Die Überraschung ist ihr noch ins Gesicht geschrieben. Katrin Göring-Eckardt ist von der Basis der Grünen neben Jürgen Trittin ins Spitzenduo der Partei für den Bundestagswahlkampf gewählt worden. "Für den Wechsel" steht am Samstag hinter ihr auf der Wand bei der Präsentation der Kandidaten.
Was eigentlich als Slogan für den Wahlkampf gedacht ist, wird durch sie doppeldeutig. Dass ausgerechnet eine profilierte Protestantin für die Wahlkampf-Spitze der Grünen auserkoren wird, war nicht erwartet worden. Alle rechneten mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen der Partei-Urgesteine Renate Künast und Claudia Roth für Platz zwei im Spitzenteam.
Protestanten scheinen beliebt zu sein
Noch vor kurzem erzählte Göring-Eckardt in Berlin schmunzelnd von einem der Urwahl-Foren, bei denen sich die Kandidaten fürs Spitzenteam den Fragen der Parteibasis stellten. Sie sei die einzige gewesen, die bekannte, an Gott zu glauben, erzählte sie. Nun stimmten fast die Hälfte (47,3 Prozent) der Urwahl-Teilnehmer für die 46-Jährige aus Thüringen, die bedeutende Ämter in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bekleidet.
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Neben Jürgen Trittin vom linken Flügel der Partei gilt sie als Realpolitikerin, die auch im bürgerlichen Lager Stimmen einsammeln kann. Ihre versöhnliche Art hat sie in diesem Frühjahr sogar ins Gespräch gebracht, als nach dem Rücktritt Christian Wulffs ein Kandidat für das Bundespräsidentenamt gesucht wurde. Erwählt wurde Joachim Gauck - ebenfalls evangelischer Theologe.
Damals auch im Rennen war der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber. Auch im Bundestagswahlkampf sind die Protestanten nun unverhältnismäßig gut repräsentiert: Neben Bundeskanzlerin und Pfarrerstochter Angela Merkel (CDU) gehört auch der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zur evangelischen Kirche.
Kirchen-Posten ruhen im Wahlkampf
Göring-Eckardt studierte in der DDR evangelische Theologie. In der Zeit des politischen Umbruchs begann ihr politisches Engagement. Sie war Gründungsmitglied von "Demokratie jetzt" und "Bündnis 90". Seit 1998 sitzt sie im Bundestag, seit 2005 ist sie Bundestagsvizepräsidentin.
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Nebenher übernahm sie kirchliche Ämter: Den evangelischen Kirchentag 2010 in Dresden verantwortete sie als Präsidentin. Seit 2009 ist sie Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland. In diesem Amt leitete sie erst Anfang der Woche die Tagung des Kirchenparlaments im Ostseebad Timmendorfer Strand.
Den Posten wird sie nun bis zur Bundestagswahl ruhen lassen, so war es auch vorher mit dem Präsidium des Kirchenparlaments abgesprochen. Anders beurteilt sie ihr Amt als Bundestagsvizepräsidentin, das ebenfalls Neutralität verlangt. "Das traue ich mir zu", wies sie zunächst die Forderung nach einem Rücktritt von diesem Amt zurück.
Kein Beat bleibt heute ungetanzt
Göring-Eckardt, die als Fraktionsvorsitzende zur Zeit der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) die Sozialkürzungen im Zuge der Agenda 2010 verteidigen musste, wirbt heute für mehr soziale Gerechtigkeit. Als Kandidatin trete sie für mehr Zusammenhalt, eine "bessere Gesellschaft" ein, betont sie am Samstag immer wieder. Von Menschen, die Transferleistungen erhalten, könne die Gesellschaft viel lernen, sagt sie.
Bei ihrem ersten Auftritt zählt sie kurz auf, womit sie in den kommenden neun Monaten Wähler gewinnen will: Migranten einbeziehen, Flüchtlinge menschlich behandeln und für Generationengerechtigkeit sorgen. Damit liegt sie nah an den Positionen der evangelischen Kirche. Aber auch die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben will sie voranbringen. Sie sollten gemeinsam Kinder adoptieren dürfen, betont Göring-Eckardt. Bisher dürfen homosexuelle Paare das nicht.
Nicht zuletzt will die mit einem Pfarrer verheiratete Mutter von zwei Söhnen nach eigenem Bekunden aber auch Spaß am Wahlkampf haben. "Das Beste kommt erst noch", twitterte sie Samstag nach Bekanntwerden des Urwahl-Ergebnisses. Vor Journalisten versprach sie kurz darauf: Am Ende werde "kein Beat ungetanzt" sein.