzen wir wieder an einem halbrunden Tisch, und das soll auch so bleiben. Da stimmen einfach die Sitzpositionen und Abstände der Gäste zueinander, denn gerade die sind in einer Talkshow enorm wichtig: Wenn man zu nah aufeinander sitzt wie in der Kneipe, ist es zu intim, um sich zu streiten. Sitzen die Leute zu weit voneinander weg, dann lässt die Aufmerksamkeit nach und die Diskussion verläuft weniger kontrovers.