Foto: Canan Topçu
Shakil Ahmed und seine 16-jährige Tochter Maryam nach dem Iftar am vergangenen Samstag.
Gemeinsamer Ramadan: "Akzeptanz" ist das Zauberwort
Eine christlich-muslimische Familie feiert gemeinsam das Fastenbrechen
Fastenbrechen am Samstagabend: Familie Martinez-Ahmed in Offenbach hat Gäste eingeladen. Während des Ramadan nimmt die Katholikin Mercedes Martinez Rücksicht auf ihren muslimischen Mann - und bereitet das Iftar vor. Das Zusammenleben in der gemischt-religiösen Ehe funktioniert reibungslos. Und die drei Kinder entscheiden selbst, ob sie fasten oder nicht.

Curryhuhn mit Feige und Ananas, Basmatireis, Albondigas, Salpicon und Samosa, als Nachtisch dann Obstsalat, Käsekuchen und Zitronenverbene-Tee: Die Speisen an der Tafel von Familie Martinez-Ahmed in Offenbach sind international an diesem Samstagabend - wie auch die Gäste, die zum Fastenbrechen gekommen sind. Shakil Ahmed hat ein paar Freunde aus Frankfurt und Umgebung eingeladen - unter anderem einen jungen Deutsch-Syrer und ein deutsch-malaysisches Rentnerpaar. Er selbst stammt aus Pakistan und seine Frau Mercedes ist gebürtige Spanierin.

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Seit 28 Jahren ist das Paar verheiratet, hat drei Kinder und führt eine interreligiöse Ehe. Mercedes Martinez ist das geblieben, was sie war, als sie Anfang der 1980er Jahre einen Muslim kennenlernte: eine Christin. Die Tochter spanischer Arbeitsmigranten, die als Fünfjährige nach Deutschland kam, wuchs als Katholikin auf und war eine Zeit lang intensive Kirchgängerin. Ihr Mann ist Sohn pakistanischer Migranten, die 1971 vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland flüchteten und der, wie er selbst sagt, erst hier ein "richtiger Moslem" geworden ist, und zwar über konvertierte und sehr aufgeklärte Muslime. "Mit ihnen konnte ich über alle Fragen diskutieren, die mich beschäftigten", erzählt Shakil Ahmed.

30 Gäste ohne Vorwarnung

Zum gemeinsamen Essen nach Sonnenuntergang einzuladen gehört im islamischen Fastenmonat zu einer der guten Taten, die Muslime weltweit zu befolgen versuchen. Nicht immer ist das aber möglich. In hiesigen Breitengraden unter anderem, wenn der Ramadan in die Sommerzeit fällt und das Fastenbrechen nicht vor 21 Uhr erfolgen kann. "Früher haben wir auch werktags Gäste gehabt", erzählt Mercedes Martinez. Da ihr Mann, der ein Architektenbüro in Offenbach betreibt, spät aus dem Büro komme und nächsten Tag wieder früh los müsse, beschränkten sich die Einladungen inzwischen auf die Wochenenden.

Vor dem Essen beten die muslimischen Gäste im Wohnzimmer von Familie Martinez-Ahmed - in Richtung Mekka gewandt. Foto: Canan Topçu

Und sie beschränken sich auf eine Gästezahl, mit der Shakil Ahmed seine Frau nicht zur Verzweiflung bringt. "Einmal, vor etwa zehn, fünfzehn Jahren", erzählt Mercedes Martinez, "waren es um die 30 Personen, und ich war völlig überfordert. Mein Mann hatte eingeladen, ohne es mit mir abgesprochen zu haben." Diesen Fehler begeht Ahmed Shakil, wie er schmunzelnd feststellt, nicht mehr. An diesem Samstagabend sind es "nur" sechs Gäste.

Mercedes Martinez hat schon am Nachmittag in der Küche gestanden, hat Albondigas (Mettbällchen), Salpicon (Salat mit Kartoffeln, Gemüse und Thunfisch) und andere Speisen zubereitet. Der große Tisch ist gedeckt, als die Gäste nach und nach eintreffen. Die Zeit des Fastenbrechens (Iftar) ist an diesem Samstagabend gegen 21.15 Uhr. Als aus einem der Handys, die auf dem Tisch liegen, der Gebetsruf erklingt, reicht die Gastgeberin Datteln und Wasser und geht dann in die Küche. 

Die Gäste hingegen versammeln sich im Wohnraum zum gemeinsamen Gebet. Danach sitzen alle am Tisch. Es wird gegessen und geplaudert; und wenn aus der Küche etwas zu holen ist, dann begibt sich nicht nur die Gastgeberin dorthin, sondern auch ihr Mann. Auch beim Abräumen des Tisches packt Shakil Ahmed mit an und entspricht damit nicht dem Klischee und dem weitverbreiteten Vorurteil über muslimische Männer.

"Die Probleme kommen von außen"

Wer bei Familie Martinez-Ahmed am Tisch sitzt, der wirft seine Vorurteile eh schnell über Bord. Denn die Familie ist ein Beispiel dafür, dass christlich-muslimisches Leben unter einem Dach sehr wohl möglich ist. Die religiösen Rituale werden mit einer Selbstverständlichkeit gelebt. Die Verwunderung darüber ist das, was hier im Hause Martinez-Ahmed für Verwunderung sorgt. "Akzeptanz" - das ist Zauberwort für ein Zusammenleben, in der jeder seine religiösen Pflichten und Geboten nachgehen kann. "Wenn man dazu die Fähigkeit nicht hat, wird es wohl kaum funktionieren", meint Mercedes Martinez. Für sie kam es nie in Frage, dass sie konvertiert, aber auch ebenso wenig, ihren Mann davon abzuhalten, seine Religion zu praktizieren.

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Shakil Ahmed wiederum erzählt am Tisch davon, wie er seine Frau kennengelernt hat und ihn die Tatsache, dass sie einer anderen Religion angehöre, nicht weiter beschäftigt habe. Dass sie schon damals aus persönlichen Gründen kein Schweinefleisch aß, räumt Ahmed Shakil ein, sei ihm sympathisch gewesen und habe in ihm den Gedanken hervorgerufen, dass dieser Umstand das Zusammenleben erleichtern werde.

Für beide sei von Anfang an klar gewesen, dass sie sich so annehmen, wie sie sind. "Die Probleme kamen und kommen von außen", stellt Mercedes Martinez fest. Und heute sind sie nach ihrer Einschätzung größer als vor 30 Jahren. Denn damals habe man hier in Deutschland gar nicht so viel über Muslime gewusst und den "Islam" nicht als eine Bedrohung empfunden. Als ihre Eltern erfuhren, dass sie einen Moslem als Schwiegersohn bekommen, waren sie zwar nicht erfreut. Sie beließen es aber bei dem Hinweis, dass die Tochter jederzeit zurückkehren könne, wenn es mit der Ehe nicht klappt.

Kein Zwang zum Glauben im Islam

Nicht begeistert waren auch Shakil Ahmeds Eltern über die katholische Schwiegertochter, erzählt der 50-Jährige. Damals wie auch heute gibt es von dem einen oder anderen aus der muslimischen Community die Frage, warum seine Frau denn nicht zum Islam konvertiere. "Warum sollte sie?", antworte er dann. "Im Koran steht, dass es keinen Zwang zum Glauben gibt." Die drei Kinder des Ehepaars sind Muslime und waren sogar schon in Mekka. Ob sie fasten oder nicht, das sei ihnen überlassen, erklärt Shakil Ahmed.

Er hält auch bei der religiösen Erziehung der Kinder nichts von Zwang. An diesem Abend haben die beiden Töchter (24 und 16 Jahre alt) und der 21-jährige Sohn nicht gefastet, doch sie halten sich mit dem Essen zurück und warten, bis alle am Tisch sitzen. Nur die jüngere Tochter nascht in der Küche von den Teigtaschen.

Mercedes Martinez hat sich Zurückhaltung angewöhnt, im Ramadan isst und trinkt sie nicht in Gegenwart von Fastenden. Aus Höflichkeit. Ansonsten aber ändert sich für die dreifache Mutter in diesem Monat nicht allzu viel. Gemeinsam gegessen wird bei der Familie Martinez-Ahmed immer, auch im Fastenmonat - auch dann, wenn keine Gäste mit am Tisch sitzen.