Foto: Jonny Lewis
Die tiefliegenden Inseln im Südpazifik versinken. Solange nicht wirklich etwas gegen den Klimawandel unternommen wird, sind die Rettungsversuche der Inselstaaten nur Makulatur.
"Das Meer frisst sich immer tiefer in unser Land"
Die Weltklimakonferenz gastiert in diesem Jahr in Doha im Golfstaat Katar. Abgeschirmt von der Hitze der arabischen Wüste nimmt die internationale Staatengemeinschaft in der klimatisierten Halle auf dem 18. Conference of the Parties (COP) genannten Klimagipfel einen weiteren Anlauf, ein verbindliches, internationales Abkommen zur Rettung des Weltklimas unter Dach und Dach zu bringen.

Auch Melton Tauetia ist nach Doha gereist, obwohl der evangelische Christ aus Tuvalu im Südpazifik auf die internationale Gemeinschaft nicht gut zu sprechen ist. "Bei den bisherigen COPs musste ich erleben, wie während der Verhandlungen die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen unterminiert wurde." Weiter sagt der Aktivist des Tuvalu Climate Change Network: "Der Klimawandel ist bedrohlich. Tuvalu geht unter. Das Meer frisst sich immer tiefer in unser Land. Es gibt nicht mehr viele Bäume, deren Wurzeln den Sand halten könnten."

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Die tiefliegenden Inseln im Südpazifik versinken. Tuvalu liegt gerade mal zwei Meter über dem Meeresspiegel, der höchste Punkt nur fünf Meter. Mit einer Fläche von genau 25,66 Quadratkilometern ist das von der London Missionary Society missionierte Tuvalu nach dem Vatikan, Monaco und dem Südseestaat Nauru der viertkleinste Staat der Welt. Landwirtschaft und Fischerei sind die wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für die 10.000 Tuvaluaner.

Zwei Meter über dem Meer

Melton Tauetia ist Mitglied der kleinen ökumenischen Delegation von Nichtregierungsorganisationen aus dem Südpazifik, die unter dem Dach der Pacific Calling Partnership (PCP) nach Doha gereist ist. Das vom katholischen Edmund Rice Centre in Sydney gegründete Netzwerk tiefliegender pazifischer Inseln streitet für ökologische Gerechtigkeit. "Australien hat eine ökologische Schuld gegenüber den pazifischen Inseln", sagt Pater Claude Mostowik vom ERC. Tauetia und die anderen Klimaaktivisten aus der Südsee nennt der Ordensmann "die Gesichter des Klimawandels".

Das Meer ist unerbittlich, die Vegetation kann die Fluten nicht aufhalten. Foto: Jonny Lewis

Reverend Tioti Timon schildert mit drastischen Worten die Situation in seiner Heimat Kiribati: "Das Meer verschlingt unsere Inseln, unsere Geschichte, die Gräber unserer Vorfahren und unsere Lebensweise." Seit über zwei Jahren studiert der ehemalige Bischof der Kiribati Protestant Church für einen Masterabschluss in Theologie in Parramatta, einer Nachbarstadt von Sydney. Seinem Weihnachtsbesuch in Kiribati sieht der Timon mit gemischten Gefühlen entgegen. "Ich freue mich auf meine Familie", sagt der 50-jährige. "Aber ich fürchte, die Auswirkungen des Klimawandel werden schlimmer geworden sein."

Der größte Teil von Kiribati, gesprochen Kiribas, liegt mit weniger als zwei Metern über dem Meeresspiegel noch tiefer als Tuvalu. Das halbwegs zwischen Hawaii und Australien gelegene Kiribati ist ein riesiger Zwergstaat. Von seiner Fläche her ist das Land mit über fünf Millionen Quadratkilometern einer der größten Staaten der Welt. Aber die 100.000 Einwohner der Präsidialrepublik leben auf nur 811 Quadratkilometern.

Zu viel Salz, kein Regen: Das Land ist kaputt

Der Klimawandel macht sich nicht nur durch den steigenden Meeresspiegel und die Versalzung der Böden bemerkbar, sondern auch durch die seit vielen Monaten ausbleibende Regenfälle. "Die Dürre hat die Böden ausgetrocknet. Die Bauern können nichts mehr anbauen“, sagt Maina Talia. Der Klimawandelbeauftragte der protestantischen Kirche "Ekalesia Kelisiano o Tuvalu", der mehr als 90 Prozent der Tuvaluaner angehören, fügt hinzu: "Wir müssen Nahrungsmittel aus Fidschi, Neuseeland und Australien importieren. Die Armen können sich die aber kaum leisten. Besonders betroffen sind auch diejenigen, die von dem leben müssen, was sie selbst anbauen.“

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Auch Talia ist mit der ERC-Delegation nach Doha gereist. "Die westlichen Staaten müssen unser Wohlergehen beachten, statt nur an sich zu denken“, verlangt Talia, ohne aber große Hoffnungen auf ein Umdenken der Industrieländer zu hegen. Mit Sarkasmus in der Stimme klagt Talia: "Sie hören unsere Stimmen, aber sie hören uns nicht zu. Dabei sind wir die ersten Leidtragenden des Klimawandels, zu dem wir so gut wie nichts beigetragen haben."

Aber auch viele Menschen in Kiribati und Tuvalu verschließen die Augen vor dem Ernst der Lage. Mehr als 90 Prozent der Tuvaluaner sind Protestanten, während über 50 Prozent der Menschen in Kiribati Katholiken und 36 Prozent Protestanten sind. In beiden Konfessionen herrscht eine "sehr traditionelle Lesart der Bibel vor", wie Talia es ausdrückt: "Sie glauben fest daran, dass die Sindflut die letzte Flut war, die Gott den Menschen geschickt hat." Reverend Timon ergänzt: "Unseren Leuten klarzumachen, dass wir uns nicht einfach in Gottvertrauen zurücklehnen und nichts tun, stellt eine große theologische Herausforderung dar.“

Vorboten einer viel größeren Katastrophe

Die versinkenden pazifischen Inseln sind die Vorboten einer viel größeren Katastrophe. Der Meeresspiegel steigt um 60 Prozent schneller an als es die Wissenschaftler des sogenannten Welklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) der Vereinten Nationen vorhergesagt haben. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird der Meeresspiegel um einen Meter gestiegen sein, warnt das Wissenschaftlerteam um Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK). Mit erschreckenden Folgen für tiefliegende Küstengebiete vom Mekongdelta in Vietnam bis Bangladesch, für Küstenstädte mit Millionen von Einwohnern wie Jakarta oder New York. Hunderte Millionen Menschen verlieren dann ihre Lebensgrundlage und werden zu Klimaflüchtlingen.

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Mit großen Anstrengungen wird auf den südpazifischen Inseln fast verzweifelt versucht, die mit Hilfe von Geberländern wie Australien oder der EU Auswirkungen des Klimawandels in Schach zu halten. Bäume werden gepflanzt, Mangrovenwälder aufgeforstet, die Macht der Wellen soll durch Dämme in Schach gehalten werden, Meerwasserentsalzungsanlagen sichern die Trinkwasserversorgung. Aber auch viele dieser Hilfen sehen die Insulaner kritisch bis ablehnend. "Das ist absolut sinnlos, wenn sich die westliche Konsumkultur nicht von ihrer Gier abwendet", sagt Talia. Tauetia klagt: "Das ist alles gut gemeint, nutzt aber nichts. Wir Einheimische werden nicht in die Planung dieser Projekte einbezogen. Wir kennen doch unser Land am besten. Sie sollten mit uns reden."

Die Hoffnung auf ein Klimaabkommen ist ein frommer Wunsch

Aber die Hoffnung auf eine Abkehr von der Konsumkultur  und ein internationales Klimaabkommen, das eher den wissenschaftlichen Fakten Rechnung trägt statt von politischen Kompromissen geprägt ist, ist eher ein frommer Wunsch. Das wissen auch die Menschen auf Tuvalu und Kiribati, die sich langsam, zögerlich und widerwillig mit dem Gedanken vertraut machen, eines nicht all zu fernen Tages zu Klimaflüchtlingen zu werden. Neuseeland nimmt bereits Klimaflüchtlinge aus den pazifischen Staaten auf, während sich Australien noch sehr ziert, den Insulanern eine Perspektive anzubieten.

Melton Tauetia will Tuvalu nie verlassen. Aber der 40-jährige sorgt sich um die Zukunft seiner sechs Kinder: "Tuvalu geht unter. Als Vater suche ich einen Platz für eine sichere Zukunft meiner Kinder. Deshalb werde ich für ihre bestmögliche Ausbildung sorgen. Nur so können sie gute Jobs bekommen und ihren Beitrag zur Wirtschaft ihres Gastlands leisten. Auf Tuvalu bleiben nur noch Leute wie ich."

Maina Talia hat einen 16 Monate alten Sohn, im März nächsten Jahres wird seine Frau ihr zweites Kind zur Welt bringen. Auch Talia sagt: "Meine Frau, die auch an der Klimakonferenz in Doha teilnimmt, und ich werden Tuvalu nie verlassen. Was unsere Kinder machen, werden sie selbst entscheiden, wenn sie alt genug sind."