Wege auf die Straße
Einen typischen Weg in die Obdachlosigkeit gibt es nicht. "Sie geht durch alle Schichten, deshalb gibt es auch keine typischen Obdachlosen, denen man auf immer gleiche Art helfen kann", sagt der Dortmunder Sozialarbeiter Reinhard Stobbe-Somberg.

Oft sind es biografische Ereignisse, die zum Absturz führen. Eine Trennung, der Verlust der Arbeit, ein Unfall, der alles verändert, eine falsche Entscheidung, die Schulden mit sich bringt. Deshalb beginne Wohnungslosigkeit typischerweise im Alter zwischen 30 und 50.

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"Es geht dann oft sehr schnell, dass die Wohnung gekündigt wird, weil nicht mehr bezahlt wurde", sagt Somberg. Oder dass der Strom abgestellt wird. Nicht alle "machen dann Platte", leben unter Brücken oder in Parks.

"Viele versuchen, bei Bekannten unterzukommen, das machen vor allem Frauen", sagt der Sozialarbeiter. "Es gibt auch Leute, die jahrelang in kaputten kalten Wohnungen wohnen, aus denen sie jederzeit fliegen können. Oder man kommt in Wohnheimen unter." Gemeinsamkeit der Situationen: "Wohnungslosigkeit bedeutet immer Stress." In Heimen und auf der Straße fehlt auch immer die Privatsphäre, "es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten, auch nicht, wenn es einem nicht gut geht", sagt Stobbe-Somberg.

Keine Pflicht zur Beratung

Viele schämten sich wegen ihrer Situation, igelten sich ein. "Es gibt deshalb wahrscheinlich noch mehr Menschen, die so leben, die aber nie von Hilfe erreicht werden", sagt der Sozialarbeiter. Im Dortmunder Brückentreff kann man auch Kaffee trinken und Wäsche waschen, ohne sich zu einer Beratung verpflichtet zu fühlen. "Das ist gerade für die vielen isolierten Menschen in dieser Lage wichtig", sagt Stobbe-Somberg.

Viele der Besucher im Brückentreff hätten auch psychische Erkrankungen. "Das kann die Ursache für die Obdachlosigkeit sein, aber auch durch die Obdachlosigkeit und den damit verbundenem Stress und den extremen Erlebnissen hervorgerufen werden."

Auch Sucht – insbesondere Alkohol und Spielsucht – betrifft viele, "aber anders als viele denken, nicht alle", sagt der Sozialarbeiter. Auch die ist eine schwere Hypothek, wenn es darum geht, wieder arbeiten zu gehen. Wer jahrelang wohnungslos war, ist oft auch jahrelang nicht zum Arzt gegangen – und hat körperliche Schäden davon getragen. In den Brückentreff kommen daher regelmäßig Ärzte, die die Besucher umsonst behandeln. Die Sozialarbeiter verhandeln mit Vermietern, vermitteln in die Schuldnerberatung. "Es gibt meistens mehrere Baustellen", sagt Stobbe-Somberg. "Bei allen lässt sich irgendetwas an der Lebensqualität verbessern."