Contra: Schon der Herrnhuter Stern hat zu viele Zacken
von Anne Kampf, Redakteurin bei evangelisch.de
"Es begab sich aber zu der Zeit….. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe… Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen….". Schon die biblische Legende, "Weihnachtsgeschichte" genannt, klingt nach Kitsch. Meine Weihnachtsgeschichte steht im Johannesevangelium: "Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit." (Joh 1,14).
Weihnachten ist doch angeblich ein christliches Fest, oder? Also: Wir feiern, dass Gott Mensch geworden ist, "inkarniert" sagen Theologen dazu. Das Kind in der Krippe - von mir aus - wenn man es als Symbol auffasst, um das Unbegreifliche zu erfassen: Gott hat sich klein gemacht, herabgebeugt. Er ist nicht ein ferner Herrscher auf seinem Himmelsthron, sondern der Menschenfreund, der uns hier auf Erden nahe sein will. Seine Schöpfung, seine Menschen sind ihm nicht egal, er ist bei uns und geht mit durch die tiefsten Krisen der menschlichen Existenz. Nichts anderes drückt die Geschichte von Jesus für mich aus.
Foto: epd-bild/ulrich niehoff
Weihnachten ist ein christliches und ein frohes Fest - einverstanden, und das möchte ich gerne feiern: Mit Gottesdienstbesuchen, mit Gemeinschaft, mit Liedern aus dem Gesangbuch, mit der Lektüre der entsprechenden Texte im Alten und Neuen Testament. Von mir aus kann eine Kerze daneben stehen - weil das gemütlich ist - aber bitte nur eine! Schon der Herrnhuter Stern hat mir zu viele Zacken. Die rot-gelb-blauen Lichtschläuche vor den Fenstern meiner Nachbarn verabscheue ich ebenso wie das Leucht-Reh im Vorgarten und die nikolausförmige Weihnachtslied-Abspielmaschine mit Bewegungsmelder im Treppenhaus. Dieses Jahr werde ich das Ding sabotieren!
Ich mag nicht das Gedrängel auf dem Weihnachtsmarkt und meide glühweinbetrunkene Menschenpulks, lasse mich ungern im Kaufhaus von "Stille Nacht“ berieseln und von zehntausend LED-Lampen blenden. Auch Spekulatius und Dominosteine finde ich überflüssig. Man kann auch normal geformte Kekse und Schokolade essen. Machen wir uns doch nichts vor: Alles, was zur Vorweihnachtszeit in unseren Städten und Wohnzimmern stattfindet, ist Volkskultur und Kommerz - nicht Religion. In der Bibel kommen weder Tannenbäume noch Lichterketten noch Plätzchen vor. Der Advent war früher eine Fastenzeit, das finde ich gar nicht so abwegig, denn weniger Kalorienzufuhr schadet gewiss nicht der Konzentration auf das Wesentliche (siehe oben).
Letztes Jahr war ein Weihnachten ganz nach meinem Geschmack: Meine Eltern waren in den Urlaub geflohen, das Familienfest in der Heimat fiel also aus. Ich war trotzdem da, im leeren Elternhaus im Siegerland, und verbrachte ein Weihnachtsfest ganz ohne Brimborium: Jeden Tag ein gepflegter Gottesdienst, danach Nudeln mit Tomatensoße aus der Packung. Dann die Oma im Altenheim besucht, die zum Glück vergessen hatte, dass Weihnachten war.
Pro: Weihnachten, ein Sprung ins pralle Leben
von Lilith Becker, Redakteurin bei evangelisch.de
Ich liebe die Adventszeit. Ich liebe Weihnachten. Und ich liebe alle Konsequenzen, die das große Fest an Schmuck, Licht und Musik bereithält! Das warme Licht der Weihnachtsbeleuchtungen auch der kleinsten Städte verziert Fußgängerzonen und sonst graue Häuserschluchten; mancherorts liegt der Geruch von Lebkuchengewürzen und Kaminfeuern in der Luft. Alle Radiosender und Kaufhäuser erinnern mit abgedroschenen und neuen Weihnachtsschlagern an das große Fest.
Zugegeben: die Hektik in der Fußgängerzone mag ich nicht so sehr. Aber ich mag das Ziel, in dem diese Hektik endet. Für mich endet es in einem Sprung ins pralle Leben! Und das Beste: am ersten Advent geht es los mit diesem Sprung. Die Printen im Supermarkt habe ich schon vor ein paar Tagen gekauft. Plätzchen backe ich mit meiner Mutter und Schwester immer einen Tag vor den Adventssonntagen.
Foto: epd-bild/Steffen Schellhorn
Ich übe Weihnachtslieder auf dem Klavier (ich muss jedes Jahr neu üben, denn gut kann ich es nicht). Jedes Jahr singen wir dann laut und schräg an den Adventssonntagen und an Weihnachten. Vor allem an Weihnachten: da schmettern wir die altbekannten Lieder ("Kling Glöckchen", "Oh Tannenbaum" "Ihr Kinderlein kommet", "Es ist ein Ros’ entsprungen") und lachen uns darüber kaputt, wie schief das Durcheinander unserer Stimmen durch die geschmückten Räume unserer Wohnungen schallt. Und wir schmücken gerne. Und viel.
Besonders das Wohnzimmer meiner Eltern wird für mich zum Inbegriff von Weihnachten umfunktioniert: am ersten Advent hängt mein Vater den Herrnhuter Stern auf, der seiner Großmutter gehörte. Auf dem Klavier steht die Weihnachtspyramide, die sich angetrieben von vier Wachskerzen dreht und das warme Licht an der Decke tanzen lässt. Den Esstisch schmückt ein großer Adventskranz voll mit bunten Kugeln und vier knallfarbenen Kerzen.
Mit dem Weihnachtsgeschenke kaufen sind wir schon seit Anfang November beschäftigt. Wir lieben es, uns gegenseitig eine Freude zu machen. Es geht dabei nicht um den reinen Wert der Geschenke. Es geht darum, sich über den jeweils anderen Gedanken zu machen. Was könnte ihr oder ihm eine Freude machen? Deswegen beschenken wir uns innerhalb unserer großen Familie mit vier Geschwistern und Anhang ohne Ausnahme. Ein riesiger Berg Päckchen liegt dann am Heiligen Abend unter der reich geschmückten Tanne und glitzert ins Wohnzimmer hinein.
"Wir freuen uns, es geht uns gut und deshalb feiern wir." Das ist das Motto meiner Familie. Wir wissen ja nicht, wie lange es so bleibt, dass es allen gut geht. Das Leben ist schließlich ein Prozess. Und so ist auch die Familie immer in Bewegung. Vergangenes Jahr an Weihnachten war meine kleine Tochter drei Monate alt. Dieses Jahr an Weihnachten bringt meine Schwester ihr zwei Monate altes Baby mit. Wir feiern mit unseren Familien und unseren Eltern die Adventszeit und Weihnachten. Was für ein tolles Privileg. Gerade in der Weihnachtszeit, wenn es draußen kalt ist, rücken wir drinnen im Warmen als Familie zusammen. Und je mehr uns an den Anlass unseres Zusammenrückens erinnert, umso besser.
"Denn so [sehr] hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Johannes 3,16). An Weihnachten feiern wir das Leben, dass uns gegeben wurde. Unseres und das von Jesus, dass uns daran erinnert, wie glücklich wir sein dürfen. Und umso lauter, heller und bunter es ist, umso schöner!