Foto: epd-bild/Michael Weber
Die Pariser Kathedrale Notre-Dame wird 850 Jahre alt.
Notre-Dame in Paris: Kirchenjubiläum und Glockenstreit
Rund 13 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr die Kathedrale Notre-Dame in Paris. Zu den Jubiläumsfeiern anlässlich des Baubeginns vor 850 Jahren erhält das Gotteshaus in Frankreichs Hauptstadt ein neues Geläut. Über den Erhalt der alten Glocken wird gestritten.
08.12.2012
epd
Ulrike Koltermann

Der Glöckner von Notre-Dame hätte in diesem Jahr nicht viel zu tun gehabt, wenn es ihn denn noch geben würde: Vier von fünf Glocken der berühmten Pariser Kathedrale sind seit vergangenem Februar abgehangen. Das Glockenspiel soll zur 850-Jahr-Feier von Notre-Dame im nächsten Jahr gründlich erneuert werden.

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Am Vorabend von Palmsonntag, am 23. März 2013, wird es in Paris wieder so feierlich läuten wie zum letzten Mal vor der Französischen Revolution: Der dicke Emmanuel, die älteste und größte Glocke aus dem 17. Jahrhundert, und neun neu gegossene Glocken sollen von den Türmen der gotischen Kathedrale erklingen. Unterdessen ist um die historischen Glocken von Notre-Dame ein Rechtsstreit entbrannt.

Pater Alain Hocquemiller, ein rühriger Benediktinerpater aus dem nordfranzösischen Kloster Riaumont, wirft dem Pariser Erzbistum massive Mauscheleien vor: Das Erzbistum habe die Glocken aus dem 19. Jahrhundert unrechtmäßig einschmelzen wollen. Angeblich sollten aus dem Metall mehr als 100.000 kleine Glocken gegossen und als Souvenirs verkauft werden.

Die dicke Emmanuel ist die älteste und größte Glocke in Notre-Dame. Sie hängt seit 1685 im Südturm der Pariser Kathedrale. Foto: epd-bild

"Ich habe selbst die Kostenvoranschläge gesehen", sagt Hocquemiller dem epd. "Es wäre reiner Vandalismus, die geweihten Glocken zu zerstören!" Eine Gießerei habe sogar vorgeschlagen, die Souvenirproduktion nach China auszulagern, sagt er. Der Benediktinerpater hat nun mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers erreicht, die Glocken unter den Schutz der Justiz zu stellen. "Die Zerstörung von Kulturgut steht unter Strafe", warnt er.

Lagern, nicht einschmelzen

Das Pariser Erzbistum bestätigt, dass die alten Glocken in die Gießerei gebracht wurden, in der auch ein Großteil der neuen Glocken gegossen wurde. Das Erzbistum weist die Vorwürfe des Benediktinerpaters jedoch zurück. "Es war nie geplant, die alten Glocken einschmelzen zu lassen", sagte Sprecherin Emmanuelle Boisseau. "Die werden dort lediglich gelagert." Die Gießerei Cornille-Havard in der Normandie will sich aus dem Streit lieber heraushalten. "Kein Kommentar", heißt es dort auf alle Nachfragen zum Schicksal der alten Glocken.

Dass es überhaupt zu diesem innerkirchlichen Konflikt kommen konnte, liegt an den ungewöhnlichen Besitzverhältnissen: In Frankreich, wo Staat und Kirche seit dem Laizitätsgesetz von 1905 streng getrennt sind, gehören die Kirchengebäude inklusive der Glocken dem Staat, der für ihren Erhalt sorgt. Die Kirche ist lediglich "Hüter der Glocken" und für den Innenraum des Sakralbaus zuständig.

Von Napoleon III. gestiftet

Die Glocken von Notre-Dame stammen aus dem 19. Jahrhundert. Napoleon III. hatte sie gestiftet, um das während der Revolution eingeschmolzene Geläut zu ersetzen. Sie waren allerdings aus minderwertigem Metall und nicht exakt auf die einzig verbliebene Glocke aus dem 17. Jahrhundert abgestimmt.

Seit bekannt war, dass das Geläut der Pariser Kathedrale zum Jubiläum ausgewechselt werden sollte, hatten sich mehrere Dutzend Interessenten aus dem In- und Ausland gemeldet - unter ihnen auch Hocquemiller. Er wollte die historischen Glocken für die Kirche in Riaumont haben. Die zuständige Behörde hatte ihm bereits zugesagt, die Glocken seiner Ordensgemeinschaft für einen symbolischen Euro zu überlassen. Doch dann kam alles anders.

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"Plötzlich hieß es, das Erzbistum wolle die Glocken einschmelzen lassen", berichtet er. "Und da habe ich eben gehandelt." Angesichts der hohen Kosten für das neue Geläut und die Jubiläumsfeier - nach Medienberichten sollen es mindestens sechs Millionen Euro sein - scheint die Idee, Souvenirs aus dem Metall der alten Glocken zu verkaufen, durchaus nachvollziehbar. Ob das Erzbistum dies tatsächlich vorhatte, wie Hocquemiller behauptet, lässt sich derzeit nicht nachweisen.

Feststeht, dass die neun neuen Glocken am 2. Februar in Paris von Erzbischof André Vingt-Trois geweiht werden sollen. Sie heißen unter anderem Maurice, nach Bischof Maurice, der die Kathedrale 1163 gründete, Jean-Marie, nach dem langjährigen Pariser Erzbischof Lustiger und Benoît-Joseph nach Papst Benedikt XVI. Um sie erklingen zu lassen, bedarf es allerdings keines Glöckners mehr, der wie Quasimodo, der bucklige Held aus Victor Hugos Roman, an den Seilen zieht - heute ist das Geläut computergesteuert.