Foto: epd-bild/Ralf Maro
Einige Banken haben sich aus dem Spekulationsgeschäft mit Nahrungsmitteln zurückgezogen. "Für die Leute ist es relevanter geworden, wo ihr Geld angelegt wird", meint Roman Herre von der Menschenrechtsorganisaton Fian dazu.
"Für die Leute ist es wichtig, wie ihre Bank mit Moral umgeht"
Die Commerzbank ist bereits die dritte Bank, die ihre Wetten auf Grundnahrungsmittel beendet. Aber wie genau hängen Spekulationsgeschäfte und Hungersnöte zusammen? Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation Fian erklärt, warum Spekulationsgeschäfte das Menschenrecht auf Nahrung verletzen.
10.08.2012
Franziska Fink

Was bedeutet es, wenn eine Bank ankündigt aus dem Spekulationsgeschäft mit Nahrungsmitteln auszusteigen und geht das überhaupt so einfach?

Roman Herre: Ich weiß nicht genau, welche ökonomischen, rechtlichen Verbindlichkeiten dahinter stehen und diese Geschäfte werden sich auch nicht auf einmal in Luft auflösen, das ist sicherlich schwierig. Aber es ist natürlich löblich und wir sehen das als Menschenrechtsorganisation auch positiv, wenn es solche klaren Ankündigungen wie von der Commerzbank gibt.

Aber diese Ankündigungen müssen aus unserer Sicht auch noch überprüft werden. Und da sehen wir zum Beispiel auch den Staat in der Pflicht, gerade wenn es um die Verletzung des Rechts auf Nahrung geht. Da muss der Staat die deutschen Akteure stärker kontrollieren und überprüfen, was er bis heute eigentlich nicht gemacht hat.

"Spekulanten und Finanzjongleure dominieren den Markt"

Was ist denn so problematisch am weltweiten Spekulationsgeschäft mit Nahrungsmitteln?

Herre: Die Experten unterscheiden zwischen Spekulation und exzessiver Spekulation. Das bedeutet, ein bisschen Spekulation ist oftmals gut, um den Markt bei Agrarrohstoffen dynamisch und flüssig zu halten. So erklären das zumindest die Ökonomen. Das Problem ist aber, dass die Spekulationen auf Nahrungsmittel durch Deregulierung, durch die Rücknahme von Gesetzen, von Kontrollen absolut Überhand genommen haben. Gerade in den Jahren 2008 und 2009 als die Immobilienblase geplatzt ist, hat die Finanzwelt nach neuen lukrativen Investitionsmöglichkeiten gesucht.

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Interessant dabei ist das sogenannte Phänomen der Finanzialisierung: Früher haben die Agrarmärkte so reagiert, dass es eine direkte Korrelation zwischen Missernten oder einem Überangebot und den Preisen gegeben hat. Heute ist es so, dass die Finanzakteure und ihre Finanzlogik diese Märkte bestimmen und nicht die Fundamentaldaten wie beispielsweise schlechte Ernten, zu viele Regen oder hohe Nachfrage.

Durch die Finanziailisierung funktionieren die Märkte also nicht mehr so wie sie eigentlich sollten, sondern werden dominiert durch Spekulanten, durch Finanzjongleure, die versuchen schnell Rendite zu erwirtschaften.

Was sind die Folgen von exzessiven Spekulationen für die Menschen vor Ort, für das Alltagsleben von Kleinbauern?

Herre: In vielen Fällen ist direkt das Recht auf Nahrung verletzt. Wenn man sich vorstellt, dass etwa in vielen Ländern Afrikas oder Südost-Asiens die Menschen 60-80 Prozent ihres Geldes, was ihnen zur Verfügung steht, für Nahrungsmittel ausgeben und dann kurzfristig die Nahrungsmittelpreise explodieren. Dadurch sind diese Menschen mit einem Mal von heute auf Morgen nicht mehr in der Lage, sich ausreichend zu ernähren. Der Zusammenhang mit den Finanzspekulationen zeigt, dass diese Akteure dazu beitragen, dass die Menschenrechte, dass das Recht auf Nahrung verletzt wird.

"Kleinbauern profitieren nicht von höheren Preisen"

Auf der anderen Seite gibt es immer das Argument, wenn Preise in die Höhe gehen, könnten Kleinbauern davon profitieren. Wir wissen aber, dass die ganzen Gewinne, die durch höhere Preise erwirtschaftet worden sind, fast alle nicht bis zu den Kleinbauern durchdringen, auch weil wiederum parallel die Preise für Saatgut, für Düngemittel etc. stark steigen. Und außerdem muss man berücksichtigen, dass die Kleinbauern auch noch Konsumenten und nicht nur Produzenten sind und so müssen sie natürlich auch die höheren Kosten für die Nahrungsmittel zahlen.

Die Commerzbank ist nach der Fondsgesellschaft der Sparkassen Dekabank und der Landesbank Baden-Württemberg die dritte Bank, die angekündigt hat, sich künftig aus den Spekulationsgeschäften mit Agrarrohstoffen zurückzuziehen. Warum gehen die Banken jetzt auf einmal diesen Schritt? Was hat dazu geführt?

Herre: Ich kann zwar nicht in die Köpfe der Entscheidungsträger schauen, aber es gibt natürlich Ideen, warum das gerade jetzt passiert. Zum einen ist mittlerweile doch die Öffentlichkeit etwas wachgerüttelt, das heißt für die Leute ist es relevanter geworden, wo ihr Geld angelegt wird, wie ihre Bank mit Menschenrechten, mit Moral umgeht.

###mehr-links###Zum anderen glaube ich, dass es für einige Banken leichter ist auszusteigen, weil sie bis dato auch noch nicht so viel in das Geschäft investiert haben. Gerade die Allianz und die Deutsche Bank, sind ganz massiv in diesem Bereich aktiv und für die wäre es aus ökonomischer Sicht besonders schwierig auszusteigen, weil sie eben so massiv, auch global gesehen, wichtige Akteure in diesem Nahrungsmittel-Spekulationsbereich sind. Von daher war es möglicherweise für die Commerzbank einfacher diesen Schritt aus diesem Spekulationsgeschäft herauszugehen, wobei ich diesen Schritt auch nicht schmälern möchte. 

Gerade wenn so eine große Bank wie die Commerzbank sich aus dem Spekulationsgeschäft mit Nahrungsmitteln zurückzieht, gibt das dann Hoffnung, dass auch andere Banken nachziehen werden?

Herre: Natürlich gibt es auch die Hoffnung. Vielleicht ändert sich bei den großen Akteuren, die ich gerade genannt habe, auch was und die Einsicht kommt, dass ihre Aktivitäten wirklich fatale Folgen haben.

Trotzdem möchte ich betonen, dass es nicht darum gehen kann, dass man darauf hoffen muss, dass große Akteure wie die Deutsche Bank moralische Einsicht zeigen. Es geht vielmehr darum, dass natürlich auch die Staaten, die Bundesregierung, die EU, der Internationale Währungsfonds die Finanzwelt soweit regulieren, dass diese nicht dazu beitragen kann, dass das Menschenrecht auf Nahrung verletzt wird.

Das heißt also dieses freiwillige Zurückziehen auf der einen Seite ist natürlich löblich, auf der anderen Seite gibt es verbindliches Völkerrecht, durch dass die Nationen, also auch die Bundesregierung, gebunden sind, wirklich klare Regulierungen durchzusetzen.