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Olympia-Reporter Poschmann: "Gleich wird es dramatisch!"
Er ist einer der bekanntesten Sportreporter im deutschen Fernsehen: Wolf-Dieter Poschmann, der vor allem als Moderator des "Aktuellen Sportstudios" im ZDF populär wurde. Der 61-Jährige ist auch bei den Olympischen Spielen in London wieder mit von der Partie. "Poschi", wie der Sport-Chefreporter der Mainzer oft genannt wird, kommentiert die mehrstündige Eröffnungsfeier in London, deren Höhepunkt das Entzünden des Olympischen Feuers ist. Im Lauf des Turniers kommentiert Poschmann dann zahlreiche Leichtathletik-Wettkämpfe – immerhin war der gebürtige Kölner in jungen Jahren selber erfolgreicher Langstreckenläufer und hielt jahrelang den deutschen Rekord im Halbmarathon.
26.07.2012
Cornelia Wystrichowski

Herr Poschmann, als Sportreporter berichten Sie seit Jahren von den Olympischen Spielen. War eine Olympia-Teilnahme während Ihrer Karriere als erfolgreicher Langstreckenläufer denn mal in Reichweite?

Wolf-Dieter Poschmann: Ich bin mal bei einer Olympia-Ausscheidung Vierter geworden und drei kamen weiter – insofern genieße ich es immer, als Journalist bei Spielen dabei sein zu dürfen. Ich habe neulich mal gezählt, es ist meine zwölfte Teilnahme als Berichterstatter von Olympischen Sommer- oder Winterspielen.

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Sie kommentieren fürs ZDF die mehrstündige Eröffnungsfeier. Wie wuppt man so einen Marathoneinsatz?

Poschmann: Mit dem dicksten Zettelstapel, den man sich vorstellen kann (lacht). Die Feier besteht ja aus drei Elementen. Im ersten Teil muss ich den Zuschauern die olympischen Rituale erklären, den Eid oder den Symbolcharakter der olympischen Fahne. Im Showteil muss ich dann die Balance finden zwischen sparsamen Erklärungen und dem Wirkenlassen von Musik und Bildern. Der dritte Teil ist der längste, das ist eine fast zweistündige Veranstaltung...

Der große Einmarsch der rund 200 Nationen.

Poschmann: Und zu jedem Land muss ich das Bemerkenswerte parat haben. Ich muss Schwimmstar Michael Phelps genauso erkennen wie den berühmtesten Basketballer Chinas, und ich muss wissen, welche Staatsoberhäupter vor Ort sind, weil es Schnitte auf die Ehrentribüne geben wird. Die Fürstenhäuser sind meine große Schwäche. William und Kate erkenne ich zwar gerade noch, aber ich muss ja auch präzise sagen können, ob er nun Kronprinz oder Thronfolger ist. Also seit Ende der Fußball-EM sammle ich Material und lese alles, was mir in die Finger kommt.

"Man kann es nicht allen recht machen"

Ihre Worte als Reporter bei Sportereignissen werden von den Zuschauern auf die Goldwaage gelegt. Verletzt Sie Kritik?

Poschmann: Nein. Wenn Kritik angemessen ist, finde ich sie in Ordnung. Wenn sie nur Häme ist oder wenn mir eine sofort korrigierte Unaufmerksamkeit in einem vierstündigen Live-Kommentar um die Ohren gehauen wird, ist das für mich banal. Es ist jetzt meine vierte oder fünfte Eröffnungsfeier, da gibt es immer Kritik. Für die einen redet man zu viel, für die anderen zu wenig, die einen mögen es lieber ruhig, die anderen lieber emotional. Man kann es nicht allen recht machen.

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Die Sportberichterstattung ist viel stärker emotionalisiert als früher. Wäre etwas mehr Zurückhaltung nicht ratsam?

Poschmann: Ich finde Emotionen schon wichtig. Natürlich ist es peinlich, wenn jemand bei einer Fußball-Übertragung von Beginn an bei jedem Einwurf in Wallung kommt. Ich finde es aber genauso negativ, wenn jemand völlig emotionsfrei bleibt. Ein Reporter muss dem Zuschauer schon mit seiner Stimme deutlich machen, wann Spannung zu erwarten ist und wann nicht. Machen wir uns nix vor: Bei Olympischen Spielen sitzen die Leute nicht acht Stunden gebannt vor dem Bildschirm und trauen sich nicht, auf die Toilette zu gehen. Der Reporter muss ein helfender Begleiter sein, der sagt: Jetzt kannst du mal gehen, aber gleich musst du zurück sein, gleich wird es dramatisch.

Was halten Sie vom Personenkult um Sportstars wie den Sprinter Usain Bolt? Ist das übertrieben?

Poschmann: Das finde ich nicht. Nehmen Sie ein 100-Meter-Finale, bei dem wahrscheinlich kein deutscher Läufer dabei sein wird. Was könnte da für deutsche Zuschauer eine Motivation sein, sich diesen Lauf anzuschauen? Wenn ich als Reporter erreiche, dass der Zuschauer Sympathien und Antipathien für die Sportler verteilt, dann bin ich ein Stück weiter. Ich haue ihm nicht nur Zahlen um die Ohren, sondern kristallisiere die Typen heraus – der Superstar, der alte Hase, das Nachwuchstalent. Und dann ist der 60-jährige Arbeitnehmer auf dem Sofa vielleicht dafür, dass der Alte gewinnt – und die jüngeren Zuschauer sind für den Newcomer.

Sie werden in London vom Triathlon und von der Leichathletik berichten. Auf welchen Wettkampf freuen Sie sich am meisten?

Poschmann: Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass sich oft Wettbewerbe, von denen man nicht viel erwartet hat, zu einem richtigen Knüller entwickeln. Das ist ja gerade das Schöne am Sport: Vorhersagen sind eigentlich nicht möglich.

"Ein kleines mulmiges Gefühl, wenn ich ins Stadion gehe"

Werden Sie zwischendurch auch mal die Laufschuhe schnüren und durch London joggen?

Poschmann: Natürlich, diese Zeit reserviere ich mir einfach, das muss sein. Neulich bei der Leichtathletik-EM in Helsinki habe ich mir ein Rad gemietet und bin damit immer zum Stadion gefahren, auf diese Art habe ich die Stadt kennen gelernt und war sportiv, das ist gut zum Kompensieren von Stress.

Die Olympischen Spiele haben schon im Vorfeld mit Ihren rigiden Anti-Terror-Maßnahmen für Schlagzeilen gesorgt. Sind Sie davon auch betroffen?

Poschmann: Wir sind in Kenntnis gesetzt worden, dass wir mit den schärfsten Sicherheitsvorkehrungen und entsprechenden Kontrollen rechnen müssen und gut beraten sind, diesen sehr ernst gemeinten Maßnahmen Folge zu leisten. Mich hat man beispielsweise wissen lassen, dass ich aus eben diesen Gründen ein Fahrrad nicht mit aufs Gelände des International Broadcast Centers nehmen darf.

Fühlen Sie sich denn sicher?

Poschmann: Ich will nicht verheimlichen, dass ich immer ein kleines mulmiges Gefühl habe, wenn ich in ein Stadion gehe, in das gleich 70.000 Zuschauer strömen werden und das eine ideale Zielscheibe für Menschen wäre, die Angst und Schrecken verbreiten wollen. Ich weiß, dass das vielen meiner Kollegen auch so geht. Aber das muss man verdrängen – man muss den Job ja machen.