Nach dem Anschlag auf die engsten Vertrauten von Syriens Präsident Baschar al-Assad ist der Bürgerkrieg in Syrien weiter eskaliert. Am Donnerstag griffen Regierungstruppen Hochburgen der Regimegegner im Großraum Damaskus mit Hubschraubern an. Aktivisten berichteten, Soldaten hätten die Viertel Sajjida Seinab und Al-Hadschar al-Aswad aus der Luft mit Maschinengewehren und Raketen attackiert. Bewohner der nördlichen Viertel, die von den Kämpfen weitgehend verschont blieben, berichteten, die Hauptstadt gleiche einer Geisterstadt. Fast alle Geschäfte seien geschlossen.
Auch die Ortschaft Samalka im Umland von Damaskus geriet am Donnerstag unter heftigen Beschuss. Die bewaffneten Revolutionäre versuchten nach Angaben von Aktivisten in der Hauptstadt, mehrere Polizeiwachen zu stürmen. Dabei seien etliche Polizisten getötet worden.
Aufenthaltsort von Präsident al-Assad unklar
Über den Aufenthaltsort von Präsident Baschar al-Assad gab es keine gesicherten Angaben. Regimegegner hatten am Mittwochabend gemeldet, die Präsidentenmaschine sei vom Militärflughafen Messe aus in Richtung der syrischen Hafenstadt Latakia gestartet. Die Assad-Familie stammt aus Kardaha oberhalb von Latakia. Beobachter hatten in den vergangenen Monaten spekuliert, die Führung könnte sich, wenn Damaskus fällt, in eine Art alawitischen Kleinstaat zurückziehen, der die Städte Latakia, Tartus und die Berge im Hinterland umfasst.
Am Vortag waren nach Angaben der Staatsmedien drei der wichtigsten Funktionäre des Sicherheitsapparates einem Sprengstoffanschlag zum Opfer gefallen: Asef Schawkat, ein Schwager von Assad, Verteidigungsminister Daud Radscheha und der ehemalige Minister Hassan Turkmani. Aus Oppositionskreisen hieß es am Donnerstag, auch der Top-Geheimdienstfunktionär Ali Mamluk sei getötet worden.
"In Syrien kann es nur ein politische Lösung geben"
Währenddessen warnt die Direktorin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel (im Bild links, Foto: epd-bild / Gerhard Bäuerle) vor einem militärischen Eingreifen in Syrien. "In Syrien kann es nur eine politische Lösung geben", sagte die 57-jährige Pfarrerin dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wenn Bomben irgendwohin fallen, ist noch gar nichts gelöst." Eine militärische Intervention würde die Region ins Uferlose destabilisieren, warnte sie.
Die Evangelischen Kirche lehnt eine militärische Lösung des Konfliktes ebenfalls ab. Es sei zu befürchten, dass durch die Waffenlieferungen an syrische Widerstandsgruppen radikale Kräfte gefördert würden, teilte die Evangelische Mittelostkommission (EMOK) am Donnerstag in Hamburg mit.
Menschenrechtsverletzung bei Opposition und staatlichen Sicherheitskräften
Den militärischen Kräften der Opposition würden ebenso wie den staatlichen Sicherheitskräften massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Von radikalsunnitischen Oppositionellen gehe eine Gefahr für Alawiten, Christen und andere Minderheiten aus, erklärte die Kommission, das Beratungsgremium der Evangelischen Kirche in Deutschland für Fragen zum Nahen und Mittleren Osten.
Füllkrug-Weitzel betonte, die Beispiele Afghanistan und Irak zeigten, dass die Finanz- und Militärkraft des Westens irgendwann ende und man wieder am Anfang stehe. Die evangelische Theologin räumte ein, es sei emotional schwer auszuhalten, nicht mehr tun zu können. Dennoch müsse die internationale Gemeinschaft am Ziel einer politischen Lösung für Syrien festhalten.
"Es ist schwer, zwischen Gut und böse zu unterscheiden"
"Die Konfliktparteien überziehen sich gegenseitig mit Vorwürfen wegen immer neuer Gräueltaten, die aber nicht überprüfbar sind", beklagte sie. Das Handeln von Syriens Präsident Baschar al-Assad sei nicht zu rechtfertigen. "Aber inzwischen geht auch sehr viel Gewalt von Rebellen aus, die ebenfalls problematisch ist", sagte Füllkrug-Weitzel. "Es ist sehr viel schwerer, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, als uns die veröffentlichte Meinung glauben machen möchte."
###mehr-artikel### Die zwei Millionen Christen in Syrien hätten zu Recht Angst vor einem Machtwechsel, sagte die Direktorin von "Brot für die Welt". "Das gilt besonders deshalb, weil sie wie andere Minderheiten auch als Pro-Assad gelten."
In Syrien humanitäre Hilfe zu leisten, ist nach den Worten der Theologin, die auch die Diakonie Katastrophenhilfe leitet, extrem schwierig. "In die umkämpften Städte kommt man nicht hinein." Bisher hätten nur einige Familien im Land unterstützt werden können. Besonders schwierig sei die Lage von 1,5 Millionen Syrern, die als Flüchtlinge im eigenen Land lebten.