Foto: epd/Bettina Rühl
Schwester Mary vom Comboni-Orden steht am 16.05.2012 in den Nuba-Bergen im Sudan vor einer Grube die ihr und ihren Mitarbeitern als Schutz vor Luftangriffen dient. Die Nonne leitet den Sender "Voice of Peace" (Stimme des Friedens).
Eine Stimme des Friedens trotzt den Bomben
Gefährlich ist der Weg in die entlegenen Nuba-Berge im Sudan. Seit über einem Jahr wird dort wieder gekämpft. Doch das Radio des Comboni-Ordens sendet weiter. Zum Schutz vor Luftangriffen hob das Team um Schwester Mary eine Grube aus.
29.07.2012
epd
Bettina Rühl

Ein Jingle kündigt die nächste Sendung an. Die Melodie klingt optimistisch, und im Text heißt es auf Englisch: "Hand in Hand werden wir unser Land wieder aufbauen." Der Titel läuft in einer kleinen Radiostation in den Nuba-Bergen im Sudan, und in dem wöchentlichen Programm geht es um die Bedeutung des Friedens.

Draußen, vor dem kleinen Rundfunkgebäude, eilt Schwester Mary Carmen Galicia über das staubige Grundstück. Die Nonne gehört zum Comboni-Orden und leitet den Sender namens "Voice of Peace", "Stimme des Friedens", in dem Ort Gidel. Aber der Frieden ist nur als Wort allgegenwärtig, für den Alltag bestimmend ist der Krieg.

Nur eine kurze Waffenruhe

Seit mehr als einem Jahr wird in den Nuba-Bergen wieder gekämpft. Der bewaffnete Arm der Oppositionsbewegung SPLM-Nord griff zu den Waffen, weil eine Gouverneurswahl in ihren Augen gefälscht wurde. Denn es gewann überraschend der Kandidat des sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als Kriegsverbrecher gesuchte Ahmed Haroun.

Der populäre SPLM-Bewerber Abdelaziz Hilal unterlag. Im Südsudan, der vor einem Jahr unabhängig wurde, regiert jetzt die SPLM. Die Menschen in den Nuba-Bergen standen im jahrzehntelangen Bürgerkrieg auf der Seite des Südens, gehören nun aber zum Norden. Eine Wahl hatten sie nicht. Der Friedensvertrag von 2005 brachte ihnen nur sechs Jahre Waffenruhe.

"Ein ganzes Volk wird ausgelöscht."

"Die Menschen hungern, es gibt kaum Medikamente, und sie leiden unter der Isolation", sagt der katholische Bischof Macram Max Gassis, zu dessen Diözese die Nuba-Berge in Süd-Kordofan gehören. Immer wieder nimmt der Geistliche den gefährlichen und beschwerlichen Weg auf sich: "Es ist schmerzlich zu sehen, wie ein ganzes Volk ausgelöscht wird."

###mehr-artikel### Die sudanesische Regierung beantwortet den Aufstand mit Luftangriffen. Die meisten Opfer sind Zivilisten. 85 Prozent, schätzt der Arzt Tom Catena, der das von der Diözese betriebene Krankenhaus in dem Ort Kauda leitet. Catena ist der einzige Arzt in einem Gebiet von der Größe Baden-Württembergs.

Hunger wird mehr und mehr zum Problem. Wegen der Luftangriffe wagt fast niemand, sein Feld zu bestellen. Die wenigen Vorräte sind längst aufgebraucht. "Viele Menschen sind schwer mangelernährt", sagt Catena. Wenn der Krieg anhalte und al-Baschir nicht wenigstens einen Korridor für humanitäre Hilfe öffne, lasse sich eine Katastrophe wohl nicht mehr lange verhindern. Catena sowie einige Nonnen und Priester gehören zu den wenigen Ausländern, die vor dem Bombenterror in den Bergen noch nicht geflohen sind.

Schwester Mary bleibt vor einem knietiefen Loch in der Erde stehen, das allenfalls zwei Meter lang ist. "Das ist unser Schutzraum", sagt sie. "Auf mich wirkt der sehr provisorisch, aber meine Mitarbeiter haben gesagt, das Loch würde reichen." Die Schwester gibt offen zu, dass sie große Angst hat, wenn Bomben in der Nähe einschlagen.

"Wir sind für alle da - wir senden in allen Sprachen."

Trotzdem denkt auch sie nicht an Abreise. Die 17 Radio-Mitarbeiter senden nicht nur Nachrichten und Programme zum Thema Frieden, sondern auch zur geistlichen Erbauung, zu Gesundheit und Unterhaltung. Wichtig ist Schwester Mary auch die Botschaft, die sich im Team ausdrückt: "Voice of Peace" arbeitet mit Muslimen zusammen, auch wenn die festen Mitarbeiter derzeit alles Christen sind. "Wir sind für alle da", sagt die Chefin. "Wir senden in allen Sprachen, in Arabisch, Englisch und lokalen Dialekten."

Dass es sich bei dem Kampf in den Bergen um einen religiösen Konflikt handelt, glaubt weder sie, noch der Bischof von El Obeid. "Hier leben Christen und Muslime", sagt Bischof Gassis, "und sie leben in Frieden miteinander." Das mache sie zum Vorbild für andere Regionen in Afrika. Al-Baschirs Krieg gegen die Menschen in den Nuba-Bergen sei kein religiöser Konflikt, ist der Bischof überzeugt. Es gehe um den Herrschaftsanspruch der arabisch geprägten Elite in der sudanesischen Hauptstadt Khartum über die afrikanischen Völker, seien sie nun Christen oder Muslime.