"Armut zu besiegen, muss genauso möglich sein, wie auf den Mond zu fliegen." Davon ist der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann, überzeugt. Zum 50. Jubiläum seiner Hilfsorganisation am 14. Dezember zeigt er sich optimistisch. "Wir glauben, dass wir unsere Ziele erreichen, und zwar wahrscheinlich noch, bevor wir 100 werden." Dafür will die Welthungerhilfe künftig einiges anders machen. Das Jubiläum soll Anlass sein, die Strategien unter die Lupe zu nehmen.
Vorausschauend handeln
Die Welthungerhilfe muss auf globale Veränderungen wie den Klimawandel, die Abwanderung der Menschen vom Land in die Städte, und die demografische Entwicklung reagieren. So sind etwa 400 Millionen Afrikaner 15 Jahre jung oder jünger.
###mehr-artikel###"Wenn sie keine Perspektive bekommen, werden sie zornig, dann geraten solche Gesellschaften in Unordnung", sagt Jamann. "Da sind wir jetzt gefordert."
Die jungen Menschen auf dem Land wissen mehr als früher, wie es woanders aussieht, und wollen daran teilhaben. Den väterlichen Acker zu übernehmen sehen viele nicht mehr als Perspektive. Die Welthungerhilfe will ihnen Alternativen bieten. In Indien bildet sie beispielsweise junge Dorfbewohner dazu aus, die zahlreichen kleinen Solaranlagen in ihrer Gegend zu warten und zu reparieren.
Landwirtschaft muss auch in die Stadt
Eine weitere Verlagerung findet durch die Landflucht statt. "Die Welt wird eine verstädterte Welt sein", analysiert Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister, langjähriger UN-Umwelt-Chef und früherer Vizepräsident der Welthungerhilfe. Es sei nötig, Hunger und Armut auch im urbanen Raum in den Blick zu bekommen: in den Städten Landwirtschaft zu betreiben.
###mehr-galerien###Erste Schritte in diese Richtung hat die Welthungerhilfe getan. So betreiben die Menschen in den nordkoreanischen Städten Pjöngjang und Sunchon mit Unterstützung der Organisation Gewächshäuser für Gemüseanbau und Fischzucht. Derzeit wird zudem ein flexibles Anbausystem für Balkone, Hinterhöfe und Hausdächer entwickelt, für das keine Erde nötig ist.
Die Städte stärker einzubeziehen in den Kampf gegen Hunger ist für die Welthungerhilfe durchaus ein Paradigmenwechsel. Nach wie vor ist die ländliche Entwicklung, die Unterstützung von Kleinbauern, Schwerpunkt ihrer Arbeit. Ziel ist es, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern und sie zu befähigen, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.
Langfristige Stabilisierung ist das Ziel
Diese Arbeit finde zunehmend in sogenannten fragilen Staaten statt, erläutert Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann. Mehr als die Hälfte der finanziellen Unterstützung im vergangenen Jahr sei für schwache Staaten wie Afghanistan, den Sudan, Kongo und Haiti ausgegeben worden. In diesen Ländern leisteten Hilfswerke einen wichtigen Beitrag, um langfristig zur Stabilisierung der Staaten beizutragen.
###mehr-info###Doch auch die klassische Unterstützung von Kleinbauern wird vor neue Herausforderungen gestellt. Der Klimawandel macht sich auf dem Land bemerkbar, Dürren und Fluten erschweren die Arbeit. "Es hilft nichts, wenn wir irgendwo einem Bauern eine Produktivitätssteigerung ermöglichen durch besseres Saatgut, wenn ihm dann die Ernte alle zwei Jahre weggeschwemmt wird", sagt Generalsekretär Jamann. Dem Bauern könnte man mit Weiterbildung helfen, damit er in seiner Gegend auf andere Weise Geld verdienen könne. "Und das ist tatsächlich auch ein Stückweit ein neues Arbeitsgebiet für uns.
"Unsere Arbeit ist politisch"
Nicht neu hingegen sind Wortmeldungen der Welthungerhilfe zu politischen Debatten in Deutschland. So betonte Welthungerhilfe-Präsidentin Dieckmann, Klimawandel, Ressourcenknappheit und demografischer Wandel beträfen nicht nur die Entwicklungsländer und kündigte an, das Jubiläum dafür nutzen zu wollen, das Bewusstsein für Hunger und Armut zu schärfen.
Gelegenheit, Position zu beziehen, gab es genug im Jubiläumsjahr: So forderte die Welthungerhilfe von der Politik eine Regulierung des Börsenhandels mit Lebensmitteln, ein entschiedeneres Eintreten gegen Landraub und mehr Geld für die Hungernden in der Sahelzone. Scharfe Kritik für die Bundesregierung gab es für die Einsparungen im Entwicklungsetat. "Unsere Arbeit ist immer auch politisch", konstatiert Generalsekretär Jamann.