Rot, weiß, grün weht die kurdische Flagge über vielen Städten im Norden Syriens, mit einer strahlenden Sonne in der Mitte. Syrische Regierungstruppen haben sich kampflos aus dem Gebiet zurückgezogen, um sich auf Damaskus und Aleppo zu konzentrieren, wo der blutige Showdown zwischen dem Regime von Präsident Baschar al-Assad und der Opposition weitergeht.
Doch auch die "Freie Syrische Armee", die bewaffnete Opposition gegen Assad, ist im kurdischen Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak nicht präsent. Denn es gibt einen klaren Deal zwischen der syrischen Opposition und der kurdischen Regierung im Nordirak.
Der Deal: Jeder bleibt in seinem Gebiet
"Ich glaube, dass unser kurdischer Traum in Erfüllung geht", sagt Sinem Chalil. Er ist Mitglied des Obersten Kurdischen Komitees, einer Koalition der syrisch-kurdischen Opposition und der kurdischen Regierung in Erbil im Nordirak. Mehr als sechs syrische Orte - darunter Kobane, Efrin, Amude, Derek, Girke Lege und Dirbesije - stehen inzwischen unter kurdischer Kontrolle, berichtete die irakischen Zeitung "Rudaw" am Donnerstag.
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Kurden stellen etwa zwei Millionen Menschen in Syrien, neun Prozent der Einwohner. Die meisten von ihnen sind sunnitische Muslime, kleine Minderheiten sind Christen oder Alawiten.
"Die Freie Syrische Armee wird nicht in die kurdischen Gebiete kommen, und die Kurden werden nicht in die arabischen Gebiete kommen", sagt Nuri Brimo, Sprecher der Demokratischen Kurdischen Partei von Syrien. Doch die Abmachungen zwischen der kurdischen Regionalregierung im Irak und den syrischen Kurden gehen noch weiter: Massud Barsani, der Chef der Kurden-Regierung im Nord-Irak, hält die Fäden fest in der Hand. Der 65-jährige Politiker ist Washingtons Mann in der Region. Barsani könnte zudem auch eine wichtige Rolle im politischen Machtspiel um Syrien zufallen.
Errichtung eines kurdischen Staats vorbereiten
Die kurdische Regionalregierung mit Sitz in Erbil gehört zwar de facto weiterhin zum Irak, doch die autonome Region macht sich zunehmend von Bagdad und dem von Unruhen geschüttelten Rest des Landes frei. Am 11. Juni schloss Barsani mit dem syrischen Kurden ein Abkommen, dass die "befreiten" Kurden-Städte in Syrien gemeinsam verwaltet würden. Die kurdische Regionalregierung könnte damit die Bühne für die Errichtung eines kurdischen Staates vorbereiten.
Doch so schnell, warnen manche Politikwissenschaftler, werde es kein Kurdistan geben. Kurden wohnen in aneinander grenzenden Teilen vom Irak, Syrien, dem Iran und der Türkei. Mehr als die Hälfte des erträumten Kurdistans liegt auf türkischem Staatsgebiet. "Ankara dürfte ein unabhängiger kurdischer Staat südlich seiner Grenze nicht willkommen sein", schreibt der Nahost-Experte Aimenn Jawad Al Tamimi in der Zeitung "Tee National", die in den Vereinigten Arabischen Emiraten erscheint.
Al Tamini glaubt, dass die Türkei eine Revolte der Kurden im Südosten fürchten muss. Doch nicht alle gehen davon aus, dass Ankara ein unabhängiges Kurdistan für immer ablehnt. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Kurden-Führer Barsani haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.
Wirtschaftsabkommen mit der Türkei
Barsani, den die türkische Regierung 2009 noch als "Bandit" bezeichnet hatte, hat mit Ankara inzwischen eine Reihe von Wirtschaftsabkommen und einen großen Vertrag über den Bau einer Erdöl-Pipeline vom Nord-Irak ins türkische Ceyhan unterzeichnet. Und der boomende Nord-Irak ist ein wichtiger Markt für die Türkei.
Die überraschende Allianz zwischen Ankara und Erbil könnte daher der Beginn für ein Umdenken in der Türkei sein. Ankara hat bereits eine Menge Einfluss auf die kurdische Regionalregierung in Erbil. Vielleicht ist die Türkei auch einem unabhängigen Kurdistan, über das sie ein gehöriges Maß an Kontrolle hat, nicht abgeneigt.