Foto: epd-bild/Andreas Schoelzel
"Ich würde gerne in einem Hospiz sterben"
Das Sterben steht in der ARD vom 17. bis 23. November im Mittelpunkt der Themenwoche "Leben mit dem Tod". Zu den Höhepunkten zählen am 18.November im Ersten der Krimi "Tatort: Dinge, die noch zu tun sind" (20.15 Uhr) und eine anschließende Diskussion über das Thema Sterben in der Talkshow "Günther Jauch" (21.45 Uhr). Projektpaten der ARD-Themenwoche sind Moderator Reinhold Beckmann, Kabarettist Dieter Nuhr und Margot Käßmann. Die evangelische Theologin tritt am Sonntag auch bei Jauch auf.
16.11.2012
Martin Weber

Frau Käßmann, der Tod ist allgegenwärtig im Fernsehen, vor allem in zahlreichen Krimis wird viel gestorben. Warum braucht man da noch eine Themenwoche über das Sterben?

Margot Käßmann: Das Interessante ist beispielsweise, dass Kinder diesem fiktiven Tod im Fernsehen ständig ausgesetzt werden - und auf der anderen Seite heißt es dann, man kann ein Kind doch nicht mit zu einer Beerdigung nehmen. Wir müssen aber damit umgehen, dass wir alle sterben werden – und zwar ganz real sterben, nicht fiktiv. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ist enorm wichtig im Leben, und das zu fördern ist mir ein Anliegen. 

###mehr-links###Und diese Auseinandersetzung ist den Zuschauern zumutbar?

Käßmann: Absolut. Es geht doch zum Beispiel um die Frage: Wie will ich sterben? Es ist einfach wichtig, darüber einmal nachzudenken, sonst stehen die Angehörigen eines Tages da und wissen nicht: Hätte die Mutter gewollt, dass eine Magensonde gelegt wird, oder wie hätte sie sich die Trauerfeier gewünscht? Es gilt ja vieles zu entscheiden am Schluss. Sich darüber mal vorher Gedanken zu machen, finde ich schon sehr wichtig.

Wie bereiten Sie sich selber auf Ihren Tod vor?

Käßmann: Zum einen habe ich versucht zu regeln, was der Mensch regeln kann, um meine Kinder zu entlasten. Dazu gehören Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht. Ich habe mit meinen Kindern außerdem darüber gesprochen, wie ich meine Beerdigung gerne hätte und wer sie durchführen soll. Solche praktischen Dinge sind also geklärt. Außerdem war mir wichtig, mit meinen Kindern darüber zu sprechen, dass sie froh und dankbar zurückblicken sollen und nicht nur in Trauer versinken müssen.

"Ich habe mehr Angst vor dem Tod der Menschen, die ich liebe, als vor meinem eigenen"

Ist es vielleicht auch deshalb sinnvoll, sich Gedanken über das eigene Ende zu machen, weil man dann intensiver lebt?

Käßmann: Ja, das ist schon so. Jemand, der um den eigenen Tod weiß, nimmt bewusster wahr, dass das Leben eine sehr kostbare, geschenkte Zeit ist – und verplempert sie vielleicht weniger. 

Sie selber waren auch schon ganz direkt mit dem Gedanken an den Tod konfrontiert, als Sie vor ein paar Jahren an einer Krebserkrankung litten, die Sie dann überwunden haben.

Käßmann: Wenn das allgemeine Wissen über die Sterblichkeit zu einer ganz persönlichen Nachricht wird, die besagt: Dein eigenes Leben ist begrenzt, dann denkst du natürlich noch einmal besonders intensiv darüber nach, wie du eigentlich weiterleben willst. Das war bei mir auch so. 

###mehr-artikel###Ist der Gedanke an den Tod lieber Menschen schlimmer als der an das eigene Sterben?

Käßmann: Ich denke, dass ein Wort der Dichterin Mascha Kaléko auch für mich gilt. Sie sagt: Den eigenen Tod, den stirbt man nur, den Tod der anderen muss man leben. Das ist sehr wahr. Mit meinem eigenen Tod kann ich umgehen, ich kann mir sagen, dass ich ein gutes Leben hatte und dankbar zurückblicken. Aber liebste Menschen zu verlieren, das tut unendlich weh - und das kann niemand kleinreden. Ich habe mehr Angst vor dem Tod der Menschen, die ich liebe, als vor meinem eigenen.

Wie möchten Sie selber sterben, wenn es soweit ist?

Käßmann: Wenn ich die Wahl hätte, würde ich sehr gerne in einem Hospiz sterben, weil ich weiß, dass die Mitarbeitenden dort es gewohnt sind, auch Geduld mit dem Tod zu haben und dem Sterben seinen Raum und seine Zeit zu lassen. Im Arbeitsbetrieb eines Krankenhauses ist das häufig gar nicht möglich, und zu Hause ist es für die Angehörigen doch meist sehr schwer – es ist körperlich oft ungeheuer anstrengend, immer da zu sein. In Ruhe und in Frieden in einem Hospiz gehen zu können – das fände ich schön.

Möchten Sie den Tod bewusst erleben oder lieber im Schlaf sterben?

Käßmann: Wenn ich das Leben in Ruhe aushauchen kann, dann möchte ich das gerne auch bei Bewusstsein tun. Ich habe das als Pfarrerin mal bei einer alten Dame erlebt, die ihr Leben ganz einfach aushauchte - das war ein sehr friedvoller und schöner Übergang.

Und wie möchten Sie auf keinen Fall sterben?

Käßmann: Ich möchte nicht gerne im Entsetzen eines Autounfalls oder in einer Schrecksekunde sterben. Viele sagen ja: Am liebsten ein Knall und dann tot. Ich fände es aber schöner, wenn ich Abschied nehmen könnte.

"Ich bin auch gehalten im Sterben und über das Sterben hinaus"

Für Sie als gläubigen Menschen ist der Tod ja nicht das Ende.

Käßmann: Er ist für mich auf jeden Fall kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt. Ich bin davon überzeugt, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Die Bibel sagt übrigens gar nicht so viel darüber, was das ist, aber sie sagt: Da werden alle Tränen abgewischt sein und Not, Leid, Geschrei werden ein Ende haben. Das ist die Auferstehungshoffnung, mit der ich lebe. 

Können Sie auch die Ansicht verstehen, dass mit dem Tod alles vorbei ist?

###mehr-personen###Käßmann: Das kann ich nachvollziehen, weil ich auch Menschen kenne, die so leben. Es ist aber für mich als Christin schlicht anders, denn ich habe dieses Lebensgefühl, von Gott gehalten zu sein – und bin davon überzeugt, ich bin auch gehalten im Sterben und über das Sterben hinaus. 

Im Rahmen der Themenwoche wird es auch eine Kabarettsendung mit Dieter Nuhr geben. Darf man über den Sensenmann lachen?

Käßmann: Aber ja, ich finde schon, dass wir über den Tod lachen dürfen. Gerade wenn wir Scherze über etwas machen oder ironisch damit umgehen, geben wir ihm ja auch einen Namen. Viel schlimmer ist das Verschweigen und das Tabuisieren, weil das die Angst nur verstärkt. 

Kennen Sie denn einen guten Witz über den Tod?

Käßmann: Im Moment fällt mir leider keiner ein, aber eine wirklich lustige Grabinschrift kann ich Ihnen nennen: "Hier liegen meine Gebeine. Ich wünschte, es wären deine."