Erst vor wenigen Tagen ist Oberkirchenrat Volker Faigle aus dem Sudan zurückgekehrt. Seine Reise führte ihn in den muslimisch geprägten Norden des Sudan mit der Hauptstadt Karthum und den christlich dominierten Süd-Sudan mit der Hauptstadt Juba.
###mehr-personen###Faigle war der einzige Deutsche in einer kleinen Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), um den Christen in beiden sudanesischen Staaten ihre ökumenische Solidarität zu bekunden - eine ganz wichtige Sache für die Kirchen im Sudan, meint Faigle, zumal sie angesichts immer neuer weltpolitischer Konflikte in ihrem Existenzkampf vergessen zu werden drohen. Dass dies aber nicht passiert, dafür setzt sich nicht zuletzt Volker Faigle ein.
Der 64jährige Bankkaufmann und Theologe kennt wie kaum ein anderer deutscher Theologe den Schwarzen Kontinent. 13 Jahre lang war er im Kirchenamt der EKD Referent für Afrika und ist nun zusätzlich ehrenamtlicher Sudan-Beauftragter des Rates der EKD. Ein zusätzlicher Vertrauensbeweis für den Mann, den Erzbischof Tutu bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde einen "wahren Freund" Afrikas genannt hat. Immer wieder reist Faigle in die beiden Staaten am Oberen Nil, um sich vor Ort ein Bild von der oft bedrückenden Lage der Menschen zu machen, um den Christen Mut zu machen, mit Regierungsvertretern auch ein offenes Wort zu reden und zwei Dinge immer wieder anzumahnen: Versöhnung und Bildung.
Vor allem ist Versöhnung gefragt
Versöhnung ist nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg mit hunderttausenden Toten und noch mehr Flüchtlingen nicht nur zwischen den beiden nunmehr selbständigen Staaten notwendig, sondern vor allem auch zwischen den zahlreichen Ethnien in beiden Ländern. Von der Krisenregion Darfur ganz zu schweigen. Der Bürgerkrieg hat nicht nur viele Bildungseinrichtungen zerstört, sondern auch die junge Generation in Krieg und Flucht gezwungen. Für Schule war weder Zeit noch Gelegenheit, vom mangelnden Geld ganz zu schweigen.
###mehr-artikel###Doch ohne Bildung lässt sich vor allem der Süd-Sudan nicht aufbauen, obwohl dieser laut Faigle ein reicher Staat sein könnte – nicht nur wegen des Öl-Reichtums (der nach wie vor zu Konflikten mit dem Nord-Sudan führt), sondern auch wegen der fruchtbaren Erde und dem ausreichenden Regen. Aber dem neuen Staat, an dessen Spitze ein katholischer Präsident steht, mangelt es an allem – vor allem an einer guten Infrastruktur und einer qualifizierten öffentlichen Verwaltung.
In Karthum wurden Faigle und die anderen Mitglieder der ÖRK-Delegation vor allem mit folgenden Problemen konfrontiert: Während des Bürgerkriegs flüchteten auch viele Christen vor den Bomben in den Norden. Nun ziehen sie wieder in die alte Heimat und hinterlassen im Norden große Lücken in den größten Konfessionen des Landes – Katholiken, Anglikaner, Protestanten und Orthodoxe. Die Kirchen haben große Sorge, dass die in Ausarbeitung befindliche neue Verfassung das islamische Recht auch für Christen für verbindlich erklärt.
Keine offizielle Christenverfolgung
Werden im islamischen Norden die Christen verfolgt? Volker Faigle greift wieder zur Cappucino-Tasse und sagt nach einem längeren Schweigen: "Von Christenverfolgung kann man nicht sprechen." Die Christen können Schulen und Hospitäler unterhalten ("die auch von den Muslimen sehr geschätzt werden"), sonntags (Feiertag ist in muslimischen Ländern der Freitag) erhalten sie drei Stunden für die Teilnahme am Gottesdienst frei.
Aber Christen spüren zunehmend Widerstand aus der Bevölkerung. Immer mehr Menschen tendieren zu einem fundamentalistischen Islam und schrecken auch vor dem Niederbrennen von Kirchen nicht zurück. Auch Bibeln gehen öffentlich in Flammen auf, und eine evangelische Bibelschule wurde Opfer eines Brandanschlags. Die lauter werdende Forderung der Islamisten an die Christen in ihrer Mitte: "Geht doch in den Süden. Ihr habt doch jetzt euren eigenen Staat." Doch laut Faigle ist der Norden die traditionelle Heimat vieler Christen.
Dankbar ist der Sudan-Beauftragte der EKD für das umfangreiche materielle Hilfsangebot von "Brot für die Welt" und anderer kirchlicher Werke. Der (katholische) Erzbischof von Karthum machte Faigle darauf aufmerksam, dass er jetzt vor allem auf eine gute theologische Ausbildung von Kirchenmitgliedern angewiesen sei, die leitende Ämter übernehmen könnten. Und auf dem Land ist auch die materielle Not der Menschen, gleich welcher Religion "sehr groß".
Hauptproblem ist der Streit zwischen den Ethnien
Im Süd-Sudan haben die Kirchen aufgrund ihrer starken Stellung aus Faigles Sicht eine besonders große Verantwortung, um den Versöhnungsprozess voranzutreiben (auch unter Christen verschiedener Ethnien) und die Schul- und Universitätsausbildung der jungen Menschen zu fördern. Zu den wichtigsten Säulen des Südens zählt der Sudan Council of Churches (SCC), von dem Faigle hofft, dass er mit einer Stimme zu sprechen lernt und die bislang große Staatsnähe der Kirchen abbaut.
Faigle: "Wir müssen das Evangelium immer wieder in den besonderen Situationen der beiden Staaten buchstabieren." Dass er in Berlin gute Beziehungen zu beiden Botschaften des Sudan unterhält, versteht sich von selbst. Er freut sich, dass zunehmend auch Abgeordnete des Deutschen Bundestages Interesse am Sudan zeigen. Aber Volker Faigle, der sich schon auf den nächsten Sudan- Besuch freut, weiß, dass auch im Blick auf das ostafrikanische Land, das ihm ans Herz gewachsen ist, der sprichwörtliche stete Tropfen den Stein höhlt.