epd-bild/Rolf Zöllner
Bsirske wirft Diakonie "Etikettenschwindel" vor
An diesem Dienstag urteilt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt über das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat mehrfach Streiks in der Diakonie organisiert. Mehrere diakonische Einrichtungen klagten gegen die Streikaufrufe und waren in der ersten Instanz teilweise erfolgreich. Landesarbeitsgerichte wiesen die Klagen ab. Daraufhin zogen evangelische Kirche und Diakonie vor das Bundesarbeitsgericht. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske glaubt, dass das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen nicht länger haltbar ist.

Herr Bsirske, was erwarten Sie von dem Urteil?

Frank Bsirske: Das grundgesetzlich verbriefte Recht zum Streik gilt nach unserer Auffassung auch in kirchlichen Einrichtungen. Nur so können die Arbeitnehmer auf Augenhöhe verhandeln. Die Betroffenen kommen ja auf uns zu und bitten uns um Unterstützung!

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Wir fordern angemessene Entgelte und Arbeitsbedingungen in den Unternehmen der Diakonie. Immer mehr Diakonie-Beschäftigte begreifen, dass ihnen im kirchlichen Arbeitsrecht demokratische Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten vorenthalten werden. Und sie erleben, dass die Arbeitgeber sogar einseitig Absenkungen diktieren - wie zuletzt in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Das wollen viele nicht mehr hinnehmen.

Ver.di erklärt, das Selbstordnungsrecht der Kirchen nicht angreifen zu wollen. Andererseits wollen Sie das Tarifrecht durchsetzen. Das wäre das Ende des kirchlichen Sonderwegs. Wie passt das zusammen?

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Bsirske: Es ist richtig, dass wir das normale Tarifrecht in kirchlichen Einrichtungen anstreben. Das ist nichts Neues. Neu ist allerdings, dass das Sonderarbeitsrecht der Kirchen in der Öffentlichkeit an Ansehen verloren hat. Auch innerhalb der evangelischen Kirche sinkt die Zustimmung, das kirchliche Arbeitsrecht wird von innen heraus infrage gestellt. Abgesehen davon schließen einige diakonische Träger schon normale Tarifverträge ab.

Man kann nicht der Ökonomie dienen und gleichzeitig dem christlichen Leitbild folgen. Hier bedarf es eines Ausgleichs, um den Druck auf die Arbeitnehmer zu mildern. Das funktioniert nur über Tarifverträge, die Mindestbedingungen fixieren, zwingend und unmittelbar gelten. Das Tarifrecht ist - im Gegensatz zu den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien - vor Gericht durchsetzbar. Tariflich gesicherte Arbeitsbedingungen kollidieren nicht mit dem Selbstordnungsrecht der Kirchen: Im Gegenteil, sie führen zu mehr Gerechtigkeit im Sinne der christlichen Botschaft. Was will die Kirche mehr?

Bei Diakonie und Caritas ist die Tarifbindung höher als in der Sozialbranche. Ist das nicht ein Argument, auf die Kirchen zuzugehen, statt ihr Arbeitsrecht zu bekämpfen?

Bsirske: Die Diakonie betreibt Etikettenschwindel, wenn sie von einer hohen Tarifbindung spricht, tatsächlich aber den Flickenteppich willkürlicher kirchlicher Regelungen meint. Echte Tarifbindung gibt es nur auf Grundlage des Tarifvertragsgesetzes, der Koalitionsfreiheit und des Streikrechts. Die kirchenrechtlichen Regelungen erlauben hingegen eine Vielzahl von beliebigen Arbeitsvertragsrichtlinien. Zusammengenommen ist dies das Gegenteil von tariflicher Bindung.

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Wir brauchen zukunftsfähige Lösungen, die wir den Kirchen und ihren Verbänden auch schon angeboten haben: einen echten "Flächentarifvertrag soziale Dienste". Wenn dieser für allgemeinverbindlich erklärt würde, hätten wir eine hundertprozentige Tarifbindung in der Sozialbranche.