Foto: Jens Büttner
Der vierjährige Yannic hat es sich mit seinem Kuscheltier gemütlich gemacht.
Ein Nest für Tag und Nacht: Ansturm auf 24-Stunden-Kita
Bundesweit soll die Kinderbetreuung ausgebaut werden. Der Osten ist dabei unangefochtener Vorreiter. Schwerin bietet ein Novum: eine kommunale 24-Stunden-Kita für den Nachwuchs von Schichtarbeitern.
09.07.2012
Grit Büttner

Dean wird diese Nacht besonders schön träumen. Er schläft in seinen vierten Geburtstag hinein. Gleich beim Aufwachen kann ihm sein Kindergartenfreund Yannic gratulieren. Die beiden kleinen Schweriner übernachten heute wieder in der Kita, weil ihre Eltern Schicht arbeiten.

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Mit der Rund-um-die-Uhr-Betreuung für Babys, Klein- und Vorschulkinder sei Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt - neben wenigen privaten Initiativen - Vorreiter in Deutschland, sagt Grit Brinkmann, Leiterin der 24-Stunden-Kindertagesstätte "nidulus" (lateinisch: "Nestchen"). Wegen der überbordenden Nachfragen richte sich das kommunale Angebot für 365 Tage und Nächte im Jahr ausschließlich an Schichtarbeiter.

"Das ist keine Elite-Kita, sondern ein Angebot für all jene, die regelmäßig abends, nachts, an Wochenenden und Feiertagen arbeiten müssen", erklärt Anke Preuß, Geschäftsführerin der Kita gGmbH. Das städtische Unternehmen ist Schwerins größter Kitaträger und bietet gut 2.500 Betreuungsplätze an 24 Standorten. In Kooperation mit den Helios-Kliniken wurde vor drei Jahren auf dem Krankenhausgelände die 24-Stunden-Kita "nidulus" samt Garten und Spielplatz neu gebaut.

Zweite Einrichtung geplant

Nicht nur Ärzte, Schwestern und Pfleger wissen ihren Nachwuchs im "Nestchen" gut aufgehoben, wie Anke Preuß betont. Auch Busfahrer, Polizisten, Köche, Kellner und Verkäuferinnen seien auf die begehrten Betreuungsplätze mit Ganztagskonzept und Vollverpflegung angewiesen. Derzeit arbeiteten rund 22.000 Schweriner in Schichten, oft seien junge Eltern darunter. Wegen des Ansturms auf die 58 Plätze im "nidulus" und langen Wartelisten plane die Stadt im nächsten Jahr eine zweite 24-Stunden-Kita für 60 Kinder, sagte Preuß.

Bundesweit sollen vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige ab 2013 die Angebote ausgebaut werden. In den alten Bundesländern fehlen laut Statistik 230.000 Krippenplätze. Im Westen wird derzeit nur jedes fünfte Kleinstkind tagsüber betreut, im Osten ist es jedes zweite.

Besonders alleinerziehende Frauen

Vor allem in Randzeiten, an Sonn- und Feiertagen, mangele es bundesweit an Betreuungsmöglichkeiten, während Berufstätige zunehmend auch nachts und an Wochenenden arbeiteten, erklärt der Sprecher des Arbeitsagentur-Bereichs Nord in Kiel, Horst Schmitt. Besonders alleinerziehende Frauen in Gastronomie, Einzelhandel oder Gesundheitsbranche seien auf flexible Kitazeiten angewiesen. "8 bis 16 Uhr, und nur von Montag bis Freitag, das reicht nicht aus."

Schwerin scheint eine Lösung gefunden zu haben. Gerade holt Sandra Rieger (36) ihren Sohn Finn-Luca (2) nach dem Abendessen in der 24-Stunden-Kita ab. Sie arbeite als Kellnerin in drei Schichten, ihr Mann gehe europaweit auf Montage und komme nur alle zwei, drei Wochen nach Hause, erzählt sie. "Ohne den Platz hier hätte ich meinen Job aufgeben müssen." Dank ihrer festen Anstellung kann sie die um rund 100 Euro höheren monatlichen Kitakosten gut verkraften.

Nicht länger, aber andere Zeitfenster

Kindergartenleiterin Brinkmann betont, dass die Kinder nicht rund um die Uhr und insgesamt nicht länger als Gleichaltrige in der Kita seien. "Sie verbringen nur andere Zeitfenster hier mit ihren Freunden und Betreuern."

Dean und Yannik machen es sich mit ihrer Erzieherin Doreen Holtz für die Nacht gemütlich. Zum Einschlafen gibt es noch eine Geschichte. "Ein verlässlicher Tagesablauf und familiäre Atmosphäre, das zeichnet eine 24-Stunden-Kita aus", sagt Holtz. Zum Frühstück werden für Dean vier Kerzen, ein Kuchen und ein kleines Geschenk auf dem Tisch stehen. Dann holen seine Eltern ihn ab - und starten am Vormittag gemeinsam in den Feier-"Abend".