Die "dämonischen Tore" liegen im Süden Kopenhagens. Gemeint ist der Eingang der Kofoeds Skole. Dieser wenig schmeichelhafte Name stammt von der dänischen Band Gasolin, die mit dem Lied "Langebro" der Schule ein musikalisches Denkmal setzte.
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Tatsächlich sind die dämonischen Türen aus Glas und Kunststoff, und sehen relativ harmlos aus. Das Hauptgebäude der Kofoeds Skole ist ein mehrstöckiger Backsteinbau, ein bisschen nüchtern von außen. Innen stehen jedoch an jeder Ecke Pflanzen, zahlreiche Bilder hängen an den Wänden. Es herrscht emsige Geschäftigkeit. Über hundert Kurse pro Woche, von Englischstunden bis hin zu Keramikworkshops, bietet die soziale Einrichtung denjenigen an, die im Leben kaum zurecht kommen - seien es Arbeitslose oder Süchtige.
Hinter dem Hauptgebäude gibt es eine Schreinerei, eine Autowerkstatt und sogar ein Tonstudio - das Gelände gleicht einem kleinen Dorf. Wer will, kann einen günstigen Frisör besuchen oder den Waschsalon benutzen. Seit mehr als achtzig Jahren ist die Kofoeds Skole damit eine soziale Anlaufsstelle für die Randgruppen der dänischen Gesellschaft.
Auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chance
Morten Hahn ist einer von ihnen. Der 42-Jährige arbeitet in der Schreinerei. Probleme kennt der Däne mit dem markanten Bart seit seiner Kindheit. Er wuchs in Pflegefamilien auf, die er mehrmals wechseln musste. Mit elf Jahren kam er zum ersten Mal in Kontakt mit Alkohol und Haschisch, die Schule schwänzte er oft. Auch eine richtige Ausbildung hat Morten nie gemacht. Zudem wurde bei ihm vor einigen Jahren das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) diagnostiziert. Wenn er jedoch von seiner Arbeit in der Kofoeds Skole erzählt, blüht Morten auf.
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Während seine Kollegen Tannenbaumständer für den anstehenden Weihnachtsmarkt herstellen, arbeitet Morten an zwei Flügeltüren mit Glasfront. Damit gehört er zu den Profis in der Schreinerei, worauf er sichtbar stolz ist. "Ich habe schon immer gern mit meinen Händen gearbeitet. Das kann ich einfach am besten", sagt Morten. Auf dem normalen Arbeitsmarkt hätte Morten keine Chance.
Die Sozialarbeiter der Kofoeds Skole geben so schnell jedoch niemanden auf. 1928 gründeten der Küster Hans Christian Kofoed und seine Frau Astrid die Einrichtung. Ihnen lag vor allem daran, jungen Arbeitslosen zu helfen. Dabei orientierten sie sich nicht nur an christlichen Prinzipien; auch der dänische Pädagoge Nikolai Grundtvig mit seiner Philosophie des lebenslangen Lernens diente als Vorbild.
In Dänemark bedeutet Armut vor allem soziale Armut
Jeder, der in Dänemark arbeitslos gemeldet ist und zwischen 18 und 65 Jahre alt ist, kann kommen. Die Angebote der Schule sind kostenlos. "Wir fragen unsere Schüler zuerst, was sie bei uns machen möchten - nicht, was ihr Problem ist", sagt Robert Olsen, der Leiter der Kofoeds Skole. Wer neu ist, redet zuerst mit einem der Sozialarbeiter, um den passenden Kurs zu finden. Vorkenntnisse sind nicht nötig, jeder kann alles ausprobieren. "Es geht nicht unbedingt, darum, jeden erfolgreich in einen Job zu vermitteln", sagt Robert Olsen. "Wir möchten, dass die Menschen an einem geregelten Leben teilhaben und etwas Selbstbewusstsein zurückbekommen."
Denn daran fehlt es am meisten. "Armut in Dänemark bedeutet in erster Linie soziale Armut", so Robert Olsen. "Die Menschen definieren sich über ihren Beruf. Wer nicht arbeitet, verliert schnell soziale Kontakte, sein ganzes Netzwerk."
In Mortens Werkstatt arbeiten sechs weitere Schüler, jedoch kommen nicht alle regelmäßig. Morten steht dagegen jeden Tag an der Werkbank, er schätzt die Atmosphäre an der Schule. "Ich passe hier gut hin, bin kein Außenseiter mehr." Außerdem vertraut er seinen Lehrern, die ihn zu nichts drängen und ihn in seinem eigenen Tempo arbeiten lassen. Denn wegen des ADHS hat Morten Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.
Die größte Herausforderung: Die Wirtschaftskrise meistern
An der Kofoeds Skole gibt es klare Regeln: Kein Alkohol, keine Drogen und keine Belästigung der Mitschüler. Wer dagegen verstößt, wird nach Hause geschickt. Bei mehrmaligen Vorfällen gibt es ein Hausverbot. "Die Leute hier haben jede Menge Probleme. Dafür, dass so viele von ihnen hier aufeinander treffen, geht es relativ ruhig zu", sagt Robert Olsen.
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Die wirkliche Herausforderung sieht der Schulleiter woanders. Die Wirtschaftskrise ist auch in Dänemark angekommen. In vielen Bereichen plant die Regierung Kürzungen. Auch Kofoeds Skole ist davon betroffen, sie finanziert sich hauptsächlich aus öffentlichen Töpfen. "Wir müssen versuchen, die Mittel aus Fundraising und Spenden zu erhöhen, damit wir unsere Angebote aufrecht erhalten können", sagt Olsen. "Unsere Schüler sollen zufrieden mit unseren Leistungen sein, nur so bleiben sie aktiv und lernen, etwas für sich zu sorgen." Abbrecher gibt es nämlich auch immer wieder.
Morten könnte bald eine richtige Schreinerausbildung machen. In einer Einrichtung, die Arbeitsplätze für Menschen mit körperlichen oder psychologischen Problemen anbietet. Seine Sozialarbeiterin rechnet ihm gute Chancen aus - eben weil er so gewissenhaft an der Kofoeds Skole arbeitet. Das wäre übrigens nicht die erste Erfolgsgeschichte der Schule. Auch die Band Gasolin, die mittlerweile im ganzen Land bekannt ist, lebte vor ihrer Karriere von Spenden - ihre Kleidung bekamen die Mitglieder aus der Kleiderkammer der Kofoeds Skole.