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Protest gegen das Acta-Abkommen vor dem Europäischen Parlament in Straßburg im Februar 2012.
Acta abgelehnt: "Der Teufel steckt im Mangel an Detail"
Das Europäische Parlament hat das Anti-Piraterieabkommen Acta mit großer Mehrheit abgelehnt. Zu viele ungenaue Formulierungen und fehlende Ausnahmeregelungen ließen die Abgeordneten an einer bürgerrechtskonformen Umsetzung zweifeln.

Nach fünf Ablehnungen in den parlamentarischen Ausschüssen konnte das Parlament gar nicht mehr anders entscheiden. Zwar beantragte die konservative Europäischen Volkspartei noch eine Verschiebung der Abstimmung, doch diese wurde mit ähnlich vielen Stimmen zurückgewiesen wie schließlich das Abkommen selbst: 478 votierten mit "Nein", nur 39 mit "Ja", 165 Abgeordnete enthielten sich.

Am Tag zuvor hatten die meisten Abgeordneten das Abkommen in einer dreistündigen Aussprache kritisch bewertet. Berichterstatter David Martin hielt dabei den Finger auf die Wunde: "Der Teufel steckt dieses Mal im Mangel an Detail", sagte er. "Ein vage formulierter Text ist gefährlich und wir können nicht garantieren, dass die Bürgerrechte geschützt werden."

Wichtige Ausnahmeregelungen fehlten

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Tatsächlich enthielt Acta viele wichtige Ausnahmeregelungen, die im Urheber- und Patentrecht international längst Standard sind nicht. Generika etwa, die zur Bekämpfung von Seuchen wie Aids in Ländern wie Brasilien oder Südafrika lebenswichtig sind, sind bei Acta nicht ausgenommen. Auch gab es keinen Schutz für einen "fairen Gebrauch" geschützter Werke etwa für Bildung und Wissenschaft.

Umstritten war zudem, dass auch Handlungen von Privatpersonen die in "gewerbsmäßigem Umfang" stattfinden, erfasst werden sollen. Das Europäische Parlament hatte es zuvor abgelehnt, dass "Handlungen privater Nutzer für persönliche und nicht gewinnorientierte Zwecke" als eine "Verletzung in gewerbsmäßigem Umfang" betracht werden dürfen. Frühe Entwürfe enthielten Formulierungen, die eine Verpflichtung von Internet-Providern zur Überwachung ihrer Netze andeuteten. Diese wurden aber entschärft. So hieß es in der jüngsten Fassung lediglich, dass die Provider mit Rechteinhabern kooperieren sollten.

23 europäische Urheberrechtsexperten und Wissenschaftler hatten sich aus einer ganzen Reihe von weiteren Gründen gegen eine Unterzeichnung von Acta ausgesprochen. Sie kritisierten beispielsweise, dass der Schadensersatz sich an den Verkaufspreisen orientieren soll, was jedoch nicht unbedingt dem tatsächlichen Schaden entspricht. Auch vermissten sie die Erwähnung von Verfahrensgarantien wie etwa, dass Rechteverletzer angehört werden müssen.

Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Die fehlenden Ausnahmeregelungen sowie vielfach kritisierten ungenauen Formulierungen gehen nach Ansicht vieler Beobachter auf den lange geheim gehaltenen Verhandlungsprozess zurück, an dem zwar vor allem amerikanische Industrievertreter, nicht jedoch Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen beteiligt wurden. Auch die nationalen Parlamente wurden an den Verhandlungen nicht beteiligt, das europäische Parlament konnte erst zu einem sehr späten Zeitpunkt auf die Positionen der Europäischen Kommission Einfluss nehmen.

Die Kommission hatte sich bis zum Abschluss der Verhandlungen geweigert, die Abgeordneten über den laufenden Verhandlungsstand umfassend zu informieren. Das europäische Parlament konnte jetzt dem Abkommen nur zustimmen oder es ablehnen, nicht jedoch selbst Korrekturen vornehmen. Das Parlament zeigte damit der Kommission auch eine rote Karte, was das gewählte Verhandlungsverfahren angeht. Allerdings hatten viele Abgeordnete ihre Position erst nach europaweiten Protesten revidiert, in denen manche Beobachter das erstmalige Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit erkannten.

Acta sollte einen Standard festlegen

EU-Handelskommissar Karel de Gucht hatte sich in der gestrigen Parlamentsdebatte etwas entgegenkommender gezeigt. Während er vor zwei Wochen noch damit gedroht hatte, das Parlament bei einem "Nein" auch ein zweites Mal mit dem Abkommen zu konfrontieren, sagte er nun lediglich, dass die Kommission die etwa in eineinhalb Jahren zu erwartende Bewertung des Europäischen Gerichtshofs sorgfältig analysieren werde. Er bestand jedoch weiterhin darauf, dass mit Acta das europäische Recht nicht geändert werde. Dies entspricht im Übrigen auch einer Bewertung vieler Industrieverbände, die eine wirkliche Wirkung von Acta nur im internationalen Rahmen erwarten.

Hintergrund des  Abkommens ist, dass die Industrienationen sich in den Jahren zuvor mit ihren Wünschen in den etablierten internationalen Gremien wie der Welthandelsorganisation oder der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nicht mehr durchsetzen konnten. Acta sollte damit einen nach ihrem Gusto formulierten Standard etablieren, den Entwicklungs- und Schwellenländern dann später über bilaterale Abkommen ohne Nachverhandlungen hätten akzeptieren müssten.

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Die Kritik an Acta zeigt bereits Wirkung auf ein ähnliches Abkommen, das die USA derzeit in einem ähnlichen Verfahrenverhandeln: das "Trans Pacific Partnership"-Abkommen (TPP), in dem Lobbygruppen der Unterhaltungsindustrie wie die Motion Pictures Association of America (MPAA) zwar Zugang zum aktuellen Verhandlungsstand erhalten, nicht jedoch interessierte US-Senatoren. Unter anderem geht es darum, dass internationale Unternehmen Schadensersatzklagen bei Verletzungen geistigen Eigentums gegen Regierungen einreichen können, die das Abkommen unterzeichnet haben.

Letztlich wird damit ein Hebel geschaffen, um Einfluss auf die nationale Gesetzgebung in den Unterzeichnerstaaten nehmen zu können. Zu den TPP-Staaten gehören neben den USA Länder wie Australien und Neuseeland asiatische Staaten wie Malaysia, Singapur und Vietnam sowie Chile und Mexiko in Südamerika. Der kanadische Jurist Michael Geist, der zu den ersten Acta-Kritikern gehörte, meldete jetzt, dass die USA sich mit der Einführung von Ausnahmeregelungen einverstanden zeigen.