Schon beim ersten Prozess gegen den 53-Jährigen wollte die junge Studentin Antworten. Aber Jörg K. "war nicht bereit zu einem persönlichen Gespräch, er schwieg, erschien dann gar nicht mehr vor Gericht."
###mehr-artikel### Im Februar 2011 wurde der ehemalige Unternehmer wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der angeklagte Jörg K. schweigt auch zu Beginn des zweiten Prozesses am Mittwoch. Wegen eines Verfahrensfehlers steht der stämmige Mann mit dem rötlichen Vollbart ein zweites Mal vor dem Stuttgarter Landgericht und lässt seine drei Verteidiger reden.
"Unser aller Mitgefühl ist bei denjenigen, die Angehörige verloren haben", sagt Verteidigerin Elisabeth Unger-Schnell. Jörg K. habe keine Hoffnung, dass die Angehörigen ihm vergeben werden, aber er bitte die Angehörigen, zwischen der Tat seines Sohnes und ihm zu trennen.
"Medien sezieren das Leben der Familie von Jörg K.
Ihr Kollege, Verteidiger Hans Steffan, spricht von den Suizidgedanken und den Morddrohungen, die Jörg K. seit der Tat vom 11. März 2009 erhalten habe. Davon "wie Medien das Leben der Familie sezierten", und er nicht in der Lage gewesen sei, mit den Hinterbliebenen zu reden. Ständig beschäftige ihn die Frage, "was hat seinen Sohn zum Mörder werden lassen?"
Die Verteidigung ist überzeugt: Der Vater konnte die Tat seines Sohnes Tim nicht vorhersehen. Selbst Ärzte und Therapeuten der psychiatrischen Klinik in Weinsberg hätten bei Tim K. eine Eigen- oder Fremdgefährdung ausgeschlossen. Der Vater habe nicht mehr erkennen können als die Experten. Deshalb will die Verteidigung, dass der angeklagte Vater nur wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt wird.
Das sieht die Anklage anders: Der ehemalige Unternehmer hätte die Tat seines Sohnes voraussehen müssen. Obwohl Tim K. eine besondere Affinität zu Waffen hatte und von seinem Vater das Schießen lernte, habe Jörg K. seine Waffen und Munition unverschlossen gelassen, argumentiert die Staatsanwaltschaft.
"Dieses Verfahren reißt Wunden auf und verzögert Heilungsprozesse"
Der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski liest das Urteil des letzten Prozesses vor. Die Augen vieler der mehr als 15 Nebenkläger werden nass, als sie im Detail erfahren, wie ihre Kinder beim Amoklauf getötet wurden. Die Erinnerung an das Geschehen belastet sie offensichtlich.
###mehr-links### "Dieses Verfahren reißt Wunden auf und verzögert Heilungsprozesse", sagt Polachowski. Im neuen Verfahren werde man sich nicht auf die Tat konzentrieren, sondern auf die Person des Amokläufers. Außerdem müsse geklärt werden, was der Angeklagte nach der psychologischen Behandlung seines Sohnes wissen konnte und ob er die Tat voraussehen konnte. Wenn der Vater mit den Opfern in "einen Kommunikationsprozess eintrete, dann könne das auch von dem Gericht gewürdigt werden", betont Richter Polachowski.
Der Vater einer getöteten Tochter meldet sich zu Wort. "Nach allem, was passiert ist, will ich nicht mehr mit dem Angeklagten sprechen. Die Tür ist zu." Für den Prozess sind bisher 15 Verhandlungstage anberaumt. Die Verhandlung wird am 19. November fortgesetzt.
Der 17-jährige Tim K. hatte mit der Waffe und Munition seines Vaters am 11. März 2009 in seiner ehemaligen Schule in Winnenden bei Stuttgart neun Schülerinnen und Schüler sowie drei Lehrerinnen erschossen. Auf der Flucht tötete er drei weitere Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm.