Foto: Bernd Brudert/Montage: Linde Köhne
Im Berliner Café Einstein trifft K. Rüdiger Durth seine Gesprächspartner aus Kirche und Politik.
Hermann Kues: 200 Milliarden für die Familien
Hermann Kues (63) ist einer der wichtigsten Familienpolitiker in der CDU. Der engagierte Katholik hält es für einen Irrglauben, dass man mit mehr Geld für die Familien die Zahl der Geburten erhöhen kann. Wir haben ihn zum Gespräch im Berliner Café Einstein getroffen.

"Mehr Geld, mehr Kinder", sagt Hermann Kues, "ist ein falscher Glaube." An seinem 63. Geburtstag nimmt sich der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium eine Stunde Zeit, um der Einladung ins "Café Einstein" Unter den Linden zu folgen. Im Bundestag ist Sitzungswoche, wichtige Abstimmungen stehen an. Damit ist auch schon die Frage beantwortet, warum ausgerechnet der Familienpolitiker Kues seinen Ehrentag nicht mit Frau und drei Kindern verbringt.

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Rund 200 Milliarden Euro gibt der Staat pro Jahr für die Familien aus - mehr als jedes andere Land in Europa. Trotzdem sinkt die Zahl der Geburten. Ist das Geld zu wenig? Nein, sagt der engagierte Katholike Kues, "weder zu viel noch zu wenig". Es sei ein Irrglaube zu meinen, mit Geld könne man die Zahl der Geburten erhöhen. Zugleich lehnt der Staatssekretär die immer wieder geforderte Abschaffung des Ehegattensplittings ab. Dies sei auch eine Frage der Verlässlichkeit des Staates gegenüber der Familie, die nach wir vor die "stabilste Grundlage der Gesellschaft" sei.

Berufstätige Frauen

Vielmehr habe sich in den zurückliegenden Jahren ein großer gesellschaftlicher Wandel vollzogen, der zum Rückgang der Kinderzahlen geführt habe, unterstreicht Kues. Einer der wichtigsten Gründe liegt für ihn in der Berufstätigkeit der Frau. Ihren erlernten Beruf für ein oder mehrere Kinder aufgeben, das wollten die wenigsten der heutigen meist gut ausgebildeten jungen Frauen. Deshalb legten sie einen großen Wert darauf, Beruf und Familie zu verbinden.

"Ganz zentral" ist für Kues die Frage, unter welchen Bedingungen sich junge Menschen entscheiden, Eltern zu werden. Der Staat kann, ja muss aus seiner Sicht für gute Rahmenbedingungen sorgen, die Familie möglich machen. In Deutschland falle diese Entscheidung inzwischen sehr spät, in vielen Fällen auch zu spät.

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Der promovierte Diplomvolkswirt, der im kommenden Jahr nicht mehr für den Deutschen Bundestag kandidieren will und auch nicht wieder für eine Mitgliedschaft im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angetreten ist, wehrt sich gegen eine Senkung der staatlichen Ausgaben für die Familien.

Auf die Frage, ob er für das umstrittene Betreuungsgeld sei, antwortet er diplomatisch: "Ich habe im Parlament dafür gestimmt." Allerdings hält er die Lenkungswirkung des Gesetzes für gering. Soll heißen, dass er nicht davon ausgeht, dass viele Familien ihr Kind wegen des Betreuungsgeldes von anfangs 100 Euro im Monat zu Hause behalten. Für ihn ist die Familie nach wie vor für das Kind "die wichtigste Instanz", und er hofft, dass der "völlig überhöhe Streit" in dieser Sache bald beendet wird. Mit Nachdruck setzt sich Kues dafür ein, dass die Familien selbst entscheiden, wie sie leben wollen.

"Herr Kues, wie kommt es eigentlich, dass bei Wahlen Ihre Partei in den Großstädten immer mehr an Boden verliert? Offensichtlich wollen die Menschen eine andere Familienpolitik." Die Antwort kommt ohne Zögern: "Die eigene Partei hat zu lange im Blick auf das Zusammenleben der Menschen ideologisch geantwortet und zu wenig darauf geachtet, wie die Menschen tatsächlich leben wollen." Das gilt aus seiner Sicht auch für die Betreuungsangebote etwa in Form von Krippen für Kleinkinder.

Strukturen müssen stimmen

"Die wichtigste Erziehungsinstanz für Kinder ist die Familie." Dabei bleibt Kues. Kommt die Familie dieser Aufgabe nicht genügend nach, ist das schlecht für das Kind. Gleiches gilt für die frühkindliche Bildung in einer Krippe. Deshalb legt er großen Wert auf eine gute Qualität der Arbeit in den Krippen. Junge Paare, die berufstätig sind, sind aus seiner Sicht bei der Betreuung ihres Kindes oder ihrer Kinder auf die Hilfe nicht nur der Familie, sondern auch der Einrichtungen für Kinder angewiesen: "Die Strukturen müssen stimmen."

Der Staatssekretär bedauert, dass man in der Gesellschaft Familie und Ökonomie zu lange gegeneinander ausgespielt hat. Dabei sei in Vergessenheit geraten, dass die soziale Marktwirtschaft immer auch das gesellschaftspolitische Leitbild der Familie im Blick gehabt habe, Deshalb müssten sich Wirtschaft und Industrie stärker als bislang bemühen, familienfreundlicher zu werden. Das sei auch im Blick auf den demographischen Wandel unabdingbar. Immerhin: "Es gibt Lichtblicke".

"Verrückte Armutsdiskussion"

Kommt das Thema auf Familie und Hartz IV, dann kann Kues auch beim Kaffee schnell sehr leidenschaftlich werden. Er hofft, dass die "verrückte Armutsdiskussion" endlich einer sachlichen Bewertung weicht. Der grüne Parteitag hat kürzlich die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze auf monatlich 520 Eure gefordert. Kues fragt zurück: "Wer soll das bezahlen?" Wollte man dies in die Tat umsetzen, müsse man die Steuern erhöhen. Das wiederum gehe vor allem zu Lasten des Mittelstandes.

Ist das Wort von der "verrückten Armutsdiskussion" ein Wort der Erregung? "Nein"“ sagt Kues, "das können Sie gern zitieren.“ Dabei bestreite er nicht, dass es auch in Deutschland Armut gebe, auch erhebliche soziale Probleme. Diese müsse man auch in den Griff bekommen, aber so zu tun, als seien die meisten Menschen arm, die staatlich Transferleistungen beziehen würden, sei einfach falsch.

Hohe Abbrecherquoten

Das Schicksal vieler Alleinerziehender sei "hart" und für diese seien Betreuungsangebote "sehr hilfreich", betont Kues. Aus seiner Sicht sollte man weniger über die vermeintliche Armut reden als vielmehr darüber reden, wie sich Armut überwinden lasse und wie man die entsprechenden Chancen nutzen könne. In diesem Zusammenhang ist für ihn auch wichtig, wie sich die hohe Zahl der Schulabbrecher verhindern lässt: "Die Zahlen können wir uns einfach nicht leisten."
Im gleichen Atemzug sagt der CDU-Politiker: "Jeder hat eine Chance verdient, auch eine zweite."

Der katholische Christ Kues wird in seiner ostfriesischen Heimat auch schon mal gebeten, in einem altreformierten Gottesdienst zu predigen: "Das tue ich ausgesprochen gern." Überhaupt ist er dankbar dafür, wie die Kirchen "mit viel Gespür" auf immer neue Notlagen reagieren und ihre Unterstützung anbieten. Für ihn dürfen sich Christen nicht nur am Staat orientieren, wenn es um die Hilfe für Menschen in Not gehe. Sie seien zugleich dazu in der Lage, "mit neuen Gedanken Menschen zu mobilisieren, den Notleidenden zu helfen". Das Ehrenamt müsse weiter gestärkt werden.

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Erfreut ist der Parlamentarische Staatssekretär über das große Interesse junger Menschen am Freiwilligen Sozialen Jahr – in ihm würden auch viele Grundlagen für später gelegt, wenn es darum gehe, die Eltern im hohen und dann leider oft schlechten Gesundheitszustand zu pflegen. Zudem seien neue Formen notwendig, wie sich alte Menschen untereinander helfen können. Ist die Familienpolitik nach wie vor ein "weiches" politisches Thema? Kues lacht: "Das sollte sich inzwischen herumgesprochen haben: Familienpolitik ist ein Zukunftsthema, das in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden darf."