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"Wie um ein Auto, das regelmäßig generalüberholt werden muss, müssen wir uns permanent um unseren Körper kümmern."
Der Körper als Leinwand
Wellness-Kuren, Schönheits-OPs, Fitness-Center. Schönheit ist heute machbar - und deshalb Pflicht. Im Schwerpunkt "Was ist schön" zeigen wir, wie die Jagd nach dem perfekten Körper für manche Menschen zum Sport wird. Was dabei perfekt ist, entscheidet nicht nur das Fernsehen, sondern auch die Biologie.

Sie sind jung, vornehmlich weiblich, leicht bekleidet und sie sind überall: Schöne Körper haben sämtliche Bereiche unseres Lebens überschwemmt. Sie schmücken Werbetafeln im öffentlichen Raum, begegnen uns im Internet und im Fernsehen. Die Zeiten, da das gemeine Volk als Abbild des Menschen einzig die Heiligenfiguren in der Kirche kannte, sind lange vorbei. "Insbesondere nackte Körper sehen viele Menschen in den Medien mittlerweile häufiger als im realen Leben", sagt Ada Borkenhagen, Psychologin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

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Die Wissenschaftlerin verfolgt seit Jahren, wie der anhaltende Körperkult immer neue Blüten treibt, und sie ist überzeugt: "Die Medien haben daran ganz erheblichen Anteil." Schauspieler, Nachrichtensprecher und Moderatoren, aber auch Manager und Politiker, die öffentlich in Erscheinung treten, werden an gängigen Schönheitsidealen gemessen. Für manchen Prominenten ist das schon zum Ärgernis geworden - selbst für Bundeskanzlerin Angela Merkel.

"Botox-to-go": glatte Haut in der Mittagspause

Auch für den Otto-Normal-Bürger birgt der Körperkult Probleme. Schönheit ist machbar geworden, dank Fitness-Studios, Anti-Aging-Kuren und plastischer Chirurgie. Die Folge: Was möglich ist, wird mittlerweile zunehmend verlangt. "Wie um ein Auto, das regelmäßig generalüberholt werden muss, müssen wir uns permanent um unseren Körper kümmern", sagt Borkenhagen. "Körper-Tuning" nennt sie das, und sie weiß, dass immer mehr Menschen diesen "Sport" betreiben.

Die Zahl der Schönheitsoperationen ist laut Borkenhagen in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben, doch die Zahl der kleineren kosmetischen Eingriffe, etwa mittels Laserbehandlungen und Anti-Falten-Spritzen, steigt. Behandlungen mit dem Nervengift Botox werden auch in Deutschland mittlerweile als Flatrate oder auf Partys angeboten, und "Botox-to-go"-Studios werben für die schnelle Hautglättung in der Mittagspause.

Der Einfluss der Evolution

Nach Einschätzung von Borkenhagen unterliegen Frauen den weiter steigenden Ansprüchen im Hinblick auf die Optik nach wie vor stärker als Männer. Versuche, an den geltenden Idealen zu rütteln, fruchten offenbar nicht. "Schauspielerinnen, die beispielsweise mit unrasierten Beinen auftreten, kokettieren mit diesen Idealen. Mehr aber auch nicht." Doch Frauen sollen nicht nur schön sein, sondern auch möglichst jung.

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Viele Attraktivitätsforscher begründen die hohe Bedeutung von Jugendlichkeit evolutionspsychologisch. Sie sehen grundsätzlich nur ein bestimmendes Moment für die Bewertung der Attraktivität: den Drang nach Fortpflanzung. "Wir finden schön, was in diesem Sinne funktional ist, also Erfolg verspricht", erklärt etwa der Wissenschaftler Dr. Roland Henss vom Institut für Psychologie der Universität des Saarlandes. Nach der evolutionsbiologischen Vorstellung von Attraktivität werden Körper schlicht auf solche Eigenschaften gescannt, die gesunde Nachkommen versprechen: Jugendlichkeit verspricht Fruchtbarkeit, ebenmäßige Haut ist ein Zeichen für Gesundheit.

Der Körper spiegelt die Gene

Asymmetrien sind dagegen ein Indikator für Wachstumsstörungen. Der Körper ist Spiegel der Gene. Für mögliche Einflüsse von Medienereignissen wie der alljährlichen Suche nach "Germany's Next Topmodel" auf die Wahrnehmung oder die Schönheitsideale der Zuschauer ist in diesem evolotionspsychologischen Modell kein Platz. "Wir diktieren mit unserem Schönheitsinstinkt die Medien und geben vor, was sie uns präsentieren dürfen. Nicht umgekehrt", glaubt Henss. Nach Einschätzung von Dr. Ada Borkenhagen greifen solche rein biologistischen Modelle allerdings zu kurz. "Wenn die Medien ein bestimmtes Schönheitsideal propagieren, dann kann das durchaus plötzlich als schön gelten."

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Wie stark die Wirkung solcher Einflüsse auf den Einzelnen ist, hängt  von persönlichen Eigenschaften und der jeweiligen Lebenssituation ab. "Die, die keine andere Möglichkeit haben, ihre Identität auszuweisen und zu stabilisieren, definieren sich besonders stark über ihren Körper", glaubt Borkenhagen. Während sich Menschen aus der mittleren und oberen sozialen Schicht stärker über Bildung und Beruf definierten und Schönheitsideale eher aus Gewohnheit einhielten, habe der Körper in den unteren Schichten eine starke Bedeutung, sagt Borkenhagen. "Erst wer sich völlig abgehängt fühlt, gibt irgendwann auch diese Ideale auf."

Dieser Artikel ist am 9. März 2010 erstmals auf evangelisch.de erschienen.