Foto: epd-bild/Bettina Rühl
Somalische Flüchtlinge in der Hauptstadt Mogadischu.
Somalia - die Krise nach der Katastrophe
Vor einem Jahr strömten in zwei Monaten 100.000 Flüchtlinge nach Mogadischu. Der Bürgerkrieg verschärfte die Hungersnot in Somalia. Auch heute riskieren humanitäre Helfer dort ihr Leben.
19.07.2012
epd
Bettina Rühl

Wenn es nachts regnet, wacht Muhibu Yassin Gullet vom Trommeln der Tropfen auf. Die 52-jährige Somalierin ist dankbar für die Wellblechhütte, in die sie mit ihrer Familie in der Hauptstadt Mogadischu ziehen konnte.

Vor einem Jahr gab es keinen Schutz: Monatelang mussten sie, ihr Mann und drei Kinder in einem Unterschlupf aus Ästen hausen. "Wir hatten eine Plastikplane gekauft, um den Regen abzuhalten", sagt Muhibu. "Aber die Plane hielt nur 20 Tage, dann war sie nicht mehr dicht." Oft fehlte das Geld, eine neue zu kaufen.

Al-Schabaab ließ Helfer nicht durch

Es dauerte, bis Gullet und ihre Familie Essen, Wasser und schließlich sogar die Wellblechhütte bekamen. Als die Hungersnot in Somalia vor einem Jahr immer schlimmer wurde, kamen jeden Tag Tausende entkräftete Flüchtlinge in Mogadischu an, allein im Juni und Juli 2011 dürften es 100.000 gewesen sein. Die Helfer waren völlig überfordert, und das nötige Geld traf erst viel zu spät ein.

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Zudem war die Arbeit der Helfer lebensgefährlich. Denn die meisten Stadtviertel Mogadischus waren in der Hand der islamistischen Al-Schabaab-Miliz, die auch den Rest des Landes beherrschte. Die Miliz, die zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehört, verwehrte den meisten Organisationen den Zugang zu den von ihr kontrollierten Gebieten, so dass die Hungernden kaum Hilfe bekamen.

Am 20. Juli 2011 erklärten die UN-Hilfswerke das erste Gebiet in Somalia offiziell zur Hungerregion, dann weitere, bis es schließlich sechs Gebiete waren, darunter auch Mogadischu. Viele Gegenden Ostafrikas litten unter einer schweren Dürre, insgesamt 13 Millionen Menschen waren von Hunger bedroht. Wegen des Bürgerkriegs wurde die Not in Somalia besonders schlimm.

Nur mit bewaffneten Eskorten

Die Katastrophe ist vorbei, die Krise nicht. Auch wenn der akute Notstand aufgehoben ist, bleibt die Lage in Somalia prekär und instabil. Schon zeichnet sich ab, dass die nächste Ernte wieder schlecht ausfallen wird. Immerhin musste vor einigen Monaten die Schabaab-Miliz ihre Stellungen in Mogadischu räumen.

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"Seitdem hat sich die Sicherheitslage hier radikal verändert", sagt Omar Olad, Direktor der somalischen Hilfsorganisation "Daryel Bulsho Guud". Sie bekommt vor allem Geld aus Deutschland: von den beiden kirchlichen Hilfswerken Diakonie Katastrophenhilfe und "Brot für die Welt", dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium.

"Wir haben jetzt nur noch ein Problem, und das sind gezielte Morde, die von den verbleibenden Al-Schabaab-Mitgliedern in Mogadischu verübt werden", schildert Olad. Nach wir vor fahren die Helfer nur mit bewaffneten Eskorten zu ihren Projekten in der Stadt. "Aber sonst haben wir keine Probleme, die Situation ist insgesamt sehr gut", ergänzt er. "Langsam spürt man in diesem Land wieder Hoffnung."

Lebensgefährliche Arbeit

Man muss wohl den ganzen somalischen Alptraum von Kriegen und Katastrophen durchgemacht haben, um die heutige Lage in Mogadischu trotz der gezielten Anschläge so positiv zu sehen. Jedenfalls hat Olads Hilfswerk in den vergangenen Monaten Lebensmittel zu Tausenden Flüchtlinge gebracht, Brunnen und Notunterkünfte gebaut, lebenswichtige Haushaltsgegenstände wie Wasserkanister, Kochgeschirr und Moskitonetze verteilt. In einer der Unterkünfte wohnt Gullet mit ihrer Familie.

Im Rest Somalias habe sich für die Helfer dagegen gar nichts geändert, sagt Marion McKeone vom Hilfswerk "Save the Children". Ihre 450 Kollegen in Somalia "setzen faktisch jeden Tag ihr Lebens aufs Spiel". Die militärischen Erfolge der afrikanischen Friedenstruppe und der somalischen Armee auch außerhalb der Hauptstadt hätten den Helfern nicht mehr Sicherheit gebracht.

Ganz im Gegenteil: Wo die Al-Schabaab-Kämpfer vertrieben werden, entsteht oft ein Machtvakuum, das sofort etliche andere Milizen für sich nutzen. "Die Helfer wissen heute oft nicht einmal, von wem die Gefahr eigentlich ausgeht", erklärt McKeone.