Die Wege beginnen in Frankfurt, Eisenach und Köln und haben ein gemeinsames Ziel, das älteste rein gotische Gotteshaus des deutschen Kulturraums in Marburg an der Lahn. Doch für die Menschen, die sich aus der Mainmetropole, aus Thüringen oder dem Rheinland zu Fuß in die hessische Universitätsstadt aufmachen, ist es nicht die Architektur der Elisabethkirche, für die sie tagelange Wanderungen auf sich nehmen. Sie pilgern auf den Elisabethpfaden 1, 2 und 3 zum Grabmal einer Frau, die bis heute von beiden christlichen Konfessionen verehrt wird: Elisabeth von Thüringen.
Eine Pilgergruppe im September 2011 vor der Elisabthkirche in Marburg. Foto: Pfarrer Bernhard Dietrich
Am 7. Juli 1207 wird die Tochter des ungarischen Königs Andreas II. und seiner Gattin Gertrud von Andechs auf Burg Sarospatak geboren. Schon als kleines Mädchen wird sie mit dem Landgrafen Hermann von Thüringen verlobt. Doch Hermann stirbt 1217. Vier Jahre später, da ist Elisabeth 14 Jahre alt, heiratet die Jugendliche Ludwig von Thüringen. Eine glückliche Ehe, aus der drei Kinder hervorgehen und in der der Mann, in seiner Regentschaft eher ein Machtstratege, das karitative Wirken seiner Frau unterstützt. Gemeinsam gründen sie ein Kloster in Gotha. Elisabeth, die Adlige, versteht sich als discipula deii, als Schülerin Gottes, strebt nach dem Frömmigkeitsideal des Heiligen Franziskus.
Nach dem Tod ihres Mannes wendet sie sich vom Haben und Sein ihrer Herkunft ab und arbeitet in dem von ihr gegründeten Marburger Hospital als Spitalschwester. Sie wird nur 24 Jahre alt, stirbt 1231. Vier Jahre später wird sie von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Als "Sinnbild tätiger Nächstenliebe" wird sie aber auch von Protestanten verehrt. So geht der erste Elisabethpfad auf die Initiative der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zurück, die im Jahr 2000 den Wanderweg des Oberhessischen Gebirgsvereins von 1995 zwischen Marburg und dem Kloster Altenberg um die Strecke bis in die Mainstadt erweiterte und als ökumenischen Pilgerweg auswies.
Ein Weg, der Achtsamkeit bedarf
Seinen Ausgangspunkt nimmt er an der Deutschordenskirche im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen am südlichen Mainufer. Nicht von ungefähr, denn der Deutschorden ist seit jeher mit der Verehrung der Heiligen Elisabeth verbunden – und die Kirche eine Stätte, die man als Ort einer "frühen Ökumene" verstehen könnte. Denn Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in dem Gotteshaus das Simultaneum, bei dem parallel Gottesdienste für katholische wie protestantische Christen abgehalten wurden.
Achtsamkeit bedarf es, um die Wegzeichen im Frankfurter Stadtgebiet nicht zu verpassen, "wetteifert" doch die stilisierte schwarze Silhouette der Heiligen auf rotem Grund mit einem großen weißem "E" mit vielen Radfahrer- und Wanderer-Markierungen um die Wahrnehmung. Hat man die Stadtgrenze hinter sich gelassen, kommt der Pilger auf seinem Weg an die Lahn über den Taunuskamm durch Wetzlar nach Marburg. Ein empfehlenswerter Halt von vielen: das Prämonstratenserinnen-Kloster Altenberg, in dem Gertrud, die dritte Tochter Elisabeths, über mehr als vier Jahrzehnte Meisterin des Ordenskonvents war.
Über weitere sehenswerte Kleinode längs der Strecke und die Unterkunftsmöglichkeiten (z.B. die ungewöhnliche Pilgerherberge in der Waggonhalle, Rudolf-Bultmannstraße 2a in Marburg) informiert die neu gestaltete Website des Vereins. Unter www.elisabethpfad.de lassen sich auch die regelmäßigen Angebote zum Samstagspilgern finden. Ein Angebot, das der Verein allen macht, die sich nicht mehr oder noch nicht auf eine tage- oder gar wochenlage Pilgertour trauen.
Ein ewig währendes Aufbrechen
Sieben Jahre später, zum 800. Geburtstag der Wohltäterin der Armen, folgten 2007 die Elisabethpfade 2 und 3 von Eisenach und Köln. "Elisabeths Leben war ein immer währendes Aufbrechen, das aber ihre eine große Sehnsucht wach hielt – die Sehnsucht nach innigster Gemeinschaft mit Gott, nach seinem Segen", heißt es dazu von dem Verein. Wer diese teilen und zum Ausdruck bringen möchte, kann den siebenzackigen Stern, wie ihn der Nordturm der Elisabethkirche zeigt, als Zeichen seiner Pilgerschaft mit sich führen.
Die vier Tonnen schwere Glocke in der Elisabethkirche, die am 30. April zum "Walpernläuten" erklingt. Foto: Pfarrer Bernhard Dietrich
Gutes für sich und andere tut auf seiner Reise, wer auf dem Weg von Eisenach nach Marburg in der Behindertenwerkstatt Hephata halt macht und einen der dort handgefertigten Pilgerstöcke erwirbt. Ein hilfreiches Utensil, mit dem man die rund 198 Kilometer von Thüringen nach Nordhessen, von der Wartburg über Amöneburg und Schwalmstadt bis Marburg leichter bewältigen kann. Vielleicht auch im Hinblick auf eine Tour nach Santiago de Compostela. Denn auch wenn die französischen und spanischen Höhen und Tiefen auf dem Weg zum Grab des Heiligen Jakobus noch tausende von Kilometern entfernt sein mögen: Der Elisabethpfad 2 führt auch zu diesem und ist deshalb parallel zu seinem eigenen Logo mit der gelben Muschel auf blauem Grund, dem Zeichen des Jakobswegs, markiert.
Das gilt auch für den Elisabethpfad 3 von Köln nach Marburg - allerdings in umgekehrter Richtung. In Zusammenarbeit des Landschaftsverbandes Rheinland mit der Deutschen St. Jakobusgesellschaft und dem Verein Elisabethpfad wurde dieser in 2007 neu ausgeschildert. Wann auch immer man sich auf eine Pilgertour nach Marburg macht, das "Beten mit den Füßen" wird neue Erfahrungen mit Land und Leuten und sich selbst mit sich bringen.
Am Montag, 30. April, lässt es sich mit einem besonderen Erlebnis verbinden: Dem Walpernläuten. Denn zum Gedenken an die Erhebung der Gebeine der Heiligen 1236 erklingt die vier Tonnen schwere Glocke der Elisabethkirche aus dem 14. Jahrhundert vor der Walpurgisnacht am Mittag um 12 Uhr – dreimal, für jeweils wenige Minuten.