Foto: laif/Nathanial Brooks
Ein schwules Paar bei ihrer Hochzeit in New York. Nicht jedem ist es aber vergönnt, gemeinsam zu altern.
Jeder sollte in Würde altern können
In Frankfurt gibt es für homosexuelle Senioren ein spezielles Hilfsangebot, um ihnen auch im Rentenalter noch zu helfen. Ihre Biografien sind oft geprägt von Anfeindungen und Diskriminierung - das muss auch im Rentenalter berücksichtigt werden. Eine Reportage zum Welt-Aids-Tag.
01.12.2012
Corinna Willführ

Altern in Würde:  Nur ein Klick und das Internet weist zu den Suchbegriffen mehr als eine Million Hinweise auf. Ganz oben: Bücher zum Thema. Vom Ratgeber, der die Weisheit als Weg für die "späten Jahre" empfiehlt, über "konzeptionelle Überlegungen für die Altenhilfe" bis zu Empfehlungen für den Gentleman "zwischen Müßiggang und Engagement."

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Für die Arbeit von Georg Linde sind sie wenig nützlich. Denn homosexuelle Männer, die älter als 40 sind, tauchen in den Publikationen kaum auf. Georg Linde gehörte im Juli 2009 zu den Unterzeichnern der Frankfurter Resolution "In Würde alt werden". In ihr formulierten Fachleute, Pflegekräfte und Betroffene ihre Forderungen und Ziele für die "Verbesserung der Lebens- und Pflegesituation von gleichgeschlechtlich Liebenden, HIV-Infizierten und transsexuellen Seniorinnen und Senioren". Dazu gehörte auch die Einrichtung der Telefonberatung der Aidshilfe mit Unterstützung der Stadt für ältere homosexuelle Männer, die der heute 65-Jährige mit initiierte.

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Vorwiegend die heute über 65-jährigen Homosexuellen haben eine Zeit der massiven gesellschaftlichen, staatlichen und persönlichen Diskriminierung erlebt. So verwundert es nicht, dass ältere, alte und hochbetagte gleichgeschlechtlich lebende Menschen in der Öffentlichkeit und in den Institutionen der Altenhilfe zunächst nicht oder selten sichtbar sind.", heißt es in der Frankfurter Resolution. Und weiter: "Hohe Hemmschwellen innerhalb der Institutionen und auch der Betroffenen selbst verhindern eine individuelle und biographisch orientierte Betreuung in der Pflege und der sozialen Arbeit."

Wie möchte ich meinen Lebensabend gestalten?

Wie will ich mein Alter gestalten? Welche Vorsorgeregelungen treffe ich? Wie finde ich einen Freund oder einen Partner? Wie kann Sexualität im Alter aussehen? Dies, so hat der pensionierte Journalist erfahren, "sind auch die Fragen, die mir am Telefon gestellt werden." Allein: Für Homosexuelle - ob Schwule oder Lesben - berühren sie noch weit mehr als für Heterosexuelle ein Tabu-Thema.

"Manche Männer, die mich anrufen, haben ihren Partner verloren." Einen Partner, mit dem sie eine "heimliche Liebe" lebten. Schon in den Jahren, bevor der Paragraph 175 abgeschafft wurde. Oder die ihre gleichgeschlechtliche Beziehung auf dem Dorf nicht zu zeigen wagten. "Sie hatten in ihrem Leben nicht die gesellschaftliche Möglichkeit für ein Coming-Out und haben eine große Angst bloßgestellt zu werden." Georg Linde erinnert sich an ein Gespräch mit dem Heimleiter eines Senioren-Zentrums und dessen Worte: "Wir haben hier nichts gegen Homosexuelle, aber bei uns gibt es keinen."

Nach dem Mikrozensus von 2009 gibt es in Deutschland aber allein 63.000 gleichgesellschaftliche Partnerschaften. Menschen, die sich während ihres gemeinsamen Lebens auch Sorgen um ihr Alter und ihr Sterben machen. "Ich denke, dass alle Menschen sich für Ihre letzten Lebenstage wünschen, gut behandelt, versorgt und gepflegt zu werden ", sagt Linde.

In Würde altern ist oft eine schwierige Aufgabe

In Würde altern? Für viele homosexuelle Männer und Frauen ist auch das zum Ende ihres Lebens eine schwierige Aufgabe. Die sie vielleicht mit liebevollen Verwandten, mit engen Freunden und im besten Fall noch mit ihrem Partner bewältigen können. Dabei treffen sie aber auf eine Zwiespältigkeit, die es so für Heterosexuelle nicht gibt. Denn für die Generation der über 60-Jährigen sei es besonders schwer, sich öffentlich zu ihrer Homosexualität zu bekennen. Viele hätten ihre sexuelle Präferenz ein Leben lang verstecken müssen oder waren, wenn sie diese zeigten, Diskriminierungen ausgesetzt.

So lässt sie die Angst (erneut) stigmatisiert oder abgelehnt zu werden, schweigen. Nicht zuletzt auch, weil das Personal in der Altenhilfe oder in Seniorenheimen kaum geschult sei, bei der Pflege und Betreuung die individuellen Biografien der Menschen in den Einrichtungen wahrzunehmen, sagt Linde. Es braucht also weiter mehr Aufklärung über und größere Toleranz für die vielseitigen Facetten eines Menschen, damit jeder einzelne in Würde altern kann und dabei keine Rolle spielt, ob er hetero- oder homosexuell ist.