Foto: epd-bild/Gustavo Alabiso
Spielen zwischen Grabsteinen: Das Karlsruher Konzept provoziert.
Spielend mit der Trauer umgehen
Es ist ein ungewöhnlicher Anblick: Mitten zwischen den Gräberfeldern auf dem Karlsruher Friedhof sind zwei Spielplätze entstanden, die trauernden Kindern im Umgang mit Tod und Verlust helfen sollen. Das gefällt nicht allen Besuchern.
14.07.2012
epd
Ralf Schick

Auf der einen Seite des Karlsruher Friedhofs gibt es einen ganz normalen Spielplatz mit funktionierenden Spielgeräten wie Rutsche, Sandkasten, Schaukel und Wackeltieren. Auf der anderen Seite - und durch eine kleine Brücke mit dem ersten Spielplatz verbunden - finden sich die gleichen Spielutensilien, nur ist dort der Sandkasten einbetoniert, die Schaukel steht still, die Wackeltiere sind unbeweglich. Hier die heile "Kinderwelt", dort die stumme und starre "Trauerwelt".

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Trauernde Kinder und Jugendliche haben die Spielgeräte beschriftet, teils mit eigenen Äußerungen und Erfahrungen - Einblicke in ihre Trauerwelt. Das deutschlandweit einzigartige Projekt "Kinderwelten" wurde von der Trauerbegleiterin Barbara Kieferle-Stotz und Friedhofsleiter Matthäus Vogel konzipiert.

"Gut aufgehoben über den Tod hinaus"

"Kinder gehören in die Mitte unseres Lebens - und das soll auch für den Friedhof gelten", sagt Vogel. Der Friedhofsleiter hat in den vergangenen Jahren den Karlsruher Friedhof durch Projekte wie den "Lebensgarten", renommierte Ausstellungen, durch neuartige Gräberfelder, Baumbestattungen und Grabmalpatenschaften zu einem der innovativsten Friedhöfe in Deutschland umgestaltet. In Karlsruhe sei man "gut aufgehoben bis über den Tod hinaus", lobte vor einigen Jahren der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer das Konzept.

Für die Trauerbegleiterin Barbara Kieferle-Stotz ist die Konzeption der "Kinderwelten" entstanden aus langjährigen Erfahrungen in Kindertrauergruppen. Seit 2005 wird auf dem Friedhof Trauerarbeit mit und für Kinder angeboten, der neue Spielplatz soll nun den "Kontrast zwischen der 'heilen' Kinderwelt und der oft schmerzhaft veränderten 'Kindertrauerwelt' darstellen", sagt die Diplom-Sozialpädagogin.

Die "Kinderwelten" sind am Samstag (14. Juli) auf dem Karlsruher Friedhof eröffnet worden. Schon im Voraus wurde allerdings heftig darüber diskutiert, ob diese Form der Trauerarbeit für Kinder notwendig ist und die Friedhofsruhe nicht stören wird. Manche Friedhofsbesucher, die ihre verstorbenen Angehörigen besuchen wollen, sind schockiert. "Das passt doch überhaupt nicht zu einem Ort, wo man trauert, sich erinnert und ungestört sein will", sagt etwa die 56-jährige Martha Stammler, die seit einigen Jahren das Grab ihres Mannes pflegt.

Kontroverse um Friedhofsspielplatz

"Wir hatten damit gerechnet, dass darüber kontrovers diskutiert wird", sagt Friedhofsleiter Matthäus Vogel. Die Diskussionen seien notwendig und gut für eine neue Art des Trauerns. Deshalb wollte Vogel den Spielplatz auch nicht an den Friedhofsrand drängen. "Dass manche Menschen nun direkt hinter den Gräbern eine Erdaufschüttung haben, finde ich allerdings auch nicht ganz glücklich". Aber: Das Projekt wachse noch und Veränderungen seien möglich.

"Heutzutage lamentiert doch fast jeder dritte Friedhofsbesucher, dass Kinder keinen Zugang mehr zum Friedhof haben", sagt Vogel. Und immer mehr Menschen lebten in Sorge, dass später einmal ihre eigenen Gräber nicht mehr von den Kindern gepflegt würden.

"Der Friedhof ist nicht nur ein Ort für die Verstorbenen, sondern auch für die Angehörigen", urteilt der Friedhofsleiter. Bei den "Kinderwelten" sollten trauernde Kinder und Jugendliche spüren können, dass sie mit ihrer Trauer nicht alleine sein müssten. Und Schulklassen könnten sich altersgerecht mit den Themen "Abschied und Trauer" beschäftigen.