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"Organspende-Regeln ohne Wenn und Aber kontrollieren"
Drei Fragen an den Medizinethiker Eckhard Nagel
Nach Betrugsfällen bei der Organspende suchen die beteiligten Institutionen und die Politik nach Wegen, wie sie in der Bevölkerung Vetrauen zurückgewinnen können. Der Medizinethiker Eckhard Nagel fordert im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) mehr Sanktionsmöglichkeiten.
27.08.2012
epd
Corinna Buschow

Herr Nagel, ist das Verteilungssystem bei der Organspende gerecht?

Eckhard Nagel: Die ganz grundsätzliche Frage ist: Wie gehen wir mit Mangel um? Seit Jahrzehnten wird weltweit nach Konzepten gesucht, wie Organe gerecht zugeteilt werden können. Die Mechanismen, die wir entwickelt haben, sind klar: Definiert wurden Parameter, anhand derer man eindeutig nachvollziehen kann, wer ein Organ erhalten soll.

Über diese Parameter kann man dennoch diskutieren. So gibt es beispielsweise eine Diskrepanz zwischen der Dringlichkeit, bedingt durch den Schweregrad der Erkrankung, und dem im Transplantationsgesetz formulierten anzustrebenden langfristigen Erfolg, also dem Nutzen einer Transplantation. Daraus kann sich natürlich ein Widerspruch ergeben: Je kränker ein Patient ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich langfristig erholt. Dieses Spannungsverhältnis durch eine abstrakte mathematische Formel aufzulösen, ist so gut wie unmöglich.

"Transplantationszentrum muss im Verdachtsfall geschlossen werden"

Was erwarten Sie von dem Spitzentreffen am Montag? Was muss verändert werden, um wieder Vertrauen herzustellen?

Nagel: Ich erwarte die klare Handlungsanweisung an alle beteiligten Institutionen, innerhalb einer Frist Vorschläge zu unterbreiten, wie Strukturen und Prozesse verbessert werden können. Dabei geht es im Wesentlichen darum, wie die Einhaltung der verabredeten Regeln ohne Wenn und Aber kontrolliert werden kann. Zudem gibt es die Frage nach Sanktionen: Die Prüfungs- und Überwachungskommissionen haben heute keine Sanktionsmöglichkeit. Letztlich übergeben sie Verdachtsfälle der Staatsanwaltschaft. Das mag prinzipiell richtig sein, aber es kostet viel Zeit, in der schon gehandelt werden sollte. Meine Empfehlung ist deshalb, dass die Kommission autorisiert wird, ein Transplantationszentrum im Verdachtsfall vorübergehend zu schließen.

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Außerdem müssen wir beim Verständlichmachen des Systems nachbessern. Ich bin aufgrund meiner Innenansicht davon ausgegangen, dass das Zuteilungswesen für jeden nachvollziehbar ist. Nun muss ich aber feststellen, dass die Kommunikation für die breite Öffentlichkeit nicht ausreichend war und Fragen nicht allgemeinverständlich beantwortet wurden.

"Meine Entscheidung ist wichtig für schwer kranke Menschen"

epd: Was vermuten Sie: Werden die Organspende-Zahlen nach der Diskussion um Betrug sinken?

Nagel: Ich glaube, dass das Gesetz zur Entscheidungslösung, das im November in Kraft tritt, verhalten starten wird und nicht mit der Euphorie, die man im Frühsommer noch hätte erwarten dürfen. Denn ich fürchte, dass der entstandene Vertrauensverlust dazu führt, dass sich zunächst weniger Menschen als erwartet bereit erklären, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und einen Spenderausweis auszufüllen.

Bis die umfassende Aufklärung, die das Gesetz vorsieht, greift, setze ich meiner Sorge die unerschütterliche Hoffnung entgegen, dass Menschen prinzipiell anderen Menschen in Not helfen wollen. Wenn es gelingt, umfassend zu informieren, bin ich überzeugt davon, dass unsere Mitbürger versuchen werden, die Transplantationsmedizin zu verstehen und am Ende sagen: Ich weiß, wie wichtig meine Entscheidung für viele schwer kranke Menschen in diesem Land ist.