Foto: epd-bild/Herby Sachs
Nach jüdischem Gesetz werden Jungen am achten Tag nach ihrer Geburt beschnitten.
Bundesregierung will religiöse Beschneidungen regeln
Die scharfen Proteste von Vertretern aus Judentum und Islam zeigen offenbar Wirkung: Die Regierung will Ruhe in das Thema religiöse Beschneidung bringen und für Rechtsfrieden sorgen.

Die Bundesregierung will die Rechtsunsicherheit bei religiösen Beschneidungen nach dem Urteil des Kölner Landgerichts beenden und strebt eine Regelung an. "Für alle in der Bundesregierung ist es völlig klar: Wir wollen jüdisches und wir wollen muslimisches religiöses Leben in Deutschland", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Verantwortungsvoll vorgenommene Beschneidungen müssten straffrei sein, ergänzte Seibert. Die Initiative stieß bei Politikern auf Zustimmung.

Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, begrüßte die Initiative der Bundesregierung: "Die Religionsfreiheit in Deutschland ist ein hohes Gut. Die jüdischen und muslimischen Menschen in unserem Land müssen ihren Glauben leben können." Verantwortungsvoll ausgeführte Beschneidungen müssten möglich sein. Die derzeitige Rechtslage sorge bei vielen jüdischen und muslimischen Menschen für eine große Verunsicherung.

Suche nach einer Lösung

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast erklärte in Berlin: "Ein Sturm der Entrüstung hat die Bundesregierung endlich zur Einsicht gebracht." Der Umgang mit der Religionsfreiheit, den jüdischen und muslimischen Aufnahmeriten und eine Abwägung von Grundrechten erfordere viel Sensibilität, fügte sie hinzu. Jetzt müssten sich die Fraktionen zusammensetzen und eine Lösung finden, die Rechtssicherheit schaffe.

Zuvor hatte der Zentralrat der Juden eine überparteiliche Gesetzesinitiative zur legalen Beschneidung gefordert. "Die Beschneidung ist für Juden absolut elementar", sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". Sollte das Kölner Urteil gegen Beschneidungen zur Rechtslage werden, dann "wären die Juden kalt in die Illegalität abgedrängt", so Graumann. "Dann wäre in letzter Konsequenz jüdisches Leben in Deutschland nicht mehr möglich."

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Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte plädierte für die Zulassung der Beschneidung. Im "Tagesspiegel" kritisierte Direktorin Beate Rudolf zugleich "Simplifizierungen in der Debatte". Die eine Seite leugne die Schwere des Eingriffs und setze sich damit über das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit hinweg. Auf der anderen Seite werde die Religionsfreiheit pauschal hintangesetzt. Es müssten aber "drei Rechte miteinander abgewogen werden", das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, das Recht, in einer religiösen Gemeinschaft aufzuwachsen und das religiöse Erziehungsrecht der Eltern.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und die frühere Justizministerin Brigitte Zypries mahnten in einer gemeinsamen Erklärung, es könne nicht sein, "dass Jahrtausende alte Traditionen von Millionen von Menschen auf diese Weise in Deutschland infrage gestellt werden". Die Entscheidung, die eine Körperverletzung bei religiös bedingten Beschneidungen von Jungen bejaht, verkenne die Bedeutung des Grundrechts auf Religionsfreiheit. Gabriel und Zypries: "Das Landgericht hat es versäumt, sich mit der religiösen Bedeutung der Beschneidung hinreichend auseinander zu setzen."