"Wer hat alles gemacht, die Blumen, die Sonne, den Regen?" Fadime Ilhan sitzt auf einem niedrigen Stuhl, umringt von Kindern, die malen und basteln. Das Frühlingserwachen der Natur ist das Thema des "Erzählkreises" in der Kindertagesstätte der protestantischen Apostelkirchengemeinde in Ludwigshafen. "Allah - Gott hat das alles gemacht", gibt sie Antwort.
Gemeinsam mit Pfarrer Stefan Bauer ist die 26-jährige Erzieherin für die religionspädagogische Arbeit in der zweigruppigen Kindertagesstätte verantwortlich. Und die ist im Ludwigshafener Problembezirk Hemshof nur "dialogisch" möglich, erläutert Bauer. Während der Pfarrer den Kindern die christliche Religion nahebringt, ist Fadime Ilhan für den muslimischen Part verantwortlich.
Dass eine Muslimin in einem protestantischen Kindergarten arbeitet, ist eine Ausnahme. Gemeinhin ist die Mitgliedschaft in einer Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehört, die Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis. Eine Einstellung von nicht protestantischen Erzieherinnen sei in Ausnahmefällen möglich und auch sinnvoll, sagte der pfälzische Oberkirchenrat Manfred Sutter. Dies sei der Fall, wenn der Anteil muslimischer Kinder in einer Kindertagesstätte sehr groß sei oder sprachlicher Förderbedarf bestehe.
Nur zehn Kindergartenkinder sind christlich getauft
Längst schicken vor allem muslimische Familien ihre Kinder in die protestantische Einrichtung, mehr als 80 Prozent der Kinder in dem sozialen Brennpunkt sind Muslime. Nur zehn von Pfarrer Bauers Kindergartenkindern sind christlich getauft - 40 Kinder sind muslimischen Glaubens. Zwei Drittel der 17.000 Stadtteilbewohner sind Migranten, nur 15 Prozent der Einwohner sind protestantisch.
Die Kirche als Trägerin der Kindertagesstätte müsse auf die besondere Situation in dem kinderreichsten und zugleich ärmsten Stadtteil reagieren, sagt Bauer. Eine nur auf die protestantische Kerngemeinde bezogene Arbeit sei in dem Stadtteil nicht mehr möglich. "Wir müssen schauen, welche Menschen hier leben und sie ansprechen." Dabei sei die Kindergartenarbeit für die Kirche eine wichtige Nahtstelle zur muslimischen Mehrheitsbevölkerung.
"Muslimische Eltern schätzen protestantische Kindergärten", sagt Fadime Ilhan, die sich bewusst für die Arbeit in einem christlichen Kindergarten entschieden hat. Wie für sie selbst, sei auch für viele muslimische Eltern sehr wichtig, dass ihren Kindern Glaubensinhalte und Werte vermittelt würden. Als Erzieherin will die gebürtige Ludwigshafenerin eine Ansprechpartnerin und Vermittlerin für christliche und muslimische Kinder sein. Beide Religionen müssten sich "auf Augenhöhe" begegnen können.
Die Religionen dürfen nicht vermischt werden
Nur wer den anderen kenne, könne mit ihm in Frieden und guter Nachbarschaft zusammenleben, ist die Ilhan überzeugt. Die Muslimin absolvierte in Ludwigshafen die Realschule, machte ihr Anerkennungspraktikum als Erzieherin in einer Grundschule. In der Tagesstätte der Apostelkirchengemeinde arbeitete sie bis zur Geburt ihrer heute vierjährigen Tochter und stieg danach wieder in den Beruf ein. Missionierung - ob in die christliche oder in die muslimische Richtung - sei nicht das Ziel von religiöser Erziehung, betont sie. Auch dürften die unterschiedlichen Religionen nicht vermischt werden.
Vielmehr müssten christliche und muslimische Kinder das besondere "Profil" ihrer Religion kennenlernen, sagt sie. Falsch sei es, aus einem Gefühl der Überlegenheit heraus auf die andere herabzuschauen. Sie weiß, wovon sie spricht, denn als muslimische Erzieherin ist sie auch Kritik ausgesetzt: Manche Eltern von deutschen Kindern zeigten Berührungsängste, manche muslimische Eltern fragten: "Warum arbeitest Du in einem christlichen Kindergarten?"
Fadime Ilhan bleibt in solchen Momenten gelassen: "Ich gebe meinen Glauben nicht an der Tür zum Kindergarten ab", sagt sie. Sie vertrete ihren eigenen Glauben und ermuntere die Kinder, offen gegenüber anderen Religionen und Kulturen zu sein. Als gläubige Muslima, die sich erfolgreich in die deutsche Mehrheitsgesellschaft integriert habe, könne sie auch ein Vorbild für junge Muslime sein, ist sie überzeugt. "Das Miteinander der Religionen und Kulturen kann klappen", sagt sie. "Gott und Allah sind eins."