Foto: Franca Leyendecker
Die ganze Stadt zu Füßen: Blick aus der 46. Etage des Commerzbank Towers in Frankfurt.
Arbeiten über den Wolken: Besuch im höchsten Gebäude Deutschlands
Der Commerzbank Tower ist höher als die Deutsche Bank, höher als die EZB, höher als jedes Hochhaus in Deutschland. Schwer vorstellbar, dass die Angestellten etwas anderes tun, als den ganzen Tag aus dem Fenster zu schauen.
24.08.2012
evangelisch.de

Das größte Gebäude Deutschlands zu finden, sollte eigentlich nicht so schwer sein. Aber wenn man sich dem Commerzbank Tower nähert, verschwindet es zwischen den anderen Gebäuden. Dann steht man direkt davor und findet doch den Eingang nicht. Ist es hier? Oder doch um die Ecke? Ah, da schwebt das Logo im Glas.

Commerzbank Tower (links). Foto: Franca Leyendecker

Also raus aus dem Gewimmel der Innenstadt, rein in die kühle Glaswelt der Bankenzentrale. Nach dem Durchqueren der Sicherheitsschleuse saust man mit einem der 30 Aufzüge in das 46. Stockwerk. Wer Glück hat, erwischt einen der Glasaufzüge an der Außenseite des Gebäudes. Und wenn man noch mehr Glück hat, drückt gerade keiner in einem anderen Stockwerk auf den Aufzugknopf, und man fährt in einem Rutsch nach oben.

###mehr-artikel###

Dann knackt es in den Ohren und draußen rauschen die Hochhäuser Frankfurts vorbei. Spiegelnde Glasfassaden, die Menschen hinter den Fenstern kann man sich nur vorstellen. Die Fahrt dauert viel zu kurz – obwohl es ein irres Gefühl ist, mit so einem Affenzahn Richtung Himmel zu fliegen, wünscht man sich fast, es möge ein wenig langsamer gehen, damit man besser gucken kann. Innerhalb von Sekunden schrumpft alles auf Spielzeugformat zusammen – die sich schlängelnden Gleise des Hauptbahnhofes, das Eurozeichen vor der Europäischen Zentralbank, die vielen Menschen, die bald nur noch kleine schwarze Punkte  sind.

Der Aufzug kommt sanft zum Halten. Der Magen fährt trotzdem noch ein Stückchen weiter. Vor der Glaswand im Flur des 46. Stockwerks steht merkwürdigerweise eine riesige Topfpflanze, aber wenn man sich an ihr vorbeidrückt, tut sich ein Panoramablick über Frankfurt auf. Der Main glitzert träge in der Sonne, der Kran auf dem Rohbau der neuen EZB streckt die Arme hoch wie ein um Hilfe schreiender Mann. Und neben dem stolzen Frankfurt Dom sind die berühmten Fachwerkhäuser des Römerbergs kaum auszumachen.

Reste einer vergangenen Ära: Die Baustelle auf dem Degussa-Gelände. Foto: Franca Leyendecker

Wo früher die Zentrale des einstigen Weltkonzerns Degussa war, klafft ein sandfarbenes Loch, von dem neuen Viertel "Maintor" ist in dieser Wüste noch nichts zu erkennen. Die hässlichen Stellen, die Baugruben, Kräne und Architektursünden fallen von oben mehr auf als erwartet. Der weite Blick bis zum Horizont interessiert nicht so sehr, vielmehr locken die Details am Boden.

In den Büros sind alle Wände aus Glas, vom Flur reicht der Blick bis hin zum Taunus, der sich in sanften Wellen am Horizont erhebt. Schwer vorstellbar, dass man hier überhaupt zum Arbeiten kommt, dass man etwas anderes macht, als den ganzen Tag in die Wolken zu starren, die Spielzeugautos in den Straßen zu zählen und das lautlose Gewusel am Boden zu beobachten.

###mehr-info###

Der britische Architekt Sir Norman Foster hat aber nicht nur ans Arbeiten gedacht, sondern auch ans Pausemachen. In neun "Turmgärten" nehmen die Angestellten der Commerzbank hemdsärmelig ihren Cappuccino zu sich. Zu jeder Himmelsrichtung gehört ein Garten mit den passenden Pflanzen – asiatisch im Osten, mediterran im Süden und nordamerikanisch im Westen. Im mediterranen Turmgarten plaudern die Menschen in kleinen Grüppchen zwischen Olivenbäumen, Rosmarin, Salbei und Lavendel und sehen zufrieden aus. Auch wenn sie nicht auf die Terrasse hinauskönnen. Mittlerweile ist die Sonne herausgekommen, doch die Tür muss zubleiben. Fenster kann man natürlich auch keine aufmachen. Und deswegen muss der hauseigene Gärtner alle Blüten von Hand bestäuben. Trotz echter Pflanzen und importierter Frischluft bleibt das Hochhaus eben doch ein unnatürlicher Lebensraum – aber ein wunderschöner Arbeitsplatz.