Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ist bei vielen Migranten und Muslimen nicht gerade beliebt, Unmut hatte bei letzteren seine Äußerungen über den Islam erzeugt. Der CSU-Minister hatte nämlich bei seiner Amtseinführung erklärt, dass zwar die Muslime, nicht aber der Islam zu Deutschland gehöre. Dass sein Ministerium im April dieses Jahres die Ergebnisse einer Studie über Muslime noch vor der offiziellen Bekanntgabe an die "Bild"-Zeitung rausgerückt und dabei auch noch falsche Infos übermittelt hatte, trug dazu bei, dass sich Friedrichs Position auf der Beliebtheitsskala nicht nach oben bewegte. Verscherzt haben dürfte es sich der Minister mit der jüngsten Aktion bei muslimischen Menschen dieses Landes nun endgültig.
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Kaum stellte nämlich das Bundesinnenministerium (BMI) Ende vergangener Woche die Plakatserie vor, die im Rahmen der Initiative Sicherheitspartnerschaft mit muslimischen Verbänden entstanden sind, rumort es bei Muslimen, aber auch bei Nicht-Muslimen. Die auf Deutsch und Türkisch verfassten "Vermissten-Anzeigen" werden in türkischsprachigen Zeitungen geschaltet, erscheinen in Online-Netzwerken und sollen ab dem 21. September 2012 in Hamburg, Bonn und Berlin auch öffentlich plakatiert werden - vor allem in den Stadteilen mit hohem Anteil an Bewohnen mit Migrationshintergrund.
Auf einem der Plakate heißt es:
"Das ist meine Freundin Fatima. Ich vermisse sie, denn ich erkenne sie nicht mehr. Sie zieht sich immer mehr zurück und wird jeden Tag radikaler. Ich habe Angst sie ganz zu verlieren – an religiöse Fanatiker und Terrorgruppen. Wenn es Dir so geht wie mir, wende Dich an die Beratungsstelle Radikalisierung unter 0911 – 943 43 43 oder per Mail."
Deutsche Eltern melden sich
Mit diesen fingierten Vermisstenanzeigen will das BMI für die Beratungsstelle werben, an die sich Menschen wenden können, die Radikalisierung bei jungen Muslimen wahrnehmen. Die Beratungsstelle sei "ein wichtiges Element", um islamistischen Tendenzen entgegenzuwirken, heißt es in einer Erklärung des Ministeriums. Das soziale Umfeld der Betroffenen bemerke in aller Regel am schnellsten, "wenn ihr Sohn, Schüler, Freund oder Vereinskamerad plötzlich seine religiöse Haltung oder gar seine gesamte Weltanschauung ändert, sich zunehmend von seinem bisherigen Umfeld, seiner Vergangenheit ab- und einem radikalen Spektrum zuwendet und sich vermehrt von Ideologien leiten lässt, die mit den Grundsätzen eines freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats nicht in Einklang zu bringen sind".
Bisher haben sich nach Ministeriumsangaben vor allem deutsche Eltern, deren Kinder heimlich zum Islam konvertiert sind, an die Einrichtung gewandt. Etwa 20 Fälle seien derzeit in Bearbeitung. Bei Migranten indes sei die Hürde oft hoch, sich an eine deutsche Behörde zu wenden. "Es ist uns ein großes Anliegen, mehr auch bei muslimischen Eltern Akzeptanz zu finden", betont Ministeriumsreferentin Barbara Slowik. Der emotionale Charakter der Plakate mit der Überschrift "Vermisst" solle deutlich machen, "dass es uns alle betrifft, wenn wir junge Menschen an Radikale verlieren".
Die Kritik der Migazin-Macher
Bei Muslimen und Migrantenvertretern kommt die Aktion allerdings nicht so gut an. Vielmehr sogt für Verwunderung, dass sich das Ministerium erhofft, Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde und Bekannte könnten mit fingierten Steckbriefen für das Abdriften von jungen Männern und Frauen sensibilisiert und auf Anlaufstellen hingewiesen werden. Dass die islamischen Verbände bei dieser Aktion mitmachen, sei der endgültige Beweis dafür, "dass sie ungeeignet sind, für Muslime zu sprechen", meint beispielsweise Birol Kocaman vom Nachrichtenportal Migazin.
Foto: Migazin
Das war allerdings ein vorschnelles Urteil. Denn die islamischen Verbände, die sich der "Initiative Sicherheitspartnerschaft" angeschlossen haben, üben gleichermaßen Kritik an den Plakaten. Es sei zu befürchten, dass die Aktion "in der gegenwärtigen Form neue Konfliktfelder schafft und das Ziel verfehlt", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von DITIB, dem Zentralrat der Muslime, dem Verband der Islamischen Kulturzentren und der Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Nicht nur die scheinbare Zielgruppe fühle sich durch die Plakate "zur Fahndung ausgeschrieben und kriminalisiert, so die Erklärung.
Die Migazin-Macher haben es nicht bei der Kritik belassen, dass mit solchen Plakaten der Generalverdacht gegen Muslime geschürt werde, sondern darauf mit Kreativität reagiert.
Die Redaktion hat ebenfalls eine Anzeige entworfen - und zwar mit dem Konterfei von Friedrich und folgendem Text:
"Das ist unser Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Wir vermissen ihn nicht, denn wir erkennen ihn nicht mehr wieder. Er zieht sich immer mehr zurück und wird jeden Tag radikaler. Wir haben Angst, dass er ganz abrutscht - in die Hände rechter Fanatiker und Terrorgruppen. Wenn es Ihnen genauso geht wie uns, wenden Sie sich an die Beratungsstelle..."