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Dritter Weg: Das Urteil lässt Fragen offen
Im Arbeitsrecht der Kirchen gilt weiterhin der Dritte Weg - so hat das Bundesarbeitsgericht gestern geurteilt. Löhne und Gehälter werden auch in Zukunft in Kommissionen ausgehandelt, allerdings müssen die Gewerkschaften daran beteiligt werden. Die Beschäftigten der beiden großen Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände dürfen streiken, falls die Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes ist ein Kompromiss - und lässt für Beschäftigte noch einige Fragen offen. Evangelisch.de hat fünf Kirchen-Angestellte gefragt, was sie von dem Urteil halten.
21.11.2012
evangelisch.de

Verena Stamm: "Ich finde es begrüßenswert, die Mitarbeitenden zu stärken"

Verena Stamm ist Diplom-Sozialpädagogin und arbeitet als Präventionsfachkraft in der Suchtberatung des Caritasverbandes für den Kreis Olpe e.V.. Sie ist zweite Vorsitzende der Mitarbeitervertretung. Foto: privat

"Ich begrüße das Urteil, weil ich grundlegend der Meinung bin, dass das Streikrecht etwas wichtiges ist. Als Mitarbeitende eines kirchlichen Trägers möchte ich darauf nicht verzichten - für mich nicht und für alle anderen auch nicht. Es bedeutet zwar in meinem Bereich, dem Sozial- und Erziehungsdienst, nicht sehr viel, weil ich nicht den Wunsch verspüre zu streiken oder irgend etwas kämpferisch durchsetzen zu müssen. Ich hab persönlich das Gefühl, dass ich ganz gut aufgehoben bin. Aber ich denke einfach, dass es in anderen Breichen sicherlich nicht so aussieht. Das bekomme ich auch mit in meiner Arbeit als zweite MAV-Vorsitzende, wenn ich über den Tellerrand unserer Einrichtung hinaus schaue, dann sehe ich, dass es in anderen Einrichtungen auch anders aussehen kann.

Gerade im Pflegebereich habe ich so den Eindruck, dass es viele Einrichtungen gibt, die sich nicht an das halten, was in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt wurde. Ich finde es begrüßenswert, da einfach die Mitarbeitenden zu stärken, indem man ihnen dieses Mittel des Streiks an die Hand gibt. Es ist ein grundlegendes Prinzip, und es ist wichtig, das durchzusetzen. Aber andererseits ist der Dritte Weg eine Jahrzehnte alte Tradition, die gewachsen ist, mit der sich alle arrangiert haben - ohne Streikrecht. Ich glaube und merke, dass alle einfach sehr verwurzelt sind in dem, wie der Dritte Weg sich auswirkt. Sehr schnell wird sich das wohl nicht wandeln, sondern es wird für alle Beteiligten dauern, bis sich da was tut, bis so ein Urteil sich wirklich bis in alle Ebenen durchsetzt."

Ludger Dornseifer: "Vielleicht laufen die Verhandlungen ja dann zielführender ab"

Ludger Dornseifer arbeitet als Diplom-Sportlehrer im Ambulanten Rehazentrum der Pflege- und Rehabilitation gGmbH unter dem Dach der Diakonie in Südwestfalen. Er ist Vorsitzender der Mitarbeitervertretung im Bereich Pflege und Reha. Foto: Diakonie in Südwestfalen

"Prinzipiell denke ich, das Urteil ist zumindest mal ein Schritt in die richtige Richtung. Ich finde es sehr erstaunlich, dass sowohl die Gewerkschaften als auch die Diakonie sich mit dem Urteil bestätigt sehen, das fand ich sehr bemerkenswert. Man wird mal gucken müssen, was daraus gemacht wird bei den nächsten Verhandlungen, bei den nächsten Lohnrunden. Dann wird man sehen, ob das entsprechend anerkannt wird oder ob das eine Sache ist, die jetzt erstmal verpufft und wirkungslos bleibt. Es steht ja immer noch die Option aus, für beide Seiten, das ganze bis vor das Bundesverfassungsgericht zu tragen, soweit ich das mitgekriegt habe. Aber da ja zunächst mal alle sagen, sie fühlen sich bestätigt, könnte es ja auch sein, dass das nicht passiert und dass man damit was anfangen kann.

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Was es für mich an meinem Arbeitsplatz bedeutet? Gute Frage! Das kann ich mim Moment noch gar nicht sagen. Das weiß ich noch nicht. Bisher war man halt bei den Lohnverhandlungen immer darauf angewiesen, dass man sich in der arbeitsrechtlichen Kommission einigt, und wenn man sich nicht einigte, dann zog sich das immer weiter raus. Es war ja häufig so, dass man bei den Abschlüssen deutlich zeitlich hinter den Abschlüssen im öffentlichen Dienst hinterherhinkte, weil die arbeitsrechtlichen Kommissionen einfach nicht aus dem Quark kamen. Und vielleicht wird es dann ja mal schneller was und die Verhandlungen laufen vielleicht ein bisschen zielführender ab. Das ist meine Hoffnung dabei."

Hildegund Niebch: "Soziale Arbeit muss uns allen mehr wert sein"

Hildegund Niebch ist Referentin für Flüchtlinge und Migration in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie ist Mitglied in der Gewerkschaft ver.di. Foto: EKHN

"Zunächst hab ich mich gefreut, und ich hoffe, dass es der Einstieg in den Ausstieg vom Dritten Weg ist. Als Diakonie setzen wir uns aufgrund unseres Selbstverständnisses in den gesellschaftlichen Debatten immer dafür ein, dass Menschen zu ihrem Recht kommen, und das ist für mich auch eine hohe Motivation, bei der Diakonie zu arbeiten. Deshalb finde ich, genau dieses Recht muss natürlich auch nach innen gelten, die Arbeitnehmerrechte müssen auch unsere Rechte sein, also unsere Rechte als Beschäftigte in der Diakonie. Ich denke allerdings, dass das Problem, das unter dieser ganzen Debatte liegt, nämlich die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit, mit diesem BAG-Urteil nicht wirklich angegangen wird. Das muss man sich noch mal genau angucken. Soziale Arbeit muss uns allen mehr wert sein und muss gescheit bezahlt werden und das Problem wird mit dem BAG-Urteil nicht aus der Welt geschafft. Inwiefern die Frage des Outsourcing, was ja auch ein großes Thema ist, dadurch behoben werden kann, das ist mir auch noch eine offene Frage. Insgesamt geht mir das Urteil nicht weit genug."

Rainer Fink: "Wie soll das in die Wirklichkeit umgesetzt werden?"

Rainer Fink ist Küster in der evangelischen Johannesgemeinde in Hofheim (Taunus). Er vertritt den Küsterbund in der Arbeitsrechtlichen Kommission in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Foto: privat.

"Man muss das Urteil nochmal genau durchdenken: Was besagt es? Ein bisschen widerspricht es sich. Es wird ja gesagt, bei Nichteinigung ist Streikrecht. Ich als Arbeitnehmervertreter bin da natürlich ganz d'accord. Aber es ist ja eigentlich ein Wesensmerkmal des Dritten Weges, dass die Schlichtung letztendlich die Sache bereinigt. Wie das jetzt in Übereinstimmung gebracht werden kann, dass wüsste ich jetzt auf die Schnelle nicht. Die Verhandlungsergebnisse im Dritten Weg sind keine Tarifverträge. Sie sind zwar auch bindend, aber nicht so in dem Maße wie Tarifverträge. Ich war immer der Auffassung, der Dritte Weg ist nicht schlecht, er muss halt gut gemacht werden.

Ein bisschen geht das Urteil schon in diese Richtung. Man muss aber in den Feinheiten nochmal nachschauen: Wie soll das dann in die Wirklichkeit umgesetzt werden? Für meine Arbeit in der Arbeitsrechtlichen Kommission kann das natürlich schon Auswirkungen haben, das muss man dann mal sehen. Wir haben ja schon mit ver.di an einem Tisch gesessen. Es gab in dieser Arbeitsrechtlichen Kommission mal anderthalb Jahre, wo ver.di direkt mit dabei war. Das war allerdings keine sehr gedeihliche Zusammenarbeit. Es ist halt eine etwas andere Kultur, die da mit hineinkam. Die Frage ist, ob ver.di jetzt wirklich Mitarbeiter in diese Arbeitsrechtlichen Kommissionen entsendet, oder ob da gewisse Arbeitsweisen geändert werden und sie dann erst kommen. Das kann ich jetzt auch nicht vorausschauend sagen."

Lothar Germer: "Ich hoffe auf die Klugheit der Diakonie"

Lothar Germer arbeitet in der Evangelischen Jugendhilfe Friedenshort in Bad Gandersheim und sitzt im Vorstand der ag mav (Arbeitsgemeinschaft der MitarbeiterInnenvertretungen in den Diakonischen Werken in Niedersachsen).

"Ich finde das Urteil gut. Das Bundesarbeitsgericht hat klar gemacht, dass Kirche nicht Recht setzen kann für andere, sondern nur für sich selbst. Es hat auch klar gemacht, dass die Arbeitnehmer über das Recht auf Streik verfügen, wenn der dritte Weg nicht ordentlich beschritten wird und die Gewerkschaften nicht beteiligt sind. Derzeit sind sie nirgendwo dabei, das wird sich jetzt ändern.

Nur so wird es gelingen, das Lohndumping sowohl im privaten Bereich als auch in einigen kirchlichen Einrichtungen zu unterbinden. Das wird nur durch einen Branchentarifvertrag zu unterbinden sein. Da hoffe ich auf die Klugheit der Diakonie, dieses Urteil richtig einzuschätzen. In Niedersachsen gab es schon Gespräche in diese Richtung, und ich hoffe, dass wir da zu einem Ergebnis kommen.

Gerade wenn man sich den Bereich herausgreift, um den es vor allem geht - die Altenpflege - beschäftigt das Urteil die Menschen am Arbeitsplatz schon. Wenn sie überhaupt noch dazu kommen, nachzudenken und nicht so im Stress sind, dass sie nur noch auf die Couch wollen, wenn sie nach Hause kommen, eine halbe Stunde Fernsehen gucken und dann einschlafen. Der Kostendruck würde wegfallen, man könnte dann wieder über Qualität miteinander konkurrieren. Die Altenpflegerinnen könnten dann wieder das machen, was sie gelernt haben."