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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Eine bessere Welt" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Eine bessere Welt", 15. Juli, 20.15 Uhr im Ersten
Sven Döring, Vater eines überfahrenen jungen Mannes, hat sich in die fixe Idee verrannt, eine Frau habe seinen vor einem Jahr überfahrenen und seither im Koma liegenden Sohn auf dem Gewissen.

Nach mittlerweile drei Fällen hat man sich ja fast an Conny Mey gewöhnt, aber im ersten Frankfurter "Tatort" der neuen Generation, den die ARD heute noch mal zeigt, fegte sie wie ein Sturm über den Sendeplatz hinweg. "Eine bessere Welt" ist in der Tat ein Beleg dafür, wie man auch nach über dreißig Jahren "Tatort" für frischen Wind sorgen kann.

Joachim Król mögen nach Commissario Brunetti (ARD), dem Essener Lutter (ZDF) und diversen weiteren Schnüfflern kaum noch Variationsmöglichkeiten bleiben, aber die Partnerin an seiner Seite ist ein derart schräger Entwurf, dass sie ihm radikal die Schau stiehlt. Ausgerechnet Nina Kunzendorf, die oft düstere, getriebene oder geplagte Frauen verkörpern muss, schlüpft mit ansteckend guter Laune in die Rolle einer Hauptkommissarin, deren Attraktivität, Schlagfertigkeit und Ausstrahlung den konsequent mausgrauen und vor lauter Introvertiertheit fast autistisch wirkenden Kollegen in den Schatten stellt; als wäre Danni Lowinski Polizistin geworden. Und weil Kleider Leute machen, ist Conny Mey nicht nur stets auffällig und bunt gekleidet, sondern sorgt mit knallenger Jeans und offenherzigem Dekolletee auch für mehr Sexappeal als all die anderen Sonntagskolleginnen zusammen. Kollege Steier, ein alter Fuchs und Einzelgänger, verkörpert dagegen eher die inneren Werte. Króls verzögertes Spiel ist der denkbar größte und damit ein wunderbarer Kontrast zu dem Paradiesvogel an seiner Seite.

Döring will Selbstjustiz walten lassen

Und da man beim HR einmal dabei war, mit Konventionen zu brechen, war dieser erste Fall fürs neue Team auch ein Krimi ohne Mord. Selbst wenn Steier die Kollegin belehrt, es heiße aus gutem Grund nicht "Mordverhinderungskommission": Genau darum geht es. Sven Döring (Justus von Dohnányi), Vater eines überfahrenen jungen Mannes (Frederick Lau), hat sich in die fixe Idee verrannt, eine Frau habe seinen vor einem Jahr überfahrenen und seither im Koma liegenden Sohn auf dem Gewissen. Die junge Mariam (Vicky Krieps) aber hatte mit dem Unfall nichts zu tun, zumindest nicht direkt, wie sich später zeigt; sie hat damals bloß den Notarzt gerufen. Döring jedoch ist so besessen von seiner Überzeugung, dass er Selbstjustiz walten lassen will. Seine entsprechenden Drohungen sind zwar unzweifelhaft, aber dennoch zu subtil, um ihn festzunehmen. Mey und Steier bleibt nichts anderes übrig, als ihren Feierabend zu opfern und Mariam zu überwachen.

Die Geschichte mag nicht spektakulär klingen, ist aber enorm dicht erzählt. Lars Kraume (Buch und Regie), für sein Schuldrama "Guten Morgen, Herr Grothe" sowohl mit dem Deutschen Fernsehpreis als auch mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, hat nicht nur das neue "Tatort"-Team geschaffen; er sorgt auch dafür, dass sich Spannung und Spannungen auf mehreren Ebenen entwickeln, denn neben den offenkundigen Thriller-Elementen lebt der Krimi naturgemäß zu großen Teilen auch von den hingebungsvoll ausgelebten Diskrepanzen zwischen den beiden Hauptfiguren.

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Die entsprechenden Dialoge sind mitunter derart herzerfrischend, dass sie auch in eine Komödie passen würden, wenn Steier seiner Kollegin beispielsweise ein Helfersyndrom attestiert und ihr empfiehlt, ein Nagelstudio aufzumachen; davon verstehe sie wenigstens was.