In Steven Spielbergs Film hieß er Viktor Navorski – der Mann, der wochen- und monatelang am New Yorker Flughafen JFK ausharrt, nachdem in seinem osteuropäischen Heimatland Krakosien Bürgerkrieg ist und das Land von den USA diplomatisch nicht mehr anerkannt wird. Sein Pass wird ungültig, und er muss notgedrungen sein Leben am Terminal verbringen. Ein Märchen? Sicher, wie das im Film nun mal oft so ist. Nicht nur, weil die Story auf einer wahren Geschichte beruht, weiß man aber, dass dies öfter vorkommt. Menschen richten sich an einem Flughafen ein und leben von dem, was diese riesige Maschinerie für sie übrig lässt.
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Das ist auch am Frankfurter Flughafen nicht anders, allerdings für die Betroffenen nicht so unterhaltsam, wie es der Film mit seinem Hauptdarsteller Tom Hanks vermuten lässt. Auf rund 50 Personen schätzt man die Zahl derer, die dauerhaft hier zu Hause sind: psychisch kranke Menschen, Vereinsamte und Obdachlose. Sie schlafen in schwer einsehbaren Ecken, über Lüftungsgittern, und manche Feuerstelle findet sich auf dem Grünstreifen zwischen Parkhauszufahrten oder am Rand des weitläufigen Geländes. "Viele von ihnen haben eigentlich Hausverbot", weiß Bettina Janotta. Sie leitet den Kirchlichen Sozialdienst für Passagiere, dem auch die Aufgabe zugewachsen ist, sich um diese Menschen am Rande zu kümmern. "Da ist viel Bedarf, den wir nicht abdecken können", sagt sie.
"Wir kommen, wenn man uns ruft"
18 Schlafplätze sind bekannt, an denen diese Menschen ohne Obdach und Zuhause ihre Nächte verbringen. Wenn die Security-Leute bei ihren Rundgängen einen davon aufgreifen, schalten sie die kirchlichen Sozialarbeiter ein. "Wir kommen, wenn man uns ruft", sagt Bettina Janotta und betont, dass sie ihre Hilfe nur anbieten können: "Der Schlüssel zur Kontaktaufnahme ist unser Respekt. Wir stellen uns immer erst vor und sagen den Menschen, welche Art von Hilfe wir ihnen anbieten können."
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Da war zum Beispiel der alte Mann, der völlig in sich zusammengesunken und verwahrlost bei McDonalds angetroffen wurde. "Ich habe ihm erst mal einen Kaffee angeboten und ihn eingeladen, mit in unser Büro zu kommen", erzählt Janotta. Dort fand sie in einem geduldigen Gespräch heraus, dass der 72-Jährige seit sechs Jahren am Flughafen lebt. Nach dem Tod seiner Frau hatte er seine Wohnung verlassen und war nie mehr dahin zurückgekehrt. Seine Rente holte er regelmäßig von der Bank, doch ihm fehlte jeglicher soziale Kontakt und er verwahrloste immer mehr. Aus dem Fundus des Sozialdienstes nahm er gerne frische Kleidung an. "Doch dann stand er halb ausgezogen da und konnte nicht mehr weiter", erinnert sich die Leiterin des Sozialdienstes. Geschwächt und erschöpft war der alte Mann nicht in der Lage, sich selbst anzuziehen. Pfleger von der Flughafenklinik sprangen ein und halfen ihm. Nach weiteren Gesprächen schließlich wurde er in eine Hilfeeinrichtung der Stadt Frankfurt vermittelt. "Wir halten Kontakt", versichert Bettina Janotta.
Ein Fall von vielen. Da sind zum Beispiel noch die Flaschensammler, die am Flughafen ein ergiebiges Revier haben, oder Menschen, die sich von dem ernähren, was eilige Passagiere vor dem Abflug in die Abfalleimer werfen. Die enge Vernetzung mit vielen anderen Diensten der Stadt, die für die Kranken und Armen, für Drogenabhängige und Verzweifelte da sind, machen es den haupt- und ehrenamtlichen Helfern am Flughafen möglich, in den unterschiedlichsten Fällen weiterzuhelfen. Und fast immer machen sie damit einen Menschen glücklich oder helfen ihm zumindest aus einer verzweifelten Situation heraus.
Auch Geschäftsleute erhalten Hilfe
Eigentlich wurde der Sozialdienst, der mit fünf hauptamtlichen und rund 15 ehrenamtlichen Kräften arbeitet, für gestrandete Passagiere geschaffen. So kümmert er sich um Menschen, die etwa durch Diebstahl in eine finanzielle Notlage geraten sind, die Probleme mit Ticket, Visum oder Pass haben, oder die einfach orientierungslos und überfordert sind.
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Das kann dann durchaus auch einmal ein Geschäftsmann sein, wie etwa der Mann aus Ouagadougou in Burkina Faso in Westafrika. Wegen der Verspätung eines ICE hatte er seinen Flug in die Heimat nicht mehr erreicht. Doch für eine Umbuchung fehlte ihm das Geld, zumal der nächste freie Platz in einem Flugzeug nach Burkina Faso erst eine Woche später zu erwarten war. Was kann der Flughafensozialdienst da tun? "Zu allererst konnte er bei uns seine Frau anrufen, damit die sich keine Sorgen macht", erzählt Janotta. Dann klärten die Mitarbeiter mit der Airline, dass er bei Vorlage einer Bescheinigung der Bahn über die Verspätung nur eine Umbuchungsgebühr zahlen musste und kein komplettes Flugticket. Dann halfen sie ihm dabei, die Geldanweisung von zu Hause aus in die Wege zu leiten. In den Tagen, die er am Flughafen verbrachte, versorgte er sich selbst. Die Lunchpakete, die man ihm anbot, lehnte er ab. "Sie haben mir schon so viel geholfen", meinte er, schaute aber täglich auf einen Plausch und einen Kaffee im Büro vorbei
Das ist nicht leicht zu finden. Doch wer sich hinter der Kapelle der Flughafenseelsorge in einen der vielen Gänge begibt, die verwirrend gleich aussehen, entdeckt irgendwann das Königsblau der Diakonie. Das Diakonische Werk Frankfurt ist Träger des Dienstes. Die Räume werden von der Fraport kostenfrei zur Verfügung gestellt. Seit einiger Zeit verfügt der Sozialdienst auch über einen eigenen Schalter im Abflugbereich des Terminal 1. Am Schalter 700.1 zwischen den Bereicen B und C ist immer einer der ehrenamtlichen Helfer präsent, um im leichtesten Falle Auskunft zu geben, etwa wo ein Passagier sein Abfluggate findet. In schwierigeren Fällen wird geklärt, ob Hilfe gebraucht wird. Dann kommt jemand aus dem Beratungsbüro und holt die Person ab. Im geschützten Bereich kann dann alles weitere geklärt und in die Wege geleitet werden.
Vernetzt mit vielen sozialen Diensten und Kirchen
Die enge Vernetzung mit vielen sozialen Diensten der Stadt und der Kirchen ist nicht nur hilfreich, wenn obdachlose "Terminalbewohner" untergebracht werden müssen. Der Sozialdienst ist auch zuständig für die deutschen Staatsbürger, die aus dem Ausland "nach Hause" kommen, aber hier erst einmal wieder ein Zuhause finden müssen – Menschen, die vor Gefahren geflohen sind, wie jüngst eine deutsche Familie aus Syrien. Mit ihren kleinen Kindern wollten sie den Gefahren des Bürgerkriegs entgehen und kamen in Deutschland an, ohne zu wissen, wohin.
Es sind auch Menschen, die von den Botschaften oder Konsulaten irgendwo in der Welt in einen Flieger gesetzt werden, die bisweilen psychisch krank, drogenabhängig oder ohne Angehörige sind. "Dramatische und bewegende Schicksale" begegneten einem da, berichtet Bettina Janotta aus ihrer Erfahrung. Die Hilfe des Sozialdienstes besteht hier meist in einem klärenden Gespräch und der Weitervermittlung an andere soziale Dienste oder Unterkünfte.
Bettina Janotta vor dem Bild einer kubanischen Malerin, die damit für ihr Flugticket dankte. Foto: Lieselotte Wendl
Tief berührende und doch meist nur flüchtige Begegnungen sind es, die die Beraterinnen Tag für Tag erleben. Da löst dann die ein oder andere Karte Freude aus, etwa wenn sich eine Ordensschwester aus Asien ganz persönlich bei jeder einzelnen Frau bedankt, mit der sie in Frankfurt sprechen konnte. Und manche Erinnerung steht vor Augen, wie etwa das dekorative Gemälde, das die Wand in Bettina Janottas Büro schmückt. Eine mittellose kubanische Malerin, der der Sozialdienst zur Heimreise verhalf, hat das Ticket mit ihren Bildern bezahlt.