Das Drama über Aufstieg und Fall des amerikanischen Zeitungsmagnaten Charles Foster Kane führt seit Jahrzehnten diverse Bestenlisten an. Im neuen Ranking der renommierten britischen Filmzeitschrift "Sight & Sound" wurde es jetzt allerdings nach 50 Jahren an der Spitze von Hitchcocks "Vertigo" auf den zweiten Platz verdrängt. Der Kultursender Arte zeigt den Klassiker, den das Multitalent Orson Welles (1915 – 1985) im Alter von gerade mal 25 Jahren drehte, am 6.8. – aber nicht etwa wie sonst im Fernsehen üblich versteckt im Nachtprogramm, sondern zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr.
Das Sommerloch macht eben möglich, was sonst selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit Kulturauftrag eher selten ist: die Ausstrahlung eines bedeutenden und zeitlos schönen Filmkunstwerks zu einer vernünftigen Uhrzeit. Allzu oft nämlich laufen Fellini, Kubrick und Co. erst zu später Stunde, wenn der Großteil der Fernsehzuschauer längst im Bett liegt.
Was bedeutet "Rosebud"?
Auch mehr als 70 Jahre nach seiner Uraufführung am 1.Mai 1941 in New York geraten Fachleute ins Schwärmen, wenn sie von "Citizen Kane" sprechen. "Das ist ein ganz großer Wurf, ein zeitloses Meisterwerk. Er ist ungemein vielschichtig und hat einfach alles, was man sich auch heute viel öfter im Kino wünschen würde", preist David Kleingers vom Deutschen Filminstitut das Drama. Der Filmexperte schließt damit nahtlos an die Lobeshymnen von Regisseuren wie François Truffaut und Martin Scorsese oder von Rezensenten wie dem einflussreichen, amerikanischen Kritikerpapst Roger Ebert an.
"Orson Welles hat alle Erzählmöglichkeiten des damaligen Kinos ausgeschöpft, arbeitet zum Beispiel mit vielen kunstvollen Rückblenden, einer beeindruckend innovativen Bildsprache und verschiedenen Bedeutungsebenen. Dazu kommt die ungewöhnliche Hauptfigur, die sich nicht gerade zur Identifikation eignet", so Kleingers. Tatsächlich ist jener Charles Foster Kane, den Orson Welles selber sowohl als jungen wie auch als alten Mann spielt, alles andere als ein reiner Gutmensch und Sympathieträger.
Ausgehend von Kanes einsamem Tod in seinem Prunkschloss "Xanadu" wird in Rückblenden aus den unterschiedlichen Perspektiven von Personen, die den Pressezar und Politiker kannten, das Leben eines zuweilen skrupellosen und zutiefst einsamen Machtmenschen geschildert. Was es mit Kanes rätselhaftem letzten Wort "Rosebud" auf sich hat, dessen Bedeutung ein Reporter ergründen will, erfährt der Zuschauer am Ende des Films.
Vorbild für Kane: ein schwerreicher amerikanischer Pressezar
Doch bis es soweit ist, begibt sich der Journalist auf Recherchereise und forscht bei Freunden und Bekannten Kanes nach, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. In den Begegnungen wird das Leben des Medienmoguls aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln aufgefächert. Kane, der in jungen Jahren zum Erben eines großen Vermögens wurde, baute sich ein Medienimperium auf, gewann rasch an Einfluss und schreckte auch nicht davor zurück, Gegner und Rivalen skrupellos aus dem Weg zu räumen. Eine politische Karriere bleibt dem Aufsteiger jedoch verwehrt – sie scheitert an einer Affäre mit der Sängerin Susan Alexander (Dorothy Comingore), wegen der auch seine Ehe in die Brüche geht.
Kane heiratet Susan und will ihr dabei helfen, die weitgehend talentfreie Sängerin zu einem großen Opernstar zu machen, was sich als sinnloses Unterfangen erweist. Am Ende stirbt Kane, dessen Leben von Selbstherrlichkeit und einer daraus resultierenden Vereinsamung geprägt war, von aller Welt verlassen in seinem Prunkschloss.
Vorbild für die Hauptfigur war der schwerreiche amerikanische Pressezar William Randolph Hearst (1863 – 1951), der mit allen Mitteln versuchte, den Film bereits während der Produktion zu verhindern.
Skandalös: Keine Preise und ein kommerzieller Misserfolg
Nachdem "Citizen Kane"1941 angelaufen war, startete Hearst eine regelrechte Kampagne gegen den Regisseur, Mitautor und Hauptdarsteller Orson Welles und das Filmstudio RKO, das dem durch das Hörspiel "Krieg der Welten" berühmt gewordenen Wunderkind Welles sämtliche Freiheiten bei der Umsetzung des Films gewährte. "Deshalb kann 'Citizen Kane' auch als ein Prototyp des Autorenfilms angesehen werden", sagt David Kleingers vom Deutschen Filminstitut. Hearsts Feldzug trug unter anderem dazu bei, dass der Film zu einem kommerziellen Misserfolg wurde.
Doch auch wenn ihn die amerikanischen Kinozuschauer zunächst weniger mochten – bei den Kritikern war der Film von Anfang an ein Renner und brachte es auf neun Oscar-Nominierungen. Den begehrten Filmpreis erhielt das Werk dann aber nur für das beste Originaldrehbuch – dass er in den anderen Kategorien wie bester Film, beste Regie oder beste Kamera leer ausging, gilt bis heute als skandalöse Fehlentscheidung.