Der Melitta-Mann war sicher neidisch auf seinen Kollegen aus der Bierwerbung. Jahrelang durfte dieser mit seiner sonoren Stimmen den Zuschauern vor dem sonntäglichen "Tatort" in der ARD ein südwestfälisches Bier als "Perle der Natur" schmackhaft machen. Und das dermaßen laut, dass so mancher Fernseher mitvibrierte.
Ein Krieg um die Lautstärke
Seit Jahren wird in den Sendern ein Krieg geführt, den die Experten "Loudness War" nennen, ein Krieg um die Lautstärke. Jedes Programm, jeder Werbekunde will um jeden Preis wahrgenommen werden. So hat sich über die Jahre die Lautstärke im Radio, beim Fernsehen und auch in der Musikproduktion häufig bis zur Schmerzgrenze hochgeschraubt. Bis jetzt.
Denn zum Start der Internationalen Funkausstellung in Berlin an diesem Freitag wird damit zumindest im Fernsehen Schluss sein. Öffentlich-rechtliche und private Sender, Werbeagenturen und Vermarkter haben sich auf eine "Lautheitsnormierung" geeinigt.
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Bislang richteten sich Sender und Produzenten bei der Tonmischung von Filmen und TV-Spots nach einem bestimmten Spitzenpegel, der nicht überschritten werden durfte. Was bis zu diesem Wert passierte, spielte keine Rolle. Das Material konnte laute und leise Stellen haben oder ein einziger Krach sein - Hauptsache, der Pegel blieb unter dem Spitzenwert.
Ein zentrales Gerät, besonders bei der Werbung, ist der Kompressor. Mit ihm lassen sich Tonsignale zusammenstauchen, wodurch die Dynamik, der Unterschied zwischen laut und leise, geringer wird. Das zusammengestauchte Signal wirkt dadurch präsenter und vor allem lauter. Obwohl auch die Werbung den Spitzenpegel einhält, wirkt ein stark komprimierter Spot so viel lauter als etwa ein einzelner Knall in einem Thriller.
Neue europäische Richtlinie
Um mit diesem Missverhältnis aufzuräumen, verabschiedete die Europäische Rundfunkunion (EBU), ein Zusammenschluss von 74 europäischen Rundfunkanstalten, im Jahr 2010 eine neue Richtlinie. Diese sieht vor, dass künftig bei Tonmischungen im Fernsehen nicht mehr der absolute Spitzenpegel in Dezibel entscheidend ist, sondern ein durchschnittlicher Lautheitswert, der in Loudness Units (LU) gemessen wird. Dadurch sollen die Programme wieder dynamischer werden und eine einheitliche Lautstärke erhalten.
Für Tonstudios und Werbeunternehmen bedeutete diese Umstellung in den vergangenen Monaten einen erheblichen Aufwand. Sie mussten nicht nur neue Messgeräte anschaffen, sondern auf Empfehlung der Fernsehsender von vielen Spots auch zwei Versionen produzieren. Denn wer ab September weiterhin nur stark komprimierte Werbebeiträge nach altem Schema abliefert, verliert. Die Stücke müssten dann gemäß der neuen Richtlinie nachbearbeitet werden und können so ihre Wirkung nicht mehr entfalten. In diesem Fall gebe man eine Rückmeldung an die Produzenten und bitte um Austausch, schreiben die Sender in ihrer Empfehlung.
Im Radio ist es immer laut
Das Fernsehen geht mit gutem Beispiel voran, doch im Radio dudeln vor allem die Popwellen weiterhin sehr laut vor sich hin. Allerdings sind die Lautheitssprünge geringer als im Fernsehen. Nicht zuletzt wegen des hohen Anteils an stark komprimierter Musik ist es einfach immer laut. Daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern.
Denn mit der hohen Lautstärke versuchten die Radiosender vor allem ihre Reichweite über UKW zu erhöhen, sagt Susanne Rath vom Institut für Rundfunktechnik in München. Würde man die neue Richtlinie für das Fernsehen beim Radio anwenden, wäre das Resultat ein leiseres Programm mit einem geringeren Pegel. "Für das UKW-Radio würde das eine Reichweiteneinbuße bedeuten, die für Betreiber problematisch sein könnte", sagt Rath. Besonders die privaten Radioprogramme dürften daran kein Interesse haben.