Freude oder Zumutung? Mit dem Säugling im Weihnachtsgottesdienst
Foto: Andrea Enderlein/epd
Freude oder Zumutung? Mit dem Säugling im Weihnachtsgottesdienst
Säuglinge im Weihnachtsgottesdienst? Ein Pro und Contra
Sollten Eltern ihre neugeborenen Kinder mit in den Weihnachtsgottesdienst nehmen? evangelisch.de-Redakteur Claudius Grigat (selbst Vater von zwei kleinen Kindern) findet: Ja! Laura Gleichmann, Organisatorin des Jugendkirchentags der EKHN und frischgebackene Mama, hält nichts davon.
18.12.2012
evangelisch.de
Claudius Grigat

PRO: Lasset die Kinder zu mir kommen

von Claudius Grigat

In der Advents- und Weihnachtszeit wird es gerne gesungen: "Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all'". Allerdings müsste man wohl hinzufügen: "Aber bitte nur, wenn ihr euch brav, leise und unauffällig verhaltet!" Denn so scheint es doch mittlerweile fast überall zu sein: Es gibt kinderfreie Hotels und Cafés. Im Zug erntet man mindestens böse Blicke, wenn die Kleinen auf der Fahrt von Frankfurt nach Hamburg nicht mucksmäuschenstill auf ihren Sitzen hocken. Und selbst im Supermarkt sorgen quengelnde Kinder und quäkende Babys immer wieder für genervte Reaktionen. Dass wir in Deutschland keine kinderfreundliche Gesellschaft sind, ist nicht erst seit dem weltweiten Negativrekord mit einer Geburtenquote von 1,4 Kindern pro Frau klar.

Es gibt aber einen Ort, der sollte allen Menschen - egal ob reich oder arm, dick oder dünn, groß oder klein - offen stehen, und das ist das Gottes-Haus, die Kirche. Vor allem beim Gottesdienst, ganz besonders an Weihnachten, dem zweithöchsten Fest der Christen – und natürlich auch an Heiligabend. Schließlich wird gerade an Weihnachten die Menschwerdung Gottes in seinem Sohn Jesus Christus gefeiert – und zwar als ganz kleines Kind, als Säugling. Und gerade die Säuglinge sollten nun von der Feier des Gottesdienstes aus diesem Anlass ausgeschlossen sein? Ich meine: Nein!

Gott ist der, der einlädt

Zuerst einmal, finde ich nämlich, müssen wir uns klar machen, wer hier einlädt zum Gottesdienst: Das ist doch nicht die Pfarrerin, der Kirchenvorstand oder der Küster, sondern in erster Linie Gott! Der Gott, der Mensch geworden ist und als solcher gesagt hat: "Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes."

###mehr-artikel###Natürlich kann es sein, dass das eigene Erleben des Gottesdienstes durch einen schreienden Säugling, meist in der Nähe der Kirchentür, kurzzeitig geschmälert wird - mitunter sogar erheblich. Aber gilt es nicht, das vielleicht auch mal für einen Moment auszuhalten (zumal die meisten Eltern ohnehin in kürzester Zeit durch die nahe Tür nach draußen verschwinden, sobald das Babygeschrei beginnt)? Schließlich würde durch dieses Aushalten eine Gottesdienstgemeinschaft hergestellt, die eben niemanden ausschließt: Nicht die leise vor sich hin wimmernde behinderte Frau, nicht den stark hustenden älteren Herrn, nicht die unruhig mit den Füßen wippende Jugendliche, nicht einmal den leicht unangenehm riechenden Obdachlosen – und eben auch nicht den winzigen 'Störenfried' auf den Armen seiner Mutter oder seines Vaters.

Und auch, wenn der wenig mitbekommen wird von der Predigt, der Lesung oder den Liedtexten: Er wird die festliche Musik hören, er wird die vielen Lichter schemenhaft erkennen, er wird mit seinen feinen Antennen die Atmosphäre um ihn herum wahrnehmen. Und er wird spüren, wenn der Mensch, der ihm Nähe gibt, freudig erregt und zutiefst berührt, in 'weihnachtlicher Stimmung' ist.

Es geht zuerst um Gottes-Dienst, nicht um das eigene Erleben

Aber nicht nur dem Säugling, auch den frischgebackenen Eltern, deren Leben sich ohnehin gerade radikal verändert, würde es ermöglicht, Teil der Gottesdienst-Gemeinde zu sein – und damit ein kleines Stück Kontinuität und Normalität in turbulenten Zeiten, auch und gerade an Weihnachten, zu erleben. Dies gilt besonders für Alleinerziehende, die oft auch niemanden haben, der ihr Kind während der Zeit des Gottesdienstbesuchs betreuen könnte.

Und eigentlich steht bei dieser Veranstaltung ja erstmal das eigene Erleben, das möglichst ungestörte Versenken in Wort, Musik und Ritual auch gar nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es vor allem anderen doch um Gottes-Dienst, also darum, Gott zu dienen und ihn – auch mit Wort, Musik und Liturgie - zu loben. Und das können Menschen jeden Alters schließlich durch ihre bloße Teilnahme tun, auch schon direkt nach ihrer Geburt!


 

CONTRA: Alle sollten sich wohlfühlen

von Laura Gleichmann

Sollten man Säuglinge mit in den Weihnachtsgottesdienst nehmen? Die Frage ist ganz einfach mit einer Gegenfrage zu beantworten: Warum sollte man? Wer hat etwas davon? Der Säugling, die Gemeinde, die Eltern?

Der Säugling hat ohne Frage wenig davon. Im besten Fall verschläft das kleine Wesen die ganze Show. Oder es will Aufmerksamkeit und Kommunikation, die es jedoch schlecht bekommen kann, da die Eltern dem Gottesdienst folgen wollen. Oder es bekommt Hunger und fängt an zu weinen. Eine unangenehme Situation für das Kind. Oder es fühlt sich einfach nur unwohl, weil es zu kalt ist, oder es vielleicht auch zu warm eingepackt ist. Jedenfalls gibt es für ein Baby, meines Erachtens, keinen Zustand in dem es einen Gottesdienst, eine volle Kirche, die Stille, die gemeinsamen Gebete oder die Predigt genießt. Wie gesagt: im besten Fall schläft es zufrieden.

Die Gemeinde: warum geht man in den Weihnachtsgottesdienst? Neben den traditionellen und emotionalen Verpflichtungsgründen gibt es jene, die die besinnliche Stunde in der Kirche genießen wollen. Sie suchen die Gemeinschaft und die Ruhe in der Gemeinschaft. Sie wollen sich an Jesus erinnern und den Gedanken des Pfarrers lauschen. Besinnliche Gedanken, Stille, Ruhe, Gebete. Eine schöne Stunde an einem doch manchmal sehr stressigen Tag. Ein schlafendes Baby ist ein wundervoller Anblick, denn es erinnert ja an den kleinen Jesus, dessen Geburtstag wir feiern. Ein zufrieden guckendes Baby ist fast noch schöner. Aber ein Baby, das schreit, weil es sich nicht wohl fühlt oder Hunger hat, ist in dieser Stunde doch störend für die Gemeinde, den Pfarrer und auch die Eltern.

Nicht auf Gedeih und Verderb in die Kirche gehen

Nun zu den Eltern: Man kann verstehen, wenn sie mit ihrem Baby diese besinnliche Stunde genießen wollen. Oder sie haben einfach keinen Babysitter und wollen die Tradition des Weihnachtsgottesdienstbesuchs nicht brechen. Völlig verständlich. Wenn das Baby schläft oder zufrieden vor sich hinschaut, können die Eltern die Stunde mit ihrem Baby gemeinsam genießen. Das erste Weihnachtsfest mit Traditionen inklusive. Wenn das Baby jedoch Hunger hat und schreit, ist der Genuss doch schnell vorbei. Welche Eltern können dann noch dem Pfarrer zuhören? Auch wenn das Fläschchen parat steht: beim Füttern ist es doch schöner, ganz bei seinem Kind zu sein und nicht nur mit halbem Ohr der Predigt zu lauschen. Wenn die Windel voll ist, muss schnell einer raus. Oft heißt die Lösung für schreiende Kinder: ein Elternteil geht raus und schiebt den Wagen umher und der andere Elternteil harrt nervös in der Kirche aus und freut sich, wenn der Segen endlich kommt.

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Ist es nicht schöner, wenn man das Kind in guten lieben Händen weiß? Dann kann man den Gottesdienst genießen, Gott für sein gesundes Kind danken, Kraft tanken und man freut sich auf seinen kleinen Engel zu Hause. Möchte man bei seinem Baby bleiben, gibt es Weihnachtsgottesdienste im Fernsehen. So kann man den Gottesdienst zu Hause genießen, kann aber auch sein Baby füttern und es im warmen Wohnzimmer im Arm schaukeln.

Niemand ist so willkommen in der Kirche wie Kinder: "Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes." (Mk 10,14 nach Luther) Aber es wäre doch wünschenswert, wenn der Gottesdienst eine bereichernde Zeit für alle Beteiligten sein kann. Man muss sich doch nicht auf Gedeih und Verderb in die Kirche begeben und hoffen, dass das Kind schön brav schläft und bei jeder Regung zittern. Der Weihnachtsgottesdienst ist keine Pflichtveranstaltung. Er ist eine Einladung zu einer ruhigen und besinnlichen Stunde, in der man Jesu gedenkt. Man kann Jesu jedoch auch zu Hause gedenken, Lieder singen und ein Gebet sprechen. Hauptsache ist doch, dass sich alle wohlfühlen.