Foto: dpa/Bundeskriminalamt
Wie Uwe Böhnhardt, hier auf einem vom BKA veröffentlichten Urlaubsfoto, zum Mörder wurde, bleibt unerklärbar. Eine Dokumenation der Eikon nähert sich der Frage an.
Wenn der Sohn zum Killer wird
Eine RTL-Dokumentation zeichnet den Weg des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt in den Untergrund nach
Zehn Menschen hat die Zwickauer Terrorzelle auf dem Gewissen. Eine Dokumentation des Privatsenders RTL, die in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland entstanden ist, will nun die Ursachen und Hintergründe aufklären. Dazu treten auch die Eltern von Uwe Böhnhardt vor die Kamera.
15.07.2012
evangelisch.de

Wenn der eigene Sohn zum Mörder wird, bleiben die Eltern meist ratlos, verzweifelt und ohnmächtig zurück. So ist es auch im Fall der Eltern von Uwe Böhnhardt, NSU-Terrorist und Mitglied der Zwickauer Terrorzelle.

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Erst nach seinem Selbstmord haben die Eltern erfahren, dass ihr Sohn für neun Morde an Migranten und dem Tod einer Polizistin mitverantwortlich war. Zusammen mit seinem Komplizen Uwe Mundlos hatte sich Böhnhardt im November 2011 in einem Wohnmobil erschossen.

Seither haben sich Brigitte und Jürgen Böhnhardt mehrfach den Fragen von Reportern gestellt. Sie haben der ARD Rede und Antwort gestanden und der Zeitung "Die Welt" ein Interview gegeben. In der RTL-Dokumentation "Der verlorene Sohn. Uwe Böhnhardt – der Weg in den Untergrund", die in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland entstanden ist, sind die beiden nun erstmals im Privatfernsehen zu sehen.

Im Mittelpunkt stehen die Fragen und die Frager

Die RTL-Dokumentation unterscheidet sich von dem, was bisher über die Eltern Böhnhardts zu sehen war. Regisseur Andreas Kuno Richter positioniert die Eltern – auf ihren eigenen Wunsch hin – mit dem Rücken zur Kamera. Brigitte und Jürgen Böhnhardt bleiben bis auf einige eingeblendete Familienfotos unerkannt. Stattdessen ist der Fokus der Kamera auf drei Jugendliche gerichtet, die am Wohnzimmertisch der Familie Böhnhardt vis à vis sitzen. Der Fernsehzuschauer blickt in ihre teils fassungslosen, teils neugieren Gesichter.

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Das ist die Stärke des Films: Dem Ehepaar Böhnhardt sitzen keine professionellen Journalisten gegenüber, sondern Schüler, die an einem Video-Workshop in Jena teilnehmen. Sie haben sich ihre Fragen nicht aufgeschrieben, fragen intuitiv, zeigen Verständnis und auch Sympathie für die Eltern.

Die Jugendlichen, die eben nicht "Witwen schütteln", sondern mitunter unbeholfen nachfragen, geben dem Gespräch eine ganz eigene Tiefe. Und die Eltern suchen angesichts der ehrlichen Fragen nach Erklärungen: Wie konnte ihr Sohn ins rechte Milieu abrutschen? Wo sind die Brüche im Leben von Uwe Böhnhardt? Haben wir als Eltern irgendetwas falsch gemacht?

Einfache Antworten gibt es nicht, nur Erklärversuche, und die sind umso eindringlicher. Gänsehaut und Schaudern verursacht das betretene Schweigen und die Betroffenheit in den Gesichtern der Jugendlichen bei der Entschuldigung der Mutter: "Das tut uns so unendlich leid, was sie den Leuten angetan haben", sagt sie. "Wir schlafen schlecht, das geht einem Tag und Nacht durch den Kopf." Und dann wiederholt sie mehrfach, fast verzweifelt: "Ich kann ihn mir nicht als eiskalten Mörder vorstellen."

Die Jenaer Schüler erforschen ihre Stadt

Erzählt wird in der Dokumentation eine Geschichte in der Geschichte: Insgesamt fünf Schüler der 11. Klasse nehmen an dem Video-Workshop im Jugendclub Hugo in Jena teil. Sie gehen der Frage nach, wie jemand, der behütet aufwächst, zum Killer werden kann. Zugleich versuchen sie zu ergründen, wie Rechtsextremismus entsteht und ob es rechtsextreme Gewalt bereits in der DDR gab.

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Sie reisen nach Berlin und treffen den Chef der Stasiunterlagenbehörde, Roland Jahn, interviewen den SPD-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und sprechen mit dem Musiker Sebastian Krumbiegel. Die Jugendlichen zeigen zugleich, wie sich ihre Stadt gegen den braunen Sumpf wehrt – mit Rock gegen Rechts, im Bürgerradio oder Lokalfernsehen.

Die Dokumentation will Jugendliche zum Aufstehen gegen Rechts ermutigen. "Ich möchte, dass Jugendliche sich mit dem Thema rechte Gewalt auseinandersetzen", sagt Regisseur Andreas Kuno Richter über seinen Film. Viel eindringlicher ist der Appell von Brigitte Böhnhardt, den sie am Schluss des Films an die Schüler richtet: "Passt auf, was ihr für Freunde habt." Schade, dass der Film zu so später Sendezeit läuft - am Sonntag, 15. Juli, um 22.30 Uhr auf RTL.