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Medienmacher sollten sich von der Not anderer berühren lassen, sagte die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein vor Journalisten in Berlin.
"Ein guter Journalist ist ein unbestechlicher Menschenfreund"
"Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache!" Dieser dem einstigen Tagesthemen-Moderator Hanns Joachim Friedrich zugerechnete Satz wurde von rund 300 Medienprofis auf dem 26. ver.di-Journalistentag in Berlin heftig diskutiert.

Die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein eröffnete die Diskussion in einer für nicht wenige Kolleginnen und Kollegen ungewöhnlichen Weise. Sie erinnerte in ihrem Vortrag, der phasenweise einer sonntäglichen Predigt ähnelte, an die sieben biblischen Werke der Barmherzigkeit. Nackte zu kleiden oder Hungrige zu speisen sei eine Aufgabe, zu der auch Journalisten ihr Scherflein beizutragen hätten, etwa indem sie über soziale Notlagen in der Gesellschaft berichteten. Medienmacher sollten sich von der Not anderer berühren lassen. "Warum macht Ihr Euch nicht endlich gemein mit der gerechten Sache? Es geht auch um die Sehnsucht nach Orientierung in einer unübersichtlichen (Nachrichten-)Welt", sagte Trautwein. Für Medienmacher könne es daher keine Neutralität geben.

"Die Frage ist, wer drinnen oder draußen ist. Es geht um den Wert und die Würde jeder menschlichen Existenz. Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen", sagte die evangelische Theologin. Nikolaus Blome, stellvertretender Bild-Chefredakteur, wies darauf hin, dass es in seiner Zeitung die Rubrik "Bild kämpft für Sie" gebe. Darin mache man sich mit Betroffenen gemein. "Aber nur weil jemand schwach ist, hat er nicht automatisch recht. Wir müssen da journalistische Inhalte trennen", warnte Blome.

Bei Nazi-Demos muss man parteiisch sein

Alle Diskutanten waren sich darin einig, dass Journalisten nicht so etwas wie neutrale Textverarbeitungsmaschinen seien, die Gefühle und Meinungen einfach ausblenden könnten. Schon bei der Themenauswahl müsse jeder Redakteur entscheiden, was ihm und seinen Lesern, Zuschauern oder Zuhörern wichtig sein könnte oder eben auch nicht. Bei bestimmten Themen müsse man geradezu parteiisch sein. Wenn es etwa um die nächste Neo-Nazidemo gehe, dann könne man nicht neutral und ausgewogen bleiben.

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"Warum sollte ich mich dann mit dem Satz 'Kein Fußbreit für Nazis!' nicht gemein machen", fragte Klaus Schrage, Gesellschaftsreporter bei den Nürnberger Nachrichten. Besser als der Friedrichs-Satz gefalle ihm der Ausspruch des WDR-Monitor-Chefs Georg Restle: "Ein guter Journalist ist, wenn er ein unbestechlicher Menschenfreund ist!"

Vor allem komme es in der Berichterstattung auf Transparenz an, meinte Thomas Walde, stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios. Als Reporter müsse man immer eine innere Haltung einnehmen. Wichtig sei eben, dass der Zuschauer diese nachvollziehen könne, um sich davon ausgehend eine eigene Meinung bilden zu können.

"Unterirdischer Wirtschaftsjournalismus"

"Die Leute merken sofort, wenn man sich zu sehr an eine Partei heranwanzt. Zum Beispiel die katholische Kirche hält sich für gut, aber sie steckt in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften. Ich muss beide Seiten zu Wort kommen lassen. Ich muss jedem wie im Fußball die Möglichkeit geben, sich bei harten Bällen als guter Torwart zu erweisen", sagt Walde.

Dieses Handwerk beherrschen aber längst nicht alle Journalisten - oder wollen es auch gar nicht. Sebastian Dullien, Journalist und Professor für Volkswirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin spricht von einem geradezu unterirdischem Wirtschaftsjournalismus in Deutschland. Anstatt selber hart zu recherchieren würden sich immer wieder Redaktionen hinter so genannten Experten und Wirtschaftsweisen verstecken. Zum Beispiel werde Hans Werner Sinn in den Medien unkritisch als "Deutschlands klügster Ökonom" bezeichnet.

Sein Buch "Ist Deutschland noch zu retten?" entwerfe geradezu eine Weltuntergangsstimmung: Die Löhne zu hoch, die Gewerkschaften zu stark, die Demographie katastrophal. Die Financial Times Deutschland lobte sogar einen Wirtschaftsbuchpreis für das Werk aus. Nicht nur dass die FTD heute selber bankrott ist, das Buch von Sinn operiere mit falschen Zahlen und Grafiken. So würden dort etwa die Im- und Exportzahlen der USA und Deutschlands verwechselt.

Experten sind nicht immer unabhängig

"Sinn behauptet ein katastrophales Export-Defizit genau in dem Jahr, in dem Deutschland real Export-Weltmeister war. Trotzdem wird er immer wieder von den Medien hofiert und durch die Talkshows geschleust", bedauert Dullien. Auch die Berichterstattung über die private Rentenvorsorge sei oft eine journalistische Katastrophe. Wurde noch vor Jahren für die Riester- oder Rüruprente geworben, so erweise sich das heute bei genauerem Hinsehen als ein riesiges staatliches Subventionierungsprogramm für die Geld- und Finanzwirtschaft. "Journalisten zitieren gerne Experten, die aber meist alles andere als unabhängig sind. Zum Beispiel Prof. Bernd Raffelhüschen.

"Nie wird gefragt, in welchen Aufsichtsräten er sitzt", beklagt der Wirtschaftsjournalist Sebastian Dullien. So taucht Raffelhüschen im Internet als Mitglied im Aufsichtsrat der Ergo-Versicherungsgruppe und wissenschaftlicher Berater für die Victoria Versicherung AG in Düsseldorf auf. Zu den Sponsoren seines Freiburger Instituts zählen danach unter anderem die HDI-Gerling Pensionsmanagement AG, die Union Asset Management Holding AG oder eben die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die durch ihre besondere Arbeitsgebernähe auffällt. Trotzdem würden Journalisten Raffelhüschen immer wieder als vermeintlich unabhängigen und objektiven Wirtschaftsexperten interviewen. Insofern stimmt der Friedrichs-Satz, man sollte sich nicht mit den Aussagen von Experten gemein machen, wenn man nicht weiß, wer genau diese finanziert.