Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Asylurteil: Sieg der Menschlichkeit, Versagen der Politik
Das Bundesverfassungsgericht billigt Asylsuchenden das Existenzminimum zu. Das Urteil war überfällig – aber eigentlich hätte es gar nicht so weit kommen dürfen, dass es dieses Urteil überhaupt geben musste.
18.07.2012
evangelisch.de

Niemand verlässt gern seine Heimat. Die Menschen, die nach Deutschland kommen, um hier Asyl zu beantragen, haben eine Geschichte der Verfolgung hinter sich. Es sind rassistisch verfolgte Roma aus Serbien, religiös verfolgte Christen aus dem Irak, Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan.

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Sie suchen nach einem neuen Leben, weil sie dort, wo sie geboren und aufgewachsen sind, nicht mehr leben wollen – oder können.

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass diesen Menschen das gesetzliche Existenzminimum zusteht, wenn sie in Deutschland leben, aktuell 336 Euro pro Monat. Das ist richtig so – und man fragt sich: Haben wir Asylsuchende wirklich seit 1993 (damals wurde der Betrag zuletzt geändert) wie Menschen zweiter Klasse behandelt? Menschen, für die ihr Heimatland unerträglich geworden ist und die zwischen Angst und Hoffnung ein neues Leben suchen?

Die Menschenwürde ist Aufgabe der Solidargemeinschaft

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beleuchtet das Versagen der Politik. Dass es erst eines höchstrichterlichen Urteils bedarf, um das Recht auf ein menschenwürdiges Leben auf alle Menschen in Deutschland auszudehnen, ist ein Armutszeugnis. Es braucht viel, um einen Menschen aus seinen angestammten Gefilden zu reißen. Ihm dann auch noch die Mindestversorgung zu versagen oder sie gar mit Rationen abzuspeisen, schürt nur mehr Unsicherheit, Bitterkeit und Hoffnungslosigkeit. Zumal das Geld ja nicht verschwindet, sondern beinahe vollständig hierzulande wieder ausgegeben wird.

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Das Primat der Leistungsgesellschaft macht es unseren Volksvertretern offenbar unmöglich, dafür einzutreten, dass die Solidargemeinschaft des Staates jedem Menschen eine lebenswerte Existenz verschafft, der in dieser Gemeinschaft lebt. Die Diskussion um Hartz IV zeigt das – schon da musste das Gericht entscheiden, um die Politik zum Handeln zu zwingen. Vielleicht spiegeln die Abgeordneten wirklich nur die Angst ihrer Wähler wieder, Fremde könnten sich auf ihre Kosten bereichern. Aber hinter der großen Zahl der Asylsuchenden stecken viele einzelne menschliche Schicksale.

Die Zahl fällt nicht ins Gewicht  - die Geste schon

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Ohnehin bekommen in Deutschland nur wenige Menschen tatsächlich Asyl. Die meisten  bleiben geduldete Flüchtlinge. Die Zahl der Asyl-Leistungsempfänger beträgt derzeit laut Statistischem Bundesamt 130.300 – bei rund 570.000 Flüchtlingen, die in Deutschland leben, und 81,8 Milllionen Einwohnern fällt das nicht ins Gewicht. Aber wichtig ist es trotzdem, auch diesen Menschen das Grundrecht auf eine menschenwürdige Existenz zu geben.

Wir in Deutschland können dieses Versprechen im Vergleich zu einem kriegszerklüfteten Afghanistan oder einem religionsgespaltenen Irak noch einhalten. So lange wir das können, müssen wir der Menschlichkeit gerecht werden. Auch dafür zahlen wir Steuern – und der Gesetzgeber sollte auch ohne Gerichtsentscheid dafür sorgen.