Sie leiten eine Agentur für mollige Models – welche Kleidergrößen tragen die Frauen, die Sie in Ihrer Kartei haben?
Ingrid Martin-Zick: Wir haben Frauen ab Kleidergröße 40 und sogar einige mit Größe 38 in der Kartei. Paradoxerweise gilt das schon als mollig. Aus meiner Sicht ist Größe 40 alles andere als mollig – aber es ist das, was der Markt hin und wieder fordert. Unsere größten Models tragen Kleidergröße 60.
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An welche Kunden vermitteln Sie die Frauen?
Martin-Zick: Das sind ganz unterschiedliche Bereiche. Ein guter Kunde ist zum Beispiel die Übergrößen-Modemarke Ulla Popken. Die Marke will wirklich Models in großen Größen, zum Beispiel 52/54, und ist umso glücklicher, je molliger die Frauen sind. Viele Aufträge bekommen wir auch von Textilherstellern, die sich trauen, auch mit Frauen mit starken Größen zu werben, etwa der Discounter Kik. Kürzlich wurde aber auch ein Mädchen für ein Musikvideo gebucht und eins unserer Models hat mal in einer Yoga-DVD mitgemacht.
Mollige Models auf dem Laufsteg. Foto: Agentur MOS
Wie gefällt Ihnen die Übergrößenmode aus Deutschland? Ist sie mutig und modisch genug?
Martin-Zick: Heute ist die Plus-Size-Mode besser als vor zehn Jahren – auch weil junge Frauen selbstbewusster geworden sind und ihre Kurven zeigen wollen. Aber wir haben in Deutschland noch lange nicht dasselbe Angebot wie auf dem amerikanischen oder britischen Markt. In Deutschland sind die Klamotten oft noch zeltartig und laufen dem Trend hinterher. Der aktuelle Trend zum Colorblocking wird zum Beispiel bei den Übergrößen erst deutlich später ankommen. Richtig kultige Sachen findet man nur im Ausland.
Ein weiteres Problem ist, dass nur ganz wenige Labels begriffen haben, dass auch mollige Frauen in meinem Alter sich modisch anziehen wollen. Ich bin 41 Jahre alt, trage Kleidergröße 42 und laufe selbst noch Modenschauen. Dabei muss ich fast immer die Mode für Frauen ab 50 oder 60 Jahren vorführen. Meistens wird "mollig" mit "älter" assoziiert. Es gibt zwar einige Labels, die tolle Mode machen, aber das sind dann meist sehr hohe Preisklassen.
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Glauben Sie, dass Modeblogs von übergewichtigen Frauen Einfluss auf andere junge Frauen haben, die nicht dem klassischen Schönheitsideal entsprechen?
Martin-Zick: Das glaube ich schon. Gerade junge Mädchen trauen sich heute mehr, zu ihrem Körper zu stehen – dem Internet sei Dank. Es gibt viele Modeblogs und auch viele positive Nachrichten im Internet. Dank Facebook verbreiten sich solche Informationen wie ein Lauffeuer. Kürzlich habe ich zum Beispiel gelesen, dass die Vogue sich dafür eingesetzt hat, dass auf der Berliner Fashion Week nur gesund aussehende Models laufen. Es ist toll, dass sich Frauen endlich dagegen wehren, dass die Modewelt nur bis Größe 38 geht. Jeder hat das Recht, modebewusst zu sein. Meiner Meinung nach sollte man dabei allerdings nicht zu stark polarisieren. Natürlich soll man auch mit Größe 54 zu seinem Körper stehen, aber Fettpolster müssen nicht mit engem Stoff betont werden. Mode ist auch die Kunst, aus dem Körper das Schönste herauszuholen.
Karl Lagerfeld bewundert die dicke Sängerin Beth Ditto, und die Kosmetikfirma Dove wirbt mit Frauen mit allen Körpertypen. Glauben Sie an ein grundsätzliches Umdenken in der Modebranche?
Martin-Zick: Ich glaube, das sind leider noch Randerscheinungen. Es ist wahr, dass dicke Frauen in der Modewelt heute deutlich öfter thematisiert werden. Und es ist ein Riesenfortschritt, dass Hochglanzillustrierte wie die „Vogue“ oder Frauenmagazine wie die „Brigitte“ Mode auch an molligen Frauen zeigen. Aber dass mollige Models genauso oft wie dünne eingesetzt werden, das wird meiner Meinung nach nicht kommen – auch wenn es den realen Verhältnissen in der Bevölkerung viel eher entsprechen würde.
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Es gibt aber Untersuchungen, die zeigen, dass Frauen nicht unbedingt immer einen Spiegel vorgehalten bekommen wollen. Wenn ich Größe 38 trage, dann greife ich in einem Katalog eher zu einem Teil, das ein Model mit Größe 36 trägt, weil ich hoffe, dass ich in dem Outfit selbst schlanker wirke. Wenn man sich Illustrierte kauft, hat das eben nichts mit dem Alltag zu tun, sondern mit Träumen und Fantasien.