Im Eingang riecht es nach Turnhalle. Das Gebäude, "eine Arche im Meer des Campus", wie Architekt Ludwig Karl sagt, ist aus Holz, der orangefarbene Boden aus Linoleum. Die Grundfläche des circa 100 Quadramtmeter großen Gebäudes ähnelt einem Dreieck mit abgerundeten Ecken, der Architekt sagt: zwei Parabeln greifen ineinander. Der Ort, das "Haus der Stille", soll Geborgenheit vermitteln. Denn er soll ein Rückzugsort sein für jeden, der sich sammeln möchte, beten oder meditieren will.
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"Jemand, der eine ernsthafte Krise hat", sagt die evangelische Pfarrerin Ruth Habermann, "wird sich hier aber eher nicht so wohl fühlen." Das weiß Ruth Habermann aus ihrer Arbeit als Seelsorgerin in der Evangelischen Studierendengemeinde. "In der Krise muss ich mich öffnen und Vertrauen finden", doch im "Haus der Stille" herrsche oft eher ein Kommen und Gehen. Denn schließlich muss der Raum für jeden zu jeder Zeit offen sein. Außerdem fehlten manchen Studierenden die Symbole, sagt Ruth Habermann. Doch Symbole aller Art sind - außer dem roten Hinweis für den Feuerlöscher und dem grünen für den Notausgang - in dem weißgehaltenen Raum nicht vorgesehen.
Mitten im Raum: Ein lautes Vaterunser
Ein ästhetisch-religiöser Kompromiss sind zwölf goldene, quadratische Tafeln an der Wand. Gold für das Heilige, worin sich zumindest Christen und Muslime einig waren. Rabbinerin Elisa Klapheck sagt: "Für mich ist es Dekoration. Bilder würden diesen Raum für mich kaputt machen."
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Die Aufgabe und der Anspruch des "Hauses der Stille" sind nicht gerade einfach: Ein sakraler Ort für jede Religion, für jede Weltanschauung soll es sein. Funktional und ästhetisch. Kann das überhaupt gehen? Jeder soll diesen Raum für sich beanspruchen dürfen, keiner soll sich ausgegrenzt fühlen.
"Von Anfang an kamen junge Frauen zu mir, die von betenden, muslimischen Männern auf die Empore geschickt wurden", erzählt Ruth Habermann. Ihr wurde sehr deutlich, wie unsicher viele Christen mit ihrer Tradition sind: "Die Studis kamen zu mir und fragten mich: Was sollen wir denen sagen? Wo steht etwas über Gleichberechtigung in der Bibel?" Eine junge Frau habe sich mitten in den Raum gesetzt und laut das Vaterunser gebetet, weil sie sich nicht hinausschicken lassen wollte. Solche Beispiele machen deutlich: das "Haus der Stille" ist tatsächlich, wie die Erbauer es sich wünschten, ein Raum "gelebter Diversität". Allerdings vorerst nicht im positiven Sinne.
"Neue Dimension" des religiösen Miteinander
Der Anspruch, "ein sakraler Ort für jede Glaubensrichtung" zu sein, scheint sich ebenso wie der Wunsch nach Ruhe schwierig zu gestalten - zumindest, wenn man theologische Überlegungen zugrunde legt. Auf einer Tagung zum Thema "Raum und Sinn" beschäftigten sich jüdische, katholische, evangelische und muslimische Theologen mit den religiösen und ästhetischen Dimensionen des "Hauses der Stille", indem sie sich über den Begriff der "Stille" austauschten.
Das "Haus der Stille" von innen, die einzige Dekoration: zwölf goldene Platten. Foto: ESG in Frankfurt
"Das ist kein sakraler Ort für Katholiken", sagt der katholische Theologie-Professor Thomas Schreijäck. Und auch Rabbinerin Elisa Klapheck empfindet das "Haus der Stille" nicht als sakralen Ort für Juden. "Es ist nicht ein Zusammensein von verschiedenen Glaubensrichtungen in ihrer bestehenden Form. Ich glaube, das ist nicht möglich. Sondern in dieser gemeinsamen Stille, in der man sich begegnet, sollte sich eine neue Dimension eröffnen." Welche das genau sein soll, lässt sie offen, denn als einen interreligiösen Ort versteht sie das Gebäude auch nicht. "Interreligiöse Themen behandeln wir anderswo."
Extreme dürfen nicht die Oberhand bekommen
Der evangelische Theologe Peter Steinacker hingegen sieht den interreligiösen Dialog als eine zentrale Aufgabe: "Das Haus der Stille soll den interreligiösen Dialog fördern. Allerdings nicht im Haus der Stille selber. Da ist Stille." Doch Stille soll für Muslime im "Haus der Stille" eben nicht sein. Denn die Vertreter der muslimischen Seite machten klar: Stille von Anfang an gebe es nicht, Muslime bräuchten Worte, die sie in die Stille hineinführen. Dafür wurde dann ein Kompromiss gefunden: Das Gebete-Flüstern ist erlaubt.
Viel Verständnis für die verschiedenen Sichtweisen bringt der katholische Theologe Albert Gerhards auf. Er beglückwünscht die Frankfurter Universität zu ihrem "mutigen" Schritt und wundert sich nicht über die aufgekommenen Konflikte: "Es gibt keine Monokulturen mehr". Das Lösen der Probleme sieht er deshalb als Chance: "Nur so kommen wir im menschlichen Miteinander, in der Gestaltung unserer gemeinsamen Kultur weiter. Wenn wir, wie hier im "Haus der Stille", unterschiedliche Kulturen ins Gespräch bringen und auf diese Weise zu neuen Formen, Erfahrungen und beglückenden neuen Erkenntnissen kommen."
Auch wenn viele Erfahrungen bisher weniger beglückend sind: Der Raum wird angenommen und das Ringen miteinander hat begonnen. "Wir müssen nur aufpassen", sagt die evangelische Pfarrerin Ruth Habermann, "dass die Extremen der verschiedenen Religionen hier nicht die Oberhand bekommen".